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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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profitiren, wenn sie sehen, was auf diese oder
jene actiones oder Umstände vor ein effect er-
folget. Allein denjenigen, die ihre Handlun-
gen lieber nach den Gesetzen der Vernunfft
denn andrer Leute Exempeln anstellen, wird die-
se Methode, da sie aus Lesung der Historie
klug werden sollen, nicht sonderlich anstehen.
Es kömmt mir eben vor, wenn man aus andrer
Leute factis und actionen die Maximen der
Klugheit begreiffen soll, als wenn man einen
Kehricht-Hauffen durchwühlete, um eine und
andere Stecknadeln, oder andere Sachen, die
noch zu gebrauchen wären, darinnen zu finden.
Denn wie bey dem Kehricht-Hauffen viel un-
nützes gefunden wird, also trifft man auch in
den Historien ein Hauffen thörichte oder doch
indifferente Handlungen an, von denen man
nichts lernen kan, und zu dem so verändern
auch die discrepanten Umstände, die nach den
Unterschied der Oerter und actionen unter-
schieden seyn, die Würckungen gar sehr, daß
man sich von gewissen negotiis, die man auf
eben die Art vornehmen will, nicht allezeit einen
gleichen und guten effect versprechen kan.

§. 24. Zum dritten erlangt man connois-
sance
von der Staats-Klugheit durch eigene
Erfahrung, und dieses wiederum auf zweyerley
Art, entweder daß man zuvor wenig oder gar

nicht



profitiren, wenn ſie ſehen, was auf dieſe oder
jene actiones oder Umſtaͤnde vor ein effect er-
folget. Allein denjenigen, die ihre Handlun-
gen lieber nach den Geſetzen der Vernunfft
denn andrer Leute Exempeln anſtellen, wird die-
ſe Methode, da ſie aus Leſung der Hiſtorie
klug werden ſollen, nicht ſonderlich anſtehen.
Es koͤmmt mir eben vor, wenn man aus andrer
Leute factis und actionen die Maximen der
Klugheit begreiffen ſoll, als wenn man einen
Kehricht-Hauffen durchwuͤhlete, um eine und
andere Stecknadeln, oder andere Sachen, die
noch zu gebrauchen waͤren, darinnen zu finden.
Denn wie bey dem Kehricht-Hauffen viel un-
nuͤtzes gefunden wird, alſo trifft man auch in
den Hiſtorien ein Hauffen thoͤrichte oder doch
indifferente Handlungen an, von denen man
nichts lernen kan, und zu dem ſo veraͤndern
auch die diſcrepanten Umſtaͤnde, die nach den
Unterſchied der Oerter und actionen unter-
ſchieden ſeyn, die Wuͤrckungen gar ſehr, daß
man ſich von gewiſſen negotiis, die man auf
eben die Art vornehmen will, nicht allezeit einen
gleichen und guten effect verſprechen kan.

§. 24. Zum dritten erlangt man connoiſ-
ſance
von der Staats-Klugheit durch eigene
Erfahrung, und dieſes wiederum auf zweyerley
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[31/0051] profitiren, wenn ſie ſehen, was auf dieſe oder jene actiones oder Umſtaͤnde vor ein effect er- folget. Allein denjenigen, die ihre Handlun- gen lieber nach den Geſetzen der Vernunfft denn andrer Leute Exempeln anſtellen, wird die- ſe Methode, da ſie aus Leſung der Hiſtorie klug werden ſollen, nicht ſonderlich anſtehen. Es koͤmmt mir eben vor, wenn man aus andrer Leute factis und actionen die Maximen der Klugheit begreiffen ſoll, als wenn man einen Kehricht-Hauffen durchwuͤhlete, um eine und andere Stecknadeln, oder andere Sachen, die noch zu gebrauchen waͤren, darinnen zu finden. Denn wie bey dem Kehricht-Hauffen viel un- nuͤtzes gefunden wird, alſo trifft man auch in den Hiſtorien ein Hauffen thoͤrichte oder doch indifferente Handlungen an, von denen man nichts lernen kan, und zu dem ſo veraͤndern auch die diſcrepanten Umſtaͤnde, die nach den Unterſchied der Oerter und actionen unter- ſchieden ſeyn, die Wuͤrckungen gar ſehr, daß man ſich von gewiſſen negotiis, die man auf eben die Art vornehmen will, nicht allezeit einen gleichen und guten effect verſprechen kan. §. 24. Zum dritten erlangt man connoiſ- ſance von der Staats-Klugheit durch eigene Erfahrung, und dieſes wiederum auf zweyerley Art, entweder daß man zuvor wenig oder gar nicht

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/51>, abgerufen am 22.11.2024.