Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Theil. XIX. Capitul.
haben, so werden seine Verdienste, die doch bißwei-
len mehr als zu schlecht sind, trefflich herausgestri-
chen. Es wird mancher mit dem Lobe biß in den
Himmel erhoben, dessen Seele doch, wegen seines
Unglaubens und daraus herfliessenden Unbußfer-
tigkeit des Lebens, in die Hölle gestürtzt worden.
Jst nicht viel Eitelkeit bey Ablesung des Lebens-
Lauffes, bey Prahlerey der Ahnen, den vielen Lei-
chen-Carminibus, die darzu gedruckt werden?
u. s. w.

§. 9. Was vor Mißbräuche gehen doch nicht mit
der Benennung des Wortes Seelig vor, da man
die Verstorbenen ohne Unterschied seelig zu nennen
pflegt. Was unter denen Herren Gottes-Gelehr-
ten über dieser Sache gestritten worden, ist bekandt
genug. Jch pflichte hiebey dem gottseligen Autori
der Klugheit der wahren, und Narrheit der falschen
Christen, bey, der p. 175 der Meynung ist: Man
könte den Titul, Seelig, endlich noch wohl behal-
ten, jedoch mit dieser Bedingung, daß man ihn nicht
zur Sicherheit mißbrauchte, sondern denselben also
verstünde, daß man wünschet und hoffet, es möch-
ten die Abgeschiedenen, wo nicht eher, doch noch in
dem letzten Seuffzer sich bußfertig zu CHristo ge-
wendet, und ihn mit seinem heiligen Verdienst er-
griffen haben.

§. 10. Es ist eine Schande, daß manche, die doch
in dem Zeitlichen so klug und weise sind, bey den
geistlichen Dingen sich öffters so alber und einfältig
aufführen; sie erweisen es nicht allein dey ihren

seltza-

II. Theil. XIX. Capitul.
haben, ſo werden ſeine Verdienſte, die doch bißwei-
len mehr als zu ſchlecht ſind, trefflich herausgeſtri-
chen. Es wird mancher mit dem Lobe biß in den
Himmel erhoben, deſſen Seele doch, wegen ſeines
Unglaubens und daraus herflieſſenden Unbußfer-
tigkeit des Lebens, in die Hoͤlle geſtuͤrtzt worden.
Jſt nicht viel Eitelkeit bey Ableſung des Lebens-
Lauffes, bey Prahlerey der Ahnen, den vielen Lei-
chen-Carminibus, die darzu gedruckt werden?
u. ſ. w.

§. 9. Was vor Mißbraͤuche gehen doch nicht mit
der Benennung des Wortes Seelig vor, da man
die Verſtorbenen ohne Unterſchied ſeelig zu nennen
pflegt. Was unter denen Herren Gottes-Gelehr-
ten uͤber dieſer Sache geſtritten worden, iſt bekandt
genug. Jch pflichte hiebey dem gottſeligen Autori
der Klugheit der wahren, und Narrheit der falſchen
Chriſten, bey, der p. 175 der Meynung iſt: Man
koͤnte den Titul, Seelig, endlich noch wohl behal-
ten, jedoch mit dieſer Bedingung, daß man ihn nicht
zur Sicherheit mißbrauchte, ſondern denſelben alſo
verſtuͤnde, daß man wuͤnſchet und hoffet, es moͤch-
ten die Abgeſchiedenen, wo nicht eher, doch noch in
dem letzten Seuffzer ſich bußfertig zu CHriſto ge-
wendet, und ihn mit ſeinem heiligen Verdienſt er-
griffen haben.

§. 10. Es iſt eine Schande, daß manche, die doch
in dem Zeitlichen ſo klug und weiſe ſind, bey den
geiſtlichen Dingen ſich oͤffters ſo alber und einfaͤltig
auffuͤhren; ſie erweiſen es nicht allein dey ihren

