Verstorbenen, der sein Begräbniß seinen Erben selbst vorgeschrieben und reguliret, oder der-Hinter- lassenen und mancherley Umstände, die in der Hin- terlassenen Gewalt nicht stehen, sind öffters im We- ge, daß Wohlstand, Klugheit, Tugend und Ord- nung nicht dabey so in Acht genommen wird, als sie wohl in Acht genommen werden solte.
§. 2. Jn einigen grossen Städten ist es mehren- theils zur Gewohnheit worden, daß die Leichen der jüngern Personen, oder der Höhern, oder die sonst zierlich geputzt und ausgeschmückt, einige längere oder kürtzere Zeit, zur öffentlichen Schau jederman dargestellet werden. Ob es nun wohl anscheinen möchte, als ob dieser Gebrauch entweder dem löbli- chen oder doch unschuldigen beyzuzehlen wäre, in- dem manche von denen Zuschauern, die sonst an ih- ren Tod gar selten gedencken würden, hiedurch Ge- legenheit bekämen, sich ihrer eigenen Sterblichkeit zu erinnern; so halte ich doch davor, daß er mehr zu verwerffen, als zu loben sey, sintemal er mehrentheils aus der Eitelkeit und Hochmuth der Hinterlassenen herrühret; sie wollen mit den Leichen Parade machen, und erweisen, was sie sichs haben kosten lassen, um von andern deswegen gelobet zu werden; es wird viel Geld, das zu GOttes Ehren und des Nächsten Nutzen weit nützlicher angeleget werden könte, hie- mit verschwendet. Und wenn die ehmahlige Jün- ger des Heylandes bey manchem solchem Leich-Ge- pränge zugegen seyn könten, so würden sie gewiß fragen: Wozu dienet dieser Unrath? Das müßige
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Von Begraͤbniſſen.
Verſtorbenen, der ſein Begraͤbniß ſeinen Erben ſelbſt vorgeſchrieben und reguliret, oder der-Hinter- laſſenen und mancherley Umſtaͤnde, die in der Hin- terlaſſenen Gewalt nicht ſtehen, ſind oͤffters im We- ge, daß Wohlſtand, Klugheit, Tugend und Ord- nung nicht dabey ſo in Acht genommen wird, als ſie wohl in Acht genommen werden ſolte.
§. 2. Jn einigen groſſen Staͤdten iſt es mehren- theils zur Gewohnheit worden, daß die Leichen der juͤngern Perſonen, oder der Hoͤhern, oder die ſonſt zierlich geputzt und ausgeſchmuͤckt, einige laͤngere oder kuͤrtzere Zeit, zur oͤffentlichen Schau jederman dargeſtellet werden. Ob es nun wohl anſcheinen moͤchte, als ob dieſer Gebrauch entweder dem loͤbli- chen oder doch unſchuldigen beyzuzehlen waͤre, in- dem manche von denen Zuſchauern, die ſonſt an ih- ren Tod gar ſelten gedencken wuͤrden, hiedurch Ge- legenheit bekaͤmen, ſich ihrer eigenen Sterblichkeit zu erinnern; ſo halte ich doch davor, daß er mehr zu verwerffen, als zu loben ſey, ſintemal er mehrentheils aus der Eitelkeit und Hochmuth der Hinterlaſſenen herruͤhꝛet; ſie wollen mit den Leichen Parade machen, und erweiſen, was ſie ſichs haben koſten laſſen, um von andern deswegen gelobet zu werden; es wird viel Geld, das zu GOttes Ehren und des Naͤchſten Nutzen weit nuͤtzlicher angeleget werden koͤnte, hie- mit verſchwendet. Und wenn die ehmahlige Juͤn- ger des Heylandes bey manchem ſolchem Leich-Ge- praͤnge zugegen ſeyn koͤnten, ſo wuͤrden ſie gewiß fragen: Wozu dienet dieſer Unrath? Das muͤßige
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Von Begraͤbniſſen.
Verſtorbenen, der ſein Begraͤbniß ſeinen Erben
ſelbſt vorgeſchrieben und reguliret, oder der-Hinter-
laſſenen und mancherley Umſtaͤnde, die in der Hin-
terlaſſenen Gewalt nicht ſtehen, ſind oͤffters im We-
ge, daß Wohlſtand, Klugheit, Tugend und Ord-
nung nicht dabey ſo in Acht genommen wird, als ſie
wohl in Acht genommen werden ſolte.
§. 2. Jn einigen groſſen Staͤdten iſt es mehren-
theils zur Gewohnheit worden, daß die Leichen der
juͤngern Perſonen, oder der Hoͤhern, oder die ſonſt
zierlich geputzt und ausgeſchmuͤckt, einige laͤngere
oder kuͤrtzere Zeit, zur oͤffentlichen Schau jederman
dargeſtellet werden. Ob es nun wohl anſcheinen
moͤchte, als ob dieſer Gebrauch entweder dem loͤbli-
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dem manche von denen Zuſchauern, die ſonſt an ih-
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zu erinnern; ſo halte ich doch davor, daß er mehr zu
verwerffen, als zu loben ſey, ſintemal er mehrentheils
aus der Eitelkeit und Hochmuth der Hinterlaſſenen
herruͤhꝛet; ſie wollen mit den Leichen Parade machen,
und erweiſen, was ſie ſichs haben koſten laſſen, um
von andern deswegen gelobet zu werden; es wird
viel Geld, das zu GOttes Ehren und des Naͤchſten
Nutzen weit nuͤtzlicher angeleget werden koͤnte, hie-
mit verſchwendet. Und wenn die ehmahlige Juͤn-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 663. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/683>, abgerufen am 21.11.2024.
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