dens, so viel nur immer möglich, zu erhalten su- che. Es sind diejenigen Theologi, die eine gewisse Meynung defendiren, die nicht zu den Glaubens-Lehren gehöret, sondern eine pro- blematische Thesis ist, da beyde Theile Schrifft vor sich haben, und davon sichs mit gleicher probabilität disputiren läst, gar wohl zu dulden. Ob gleich die übrigen groben und subtilen Pietisten sie auch behaupten, wenn sie nur sonst in den übrigen nicht excediren, denn auch die Heil. Apostel selbst wohl nicht in allen Stücken gleiche Meynung gehabt haben. Je- doch ist ihnen zu inhibiren, solche besondere opiniones auf die Cantzel zu bringen, und sie weder schrifftlich noch mündlich zu divulgiren, wenn sie aber solche Principia hegen, die der Heil. Schrifft und den Symbolischen Bü- chern zuwider sind, so müssen sie zur revoca- tion angehalten, auch muß ihnen bey Straffe verbothen werden, dieselben Sätze niemahls wiederum public zu machen. Dafern sie es nicht unterlassen, sind sie zu degradiren, von ihren Aemtern zu removiren, auch ist hernach, wenn sie den Obrigkeitlichen Verordnungen zuwider leben, diese Straffe an ihnen zu exe- quiren.
§. 15. Die groben Pietisten verrathen sich bald, denn ob sie gleich in Schaafs-Klei-
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dens, ſo viel nur immer moͤglich, zu erhalten ſu- che. Es ſind diejenigen Theologi, die eine gewiſſe Meynung defendiren, die nicht zu den Glaubens-Lehren gehoͤret, ſondern eine pro- blematiſche Theſis iſt, da beyde Theile Schrifft vor ſich haben, und davon ſichs mit gleicher probabilitaͤt diſputiren laͤſt, gar wohl zu dulden. Ob gleich die uͤbrigen groben und ſubtilen Pietiſten ſie auch behaupten, wenn ſie nur ſonſt in den uͤbrigen nicht excediren, denn auch die Heil. Apoſtel ſelbſt wohl nicht in allen Stuͤcken gleiche Meynung gehabt haben. Je- doch iſt ihnen zu inhibiren, ſolche beſondere opiniones auf die Cantzel zu bringen, und ſie weder ſchrifftlich noch muͤndlich zu divulgiren, wenn ſie aber ſolche Principia hegen, die der Heil. Schrifft und den Symboliſchen Buͤ- chern zuwider ſind, ſo muͤſſen ſie zur revoca- tion angehalten, auch muß ihnen bey Straffe verbothen werden, dieſelben Saͤtze niemahls wiederum public zu machen. Dafern ſie es nicht unterlaſſen, ſind ſie zu degradiren, von ihren Aemtern zu removiren, auch iſt hernach, wenn ſie den Obrigkeitlichen Verordnungen zuwider leben, dieſe Straffe an ihnen zu exe- quiren.
§. 15. Die groben Pietiſten verrathen ſich bald, denn ob ſie gleich in Schaafs-Klei-
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dens, ſo viel nur immer moͤglich, zu erhalten ſu-
che. Es ſind diejenigen Theologi, die eine
gewiſſe Meynung defendiren, die nicht zu den
Glaubens-Lehren gehoͤret, ſondern eine pro-
blematiſche Theſis iſt, da beyde Theile
Schrifft vor ſich haben, und davon ſichs mit
gleicher probabilitaͤt diſputiren laͤſt, gar wohl
zu dulden. Ob gleich die uͤbrigen groben und
ſubtilen Pietiſten ſie auch behaupten, wenn ſie
nur ſonſt in den uͤbrigen nicht excediren, denn
auch die Heil. Apoſtel ſelbſt wohl nicht in allen
Stuͤcken gleiche Meynung gehabt haben. Je-
doch iſt ihnen zu inhibiren, ſolche beſondere
opiniones auf die Cantzel zu bringen, und ſie
weder ſchrifftlich noch muͤndlich zu divulgiren,
wenn ſie aber ſolche Principia hegen, die der
Heil. Schrifft und den Symboliſchen Buͤ-
chern zuwider ſind, ſo muͤſſen ſie zur revoca-
tion angehalten, auch muß ihnen bey Straffe
verbothen werden, dieſelben Saͤtze niemahls
wiederum public zu machen. Dafern ſie es
nicht unterlaſſen, ſind ſie zu degradiren, von
ihren Aemtern zu removiren, auch iſt hernach,
wenn ſie den Obrigkeitlichen Verordnungen
zuwider leben, dieſe Straffe an ihnen zu exe-
quiren.
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/365>, abgerufen am 22.11.2024.
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