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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718.

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weil sie weiß, daß sie darinnen bessere Gelegen-
heit hat, GOtt und ihrem Nechsten zu dienen
als ausser demselben, sie sucht sie auch wohl,
denn sie findet, daß sie ihrer Gemüths-Ruhe
nicht hinderlich sind, iedoch durch rechtmäßige
Mittel; Kan sie aber keine überkommen, so ist sie
auch zufrieden, und dencket, daß dem nicht viel
anvertrauet, von dem werde auch nicht viel ge-
fordert werden, und sie ausser denselben man-
cher Bequemlichkeiten theilhafftig sey, die sie in
den Ehren-Stellen nicht zu geniessen gehabt.
Also trachtet sie auch auf rechtmäßige Art Ver-
mögen zu erwerben, und glaubet, daß ihr GOtt
allezeit so viel geben werde, als zu ihrer Noth-
durfft, ihrem Stande gemäß, vonnöthen ist.
Wenn sie das hat, so ist sie vergnügt, und er-
langt sie es nicht, so denckt sie, daß ihr dasselbe
an ihrer ewigen Glückseeligkeit hinderlich seyn
müsse, sonst würde es ihr unser HErr GOTT
ohnfehlbar verleihen, und ist also auch damit zu
frieden.

§. 4. Die falsche sucht dasjenige, was ih-
ren Haupt-Passionen convenient ist, mit der
grösten Begierde, sie läst sich unbekümmert, ob
sie befugt sey, nach diesem oder jenem zu streben
oder nicht, wann sie nur ihren Zweck erreicht,
bedienet sich aller Mittel, die sie als möglich vor
sich siehet, sie mögen zuläßig oder unzuläßig

seyn,
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weil ſie weiß, daß ſie darinnen beſſere Gelegen-
heit hat, GOtt und ihrem Nechſten zu dienen
als auſſer demſelben, ſie ſucht ſie auch wohl,
denn ſie findet, daß ſie ihrer Gemuͤths-Ruhe
nicht hinderlich ſind, iedoch durch rechtmaͤßige
Mittel; Kan ſie aber keine uͤberkom̃en, ſo iſt ſie
auch zufrieden, und dencket, daß dem nicht viel
anvertrauet, von dem werde auch nicht viel ge-
fordert werden, und ſie auſſer denſelben man-
cher Bequemlichkeiten theilhafftig ſey, die ſie in
den Ehren-Stellen nicht zu genieſſen gehabt.
Alſo trachtet ſie auch auf rechtmaͤßige Art Ver-
moͤgen zu erwerben, und glaubet, daß ihr GOtt
allezeit ſo viel geben werde, als zu ihrer Noth-
durfft, ihrem Stande gemaͤß, vonnoͤthen iſt.
Wenn ſie das hat, ſo iſt ſie vergnuͤgt, und er-
langt ſie es nicht, ſo denckt ſie, daß ihr daſſelbe
an ihrer ewigen Gluͤckſeeligkeit hinderlich ſeyn
muͤſſe, ſonſt wuͤrde es ihr unſer HErr GOTT
ohnfehlbar verleihen, und iſt alſo auch damit zu
frieden.

§. 4. Die falſche ſucht dasjenige, was ih-
ren Haupt-Paſſionen convenient iſt, mit der
groͤſten Begierde, ſie laͤſt ſich unbekuͤmmert, ob
ſie befugt ſey, nach dieſem oder jenem zu ſtreben
oder nicht, wann ſie nur ihren Zweck erreicht,
bedienet ſich aller Mittel, die ſie als moͤglich vor
ſich ſiehet, ſie moͤgen zulaͤßig oder unzulaͤßig

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[5/0025] weil ſie weiß, daß ſie darinnen beſſere Gelegen- heit hat, GOtt und ihrem Nechſten zu dienen als auſſer demſelben, ſie ſucht ſie auch wohl, denn ſie findet, daß ſie ihrer Gemuͤths-Ruhe nicht hinderlich ſind, iedoch durch rechtmaͤßige Mittel; Kan ſie aber keine uͤberkom̃en, ſo iſt ſie auch zufrieden, und dencket, daß dem nicht viel anvertrauet, von dem werde auch nicht viel ge- fordert werden, und ſie auſſer denſelben man- cher Bequemlichkeiten theilhafftig ſey, die ſie in den Ehren-Stellen nicht zu genieſſen gehabt. Alſo trachtet ſie auch auf rechtmaͤßige Art Ver- moͤgen zu erwerben, und glaubet, daß ihr GOtt allezeit ſo viel geben werde, als zu ihrer Noth- durfft, ihrem Stande gemaͤß, vonnoͤthen iſt. Wenn ſie das hat, ſo iſt ſie vergnuͤgt, und er- langt ſie es nicht, ſo denckt ſie, daß ihr daſſelbe an ihrer ewigen Gluͤckſeeligkeit hinderlich ſeyn muͤſſe, ſonſt wuͤrde es ihr unſer HErr GOTT ohnfehlbar verleihen, und iſt alſo auch damit zu frieden. §. 4. Die falſche ſucht dasjenige, was ih- ren Haupt-Paſſionen convenient iſt, mit der groͤſten Begierde, ſie laͤſt ſich unbekuͤmmert, ob ſie befugt ſey, nach dieſem oder jenem zu ſtreben oder nicht, wann ſie nur ihren Zweck erreicht, bedienet ſich aller Mittel, die ſie als moͤglich vor ſich ſiehet, ſie moͤgen zulaͤßig oder unzulaͤßig ſeyn, A 3

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/25>, abgerufen am 21.11.2024.