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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von dem Titul-Wesen und Praedicaten.

§. 11. Einige meynen, die Menschen würden
aus Noth getrieben werden, bey ihren jetzigen Ti-
tuln
stille zu stehen, immassen das Titul-Wesen
jetzund auf seiner höchsten Spitze, und die teutsche
Sprache so erschöpfft wäre, daß fast nichts neues
mehr könte ausgedacht noch hinzugesetzt werden,
man müste denn auf eine lächerliche und thörichte
Weise, auf gantz neue und wunderliche Wörter
fallen; Da aber hiebey alles auf die Opinion der
Leute, und die Approbation der Höhern ankommt,
die nach ihrem Urtheil und durch ihren Willen et-
was vor wohlanständiger erklären können, und
wenn es auch noch so wunderlich seyn solte, so ist
noch Gelegenheit genug vorhanden, in den künffti-
gen Zeiten bey dem Titul-Wesen beständige Ver-
änderungen vorzunehmen. Die Ehrgeitzigen kön-
nen ja immer noch aus andern Sprachen, aus der
Englischen, Jtaliänischen, und GOtt weiß, wo sonst
her, wie es mit dem Wort Excellenz geschehen,
neue Wörter herholen, und denselben gewisse Be-
deutungen zuschreiben; sie können auch auf gantz
neue, und jetzund ungewöhnliche Wörter der Teut-
schen Sprache fallen, und ihnen eine gewisse Krafft
beylegen. Wer weiß, ob die Nachkommen nicht
einmahl darauf gerathen, und holen die ältesten Ti-
tulatur
en aus den ersten Zeiten wieder her? Viel-
leicht gefällt es dem künfftigen Adel in hundert Jah-
ren besser, wenn sie Hochachtbahre und Ehrenveste
gescholten werden, als Hoch- und Wohlgebohrne.
Die Welt wird ja ohnedem alles überdrüßig, und

belu-
Von dem Titul-Weſen und Prædicaten.

§. 11. Einige meynen, die Menſchen wuͤrden
aus Noth getrieben werden, bey ihren jetzigen Ti-
tuln
ſtille zu ſtehen, immaſſen das Titul-Weſen
jetzund auf ſeiner hoͤchſten Spitze, und die teutſche
Sprache ſo erſchoͤpfft waͤre, daß faſt nichts neues
mehr koͤnte ausgedacht noch hinzugeſetzt werden,
man muͤſte denn auf eine laͤcherliche und thoͤrichte
Weiſe, auf gantz neue und wunderliche Woͤrter
fallen; Da aber hiebey alles auf die Opinion der
Leute, und die Approbation der Hoͤhern ankommt,
die nach ihrem Urtheil und durch ihren Willen et-
was vor wohlanſtaͤndiger erklaͤren koͤnnen, und
wenn es auch noch ſo wunderlich ſeyn ſolte, ſo iſt
noch Gelegenheit genug vorhanden, in den kuͤnffti-
gen Zeiten bey dem Titul-Weſen beſtaͤndige Ver-
aͤnderungen vorzunehmen. Die Ehrgeitzigen koͤn-
nen ja immer noch aus andern Sprachen, aus der
Engliſchen, Jtaliaͤniſchen, und GOtt weiß, wo ſonſt
her, wie es mit dem Wort Excellenz geſchehen,
neue Woͤrter herholen, und denſelben gewiſſe Be-
deutungen zuſchreiben; ſie koͤnnen auch auf gantz
neue, und jetzund ungewoͤhnliche Woͤrter der Teut-
ſchen Sprache fallen, und ihnen eine gewiſſe Krafft
beylegen. Wer weiß, ob die Nachkommen nicht
einmahl darauf gerathen, und holen die aͤlteſten Ti-
tulatur
en aus den erſten Zeiten wieder her? Viel-
leicht gefaͤllt es dem kuͤnfftigen Adel in hundert Jah-
ren beſſer, wenn ſie Hochachtbahre und Ehrenveſte
geſcholten werden, als Hoch- und Wohlgebohrne.
Die Welt wird ja ohnedem alles uͤberdruͤßig, und

belu-
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[63/0083] Von dem Titul-Weſen und Prædicaten. §. 11. Einige meynen, die Menſchen wuͤrden aus Noth getrieben werden, bey ihren jetzigen Ti- tuln ſtille zu ſtehen, immaſſen das Titul-Weſen jetzund auf ſeiner hoͤchſten Spitze, und die teutſche Sprache ſo erſchoͤpfft waͤre, daß faſt nichts neues mehr koͤnte ausgedacht noch hinzugeſetzt werden, man muͤſte denn auf eine laͤcherliche und thoͤrichte Weiſe, auf gantz neue und wunderliche Woͤrter fallen; Da aber hiebey alles auf die Opinion der Leute, und die Approbation der Hoͤhern ankommt, die nach ihrem Urtheil und durch ihren Willen et- was vor wohlanſtaͤndiger erklaͤren koͤnnen, und wenn es auch noch ſo wunderlich ſeyn ſolte, ſo iſt noch Gelegenheit genug vorhanden, in den kuͤnffti- gen Zeiten bey dem Titul-Weſen beſtaͤndige Ver- aͤnderungen vorzunehmen. Die Ehrgeitzigen koͤn- nen ja immer noch aus andern Sprachen, aus der Engliſchen, Jtaliaͤniſchen, und GOtt weiß, wo ſonſt her, wie es mit dem Wort Excellenz geſchehen, neue Woͤrter herholen, und denſelben gewiſſe Be- deutungen zuſchreiben; ſie koͤnnen auch auf gantz neue, und jetzund ungewoͤhnliche Woͤrter der Teut- ſchen Sprache fallen, und ihnen eine gewiſſe Krafft beylegen. Wer weiß, ob die Nachkommen nicht einmahl darauf gerathen, und holen die aͤlteſten Ti- tulaturen aus den erſten Zeiten wieder her? Viel- leicht gefaͤllt es dem kuͤnfftigen Adel in hundert Jah- ren beſſer, wenn ſie Hochachtbahre und Ehrenveſte geſcholten werden, als Hoch- und Wohlgebohrne. Die Welt wird ja ohnedem alles uͤberdruͤßig, und belu-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/83>, abgerufen am 23.11.2024.