ſeltza-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0688" n="668"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Theil. <hi rendition="#aq">XIX.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/>
haben, &#x017F;o werden &#x017F;eine Verdien&#x017F;te, die doch bißwei-<lb/>
len mehr als zu &#x017F;chlecht &#x017F;ind, trefflich herausge&#x017F;tri-<lb/>
chen. Es wird mancher mit dem Lobe biß in den<lb/>
Himmel erhoben, de&#x017F;&#x017F;en Seele doch, wegen &#x017F;eines<lb/>
Unglaubens und daraus herflie&#x017F;&#x017F;enden Unbußfer-<lb/>
tigkeit des Lebens, in die Ho&#x0364;lle ge&#x017F;tu&#x0364;rtzt worden.<lb/>
J&#x017F;t nicht viel Eitelkeit bey Able&#x017F;ung des Lebens-<lb/>
Lauffes, bey Prahlerey der Ahnen, den vielen Lei-<lb/>
chen-<hi rendition="#aq">Carminibus,</hi> die darzu gedruckt werden?<lb/>
u. &#x017F;. w.</p><lb/>
        <p>§. 9. Was vor Mißbra&#x0364;uche gehen doch nicht mit<lb/>
der Benennung des Wortes Seelig vor, da man<lb/>
die Ver&#x017F;torbenen ohne Unter&#x017F;chied &#x017F;eelig zu nennen<lb/>
pflegt. Was unter denen Herren Gottes-Gelehr-<lb/>
ten u&#x0364;ber die&#x017F;er Sache ge&#x017F;tritten worden, i&#x017F;t bekandt<lb/>
genug. Jch pflichte hiebey dem gott&#x017F;eligen <hi rendition="#aq">Autori</hi><lb/>
der Klugheit der wahren, und Narrheit der fal&#x017F;chen<lb/>
Chri&#x017F;ten, bey, der <hi rendition="#aq">p.</hi> 175 der Meynung i&#x017F;t: Man<lb/>
ko&#x0364;nte den Titul, Seelig, endlich noch wohl behal-<lb/>
ten, jedoch mit die&#x017F;er Bedingung, daß man ihn nicht<lb/>
zur Sicherheit mißbrauchte, &#x017F;ondern den&#x017F;elben al&#x017F;o<lb/>
ver&#x017F;tu&#x0364;nde, daß man wu&#x0364;n&#x017F;chet und hoffet, es mo&#x0364;ch-<lb/>
ten die Abge&#x017F;chiedenen, wo nicht eher, doch noch in<lb/>
dem letzten Seuffzer &#x017F;ich bußfertig zu CHri&#x017F;to ge-<lb/>
wendet, und ihn mit &#x017F;einem heiligen Verdien&#x017F;t er-<lb/>
griffen haben.</p><lb/>
        <p>§. 10. Es i&#x017F;t eine Schande, daß manche, die doch<lb/>
in dem Zeitlichen &#x017F;o klug und wei&#x017F;e &#x017F;ind, bey den<lb/>
gei&#x017F;tlichen Dingen &#x017F;ich o&#x0364;ffters &#x017F;o alber und einfa&#x0364;ltig<lb/>
auffu&#x0364;hren; &#x017F;ie erwei&#x017F;en es nicht allein dey ihren<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;eltza-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[668/0688] II. Theil. XIX. Capitul. haben, ſo werden ſeine Verdienſte, die doch bißwei- len mehr als zu ſchlecht ſind, trefflich herausgeſtri- chen. Es wird mancher mit dem Lobe biß in den Himmel erhoben, deſſen Seele doch, wegen ſeines Unglaubens und daraus herflieſſenden Unbußfer- tigkeit des Lebens, in die Hoͤlle geſtuͤrtzt worden. Jſt nicht viel Eitelkeit bey Ableſung des Lebens- Lauffes, bey Prahlerey der Ahnen, den vielen Lei- chen-Carminibus, die darzu gedruckt werden? u. ſ. w. §. 9. Was vor Mißbraͤuche gehen doch nicht mit der Benennung des Wortes Seelig vor, da man die Verſtorbenen ohne Unterſchied ſeelig zu nennen pflegt. Was unter denen Herren Gottes-Gelehr- ten uͤber dieſer Sache geſtritten worden, iſt bekandt genug. Jch pflichte hiebey dem gottſeligen Autori der Klugheit der wahren, und Narrheit der falſchen Chriſten, bey, der p. 175 der Meynung iſt: Man koͤnte den Titul, Seelig, endlich noch wohl behal- ten, jedoch mit dieſer Bedingung, daß man ihn nicht zur Sicherheit mißbrauchte, ſondern denſelben alſo verſtuͤnde, daß man wuͤnſchet und hoffet, es moͤch- ten die Abgeſchiedenen, wo nicht eher, doch noch in dem letzten Seuffzer ſich bußfertig zu CHriſto ge- wendet, und ihn mit ſeinem heiligen Verdienſt er- griffen haben. §. 10. Es iſt eine Schande, daß manche, die doch in dem Zeitlichen ſo klug und weiſe ſind, bey den geiſtlichen Dingen ſich oͤffters ſo alber und einfaͤltig auffuͤhren; ſie erweiſen es nicht allein dey ihren ſeltza-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/688
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 668. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/688>, abgerufen am 23.11.2024.