worinnen sie bestehen bleibt, und eintzig und al- lein ihre Ruh, und das Ziel ihrer Gedancken ist. Was sie nun siehet, das mit diesem Endzweck überein kommt, erwehlet sie, was aber demsel- bigen zuwider, verwirfft und verdammt sie also- bald. Daher bedienet sie sich auch bey der Ausübung ihrer actionen keiner andern Mit- tel, als derjenigen, die ihr von den göttlichen und weltlichen Gesetzen erlaubet werden, da- mit sie ihrer Haupt-Absicht nicht zuwider han- dele. Nachdem sie nun ihre Sachen, so viel als GOtt Gnade verleihet, und die menschliche Un- vollkommenheit zuläst, täglich so anstellt, daß sie die wahre und ewige Glückseeligkeit beför- dert, so erkennt sie, daß in Zeitlichen das gröste Glück darinnen bestehe, daß man ruhigen und vergnügten Gemüthes sey, und also erwehlet sie in Ansehung der zeitlichen Glückseeligkeit die Ge- müths-Ruhe und Vergnügung. Sie weiß, daß Reichthum und Ehre nicht allezeit damit verbunden, und man auch, ohne reich und geehrt zu seyn, vergnügt leben könne. Sie sucht da- her so viel als möglich ihr Vergnügen nicht in solchen Sachen, die ausser ihr sind, weil sie die- selbigen nicht allezeit haben kan, sondern in den Gütern, die sie stets bey sich hat, und ihr von niemand als von GOtt genommen werden kön- nen. Sie findet in zuläßigen und vernünffti-
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worinnen ſie beſtehen bleibt, und eintzig und al- lein ihre Ruh, und das Ziel ihrer Gedancken iſt. Was ſie nun ſiehet, das mit dieſem Endzweck uͤberein kommt, erwehlet ſie, was aber demſel- bigen zuwider, verwirfft und verdammt ſie alſo- bald. Daher bedienet ſie ſich auch bey der Ausuͤbung ihrer actionen keiner andern Mit- tel, als derjenigen, die ihr von den goͤttlichen und weltlichen Geſetzen erlaubet werden, da- mit ſie ihrer Haupt-Abſicht nicht zuwider han- dele. Nachdem ſie nun ihre Sachen, ſo viel als GOtt Gnade verleihet, und die menſchliche Un- vollkommenheit zulaͤſt, taͤglich ſo anſtellt, daß ſie die wahre und ewige Gluͤckſeeligkeit befoͤr- dert, ſo erkennt ſie, daß in Zeitlichen das groͤſte Gluͤck darinnen beſtehe, daß man ruhigen und vergnuͤgten Gemuͤthes ſey, und alſo erwehlet ſie in Anſehung der zeitlichen Gluͤckſeeligkeit die Ge- muͤths-Ruhe und Vergnuͤgung. Sie weiß, daß Reichthum und Ehre nicht allezeit damit verbunden, und man auch, ohne reich und geehrt zu ſeyn, vergnuͤgt leben koͤnne. Sie ſucht da- her ſo viel als moͤglich ihr Vergnuͤgen nicht in ſolchen Sachen, die auſſer ihr ſind, weil ſie die- ſelbigen nicht allezeit haben kan, ſondern in den Guͤtern, die ſie ſtets bey ſich hat, und ihr von niemand als von GOtt genommen werden koͤn- nen. Sie findet in zulaͤßigen und vernuͤnffti-
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worinnen ſie beſtehen bleibt, und eintzig und al-
lein ihre Ruh, und das Ziel ihrer Gedancken iſt.
Was ſie nun ſiehet, das mit dieſem Endzweck
uͤberein kommt, erwehlet ſie, was aber demſel-
bigen zuwider, verwirfft und verdammt ſie alſo-
bald. Daher bedienet ſie ſich auch bey der
Ausuͤbung ihrer actionen keiner andern Mit-
tel, als derjenigen, die ihr von den goͤttlichen
und weltlichen Geſetzen erlaubet werden, da-
mit ſie ihrer Haupt-Abſicht nicht zuwider han-
dele. Nachdem ſie nun ihre Sachen, ſo viel als
GOtt Gnade verleihet, und die menſchliche Un-
vollkommenheit zulaͤſt, taͤglich ſo anſtellt, daß
ſie die wahre und ewige Gluͤckſeeligkeit befoͤr-
dert, ſo erkennt ſie, daß in Zeitlichen das groͤſte
Gluͤck darinnen beſtehe, daß man ruhigen und
vergnuͤgten Gemuͤthes ſey, und alſo erwehlet ſie
in Anſehung der zeitlichen Gluͤckſeeligkeit die Ge-
muͤths-Ruhe und Vergnuͤgung. Sie weiß,
daß Reichthum und Ehre nicht allezeit damit
verbunden, und man auch, ohne reich und geehrt
zu ſeyn, vergnuͤgt leben koͤnne. Sie ſucht da-
her ſo viel als moͤglich ihr Vergnuͤgen nicht in
ſolchen Sachen, die auſſer ihr ſind, weil ſie die-
ſelbigen nicht allezeit haben kan, ſondern in den
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Staats-Klugheit. Leipzig, 1718, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_julii_1718/23>, abgerufen am 21.11.2024.
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