wahre Gestalt vor der Welt öffentlich kund und aufgedeckt, so ist anch nachgehends ihre Schande um desto grösser, als erstlich ihre vermeynte Ehre war. Sie empfinden nicht allein, mitten unter dem süssen Genuß ihrer Ehre, eine stetswährende Furcht und Unruhe, daß einige Bekandte ihnen, über Ver- muthen, die falsche Masque, die sie um sich genom- men, ihnen abreissen möchten, sondern haben auch noch, ohne die Schande, nicht selten eine harte und empfindliche Straffe zu erwarten, welche nach dem Unterscheid des Verbrechen, und der Titulatu- ren, die sie sich zugeeignet, unterschieden zu seyn pflegt.
§. 20. Kayser Leopoldus schrieb anno 1674. an Dero Fiscal am Kayserlichen Cammer-Gericht zu Speyer: Es wäre in Erfahrung kommen, wie sich viele von den Ritter-Gliedern, Vasallen und Landsassen im Heil. Römischen Reich, eine Zeitlang her unterstanden, einander gantz neue, ihnen nicht zustehende höhere Titul und Praedicata zuzulegen, ohne daß sie, oder ihre Vor-Eltern, die vorwenden- de Standes-Erhöhung von ihm, oder seinen Vor- fahren am Heil. Römischen Reich, durch ordentli- che Concession erlangt; andere aber, welche zwar mit Dero Bewilligung zu solcher Standes-Erhö- hung, und andern dergleichen Privilegien, auf ihr unterthänigstes Anhalten, von ihm begnadiget wor- den, nachgehends aber selbst solcher Würde Impor- tanz gleichsam nicht geachtet, auch sie nicht ausfer- tigen und gebührlich erheben lassen, und sie dennoch
der
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Von dem Titul-Weſen und Prædicaten.
wahre Geſtalt vor der Welt oͤffentlich kund und aufgedeckt, ſo iſt anch nachgehends ihre Schande um deſto groͤſſer, als erſtlich ihre vermeynte Ehre war. Sie empfinden nicht allein, mitten unter dem ſuͤſſen Genuß ihrer Ehre, eine ſtetswaͤhrende Furcht und Unruhe, daß einige Bekandte ihnen, uͤber Ver- muthen, die falſche Maſque, die ſie um ſich genom- men, ihnen abreiſſen moͤchten, ſondern haben auch noch, ohne die Schande, nicht ſelten eine harte und empfindliche Straffe zu erwarten, welche nach dem Unterſcheid des Verbrechen, und der Titulatu- ren, die ſie ſich zugeeignet, unterſchieden zu ſeyn pflegt.
§. 20. Kayſer Leopoldus ſchrieb anno 1674. an Dero Fiſcal am Kayſerlichen Cammer-Gericht zu Speyer: Es waͤre in Erfahrung kommen, wie ſich viele von den Ritter-Gliedern, Vaſallen und Landſaſſen im Heil. Roͤmiſchen Reich, eine Zeitlang her unterſtanden, einander gantz neue, ihnen nicht zuſtehende hoͤhere Titul und Prædicata zuzulegen, ohne daß ſie, oder ihre Vor-Eltern, die vorwenden- de Standes-Erhoͤhung von ihm, oder ſeinen Vor- fahren am Heil. Roͤmiſchen Reich, durch ordentli- che Conceſſion erlangt; andere aber, welche zwar mit Dero Bewilligung zu ſolcher Standes-Erhoͤ- hung, und andern dergleichen Privilegien, auf ihr unterthaͤnigſtes Anhalten, von ihm begnadiget wor- den, nachgehends aber ſelbſt ſolcher Wuͤrde Impor- tanz gleichſam nicht geachtet, auch ſie nicht ausfer- tigen und gebuͤhrlich erheben laſſen, und ſie dennoch
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Von dem Titul-Weſen und Prædicaten.
wahre Geſtalt vor der Welt oͤffentlich kund und
aufgedeckt, ſo iſt anch nachgehends ihre Schande
um deſto groͤſſer, als erſtlich ihre vermeynte Ehre
war. Sie empfinden nicht allein, mitten unter dem
ſuͤſſen Genuß ihrer Ehre, eine ſtetswaͤhrende Furcht
und Unruhe, daß einige Bekandte ihnen, uͤber Ver-
muthen, die falſche Maſque, die ſie um ſich genom-
men, ihnen abreiſſen moͤchten, ſondern haben auch
noch, ohne die Schande, nicht ſelten eine harte
und empfindliche Straffe zu erwarten, welche nach
dem Unterſcheid des Verbrechen, und der Titulatu-
ren, die ſie ſich zugeeignet, unterſchieden zu ſeyn
pflegt.
§. 20. Kayſer Leopoldus ſchrieb anno 1674.
an Dero Fiſcal am Kayſerlichen Cammer-Gericht
zu Speyer: Es waͤre in Erfahrung kommen, wie
ſich viele von den Ritter-Gliedern, Vaſallen und
Landſaſſen im Heil. Roͤmiſchen Reich, eine Zeitlang
her unterſtanden, einander gantz neue, ihnen nicht
zuſtehende hoͤhere Titul und Prædicata zuzulegen,
ohne daß ſie, oder ihre Vor-Eltern, die vorwenden-
de Standes-Erhoͤhung von ihm, oder ſeinen Vor-
fahren am Heil. Roͤmiſchen Reich, durch ordentli-
che Conceſſion erlangt; andere aber, welche zwar
mit Dero Bewilligung zu ſolcher Standes-Erhoͤ-
hung, und andern dergleichen Privilegien, auf ihr
unterthaͤnigſtes Anhalten, von ihm begnadiget wor-
den, nachgehends aber ſelbſt ſolcher Wuͤrde Impor-
tanz gleichſam nicht geachtet, auch ſie nicht ausfer-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/93>, abgerufen am 23.11.2024.
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