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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von den Gevatterschafften.
Faramonds Klugheit der wahren, und Narrheit der
falschen Christen, p. 66. an, daß bey dem Gevat-
ter-stehen nichts mehr in Obacht zu nehmen, als
folgendes: Wenn man den Gevatter-Brief be-
kommt, so muß man der Kinder-Frau eine Vereh-
rung geben, man muß ein sauberes Kleid anziehen,
man muß in die Kirche gehen, und zu Anfang ein
Vater Unser beten, man muß zu rechter Zeit vor
den Tauffstein treten, man muß bey der Tauffe et-
liche mahl Ja sagen, und alle Ceremonien nach der
Ordnung fein züchtig und und erbar mitmachen,
man muß dem Täuflinge das Pathen-Geld, nach
Beschaffenheit seines Standes, einbinden, man
muß zum Beschluß wieder ein Vater Unser beten,
man muß dem Vater des getaufften Kindes Glück
wünschen, und alsdenn wieder nach Hause gehen.
Es fehlet bey diesem Gevatter-stehens-Process
nichts, als das Schmausen nach der Tauff-Hand-
lung.

§. 5. Manche, die die Stellen der Gevattern
vertreten sollen, erweisen bey diesem Wercke ihren
besondern Hochmuth. Bald sind ihnen die Leute
zu geringe, die sie invitiren, da schmählen und lä-
stern sie auf das ärgste, daß solche gemeine und arm-
selige Eltern sich unterstünden, ihnen einen Gevat-
ter-Brief zuzuschicken, als ob diese Handlung ein
solch Werck wäre, das bloß um der äusserlichen Eh-
re willen angefangen. Bedächten sie, daß dieses
Ehre genug wäre, daß die Eltern zu ihrer Gottes-
furcht ein so gutes Vertrauen hätten, oder daß sie

doch,
S s

Von den Gevatterſchafften.
Faramonds Klugheit der wahren, und Narrheit der
falſchen Chriſten, p. 66. an, daß bey dem Gevat-
ter-ſtehen nichts mehr in Obacht zu nehmen, als
folgendes: Wenn man den Gevatter-Brief be-
kommt, ſo muß man der Kinder-Frau eine Vereh-
rung geben, man muß ein ſauberes Kleid anziehen,
man muß in die Kirche gehen, und zu Anfang ein
Vater Unſer beten, man muß zu rechter Zeit vor
den Tauffſtein treten, man muß bey der Tauffe et-
liche mahl Ja ſagen, und alle Ceremonien nach der
Ordnung fein zuͤchtig und und erbar mitmachen,
man muß dem Taͤuflinge das Pathen-Geld, nach
Beſchaffenheit ſeines Standes, einbinden, man
muß zum Beſchluß wieder ein Vater Unſer beten,
man muß dem Vater des getaufften Kindes Gluͤck
wuͤnſchen, und alsdenn wieder nach Hauſe gehen.
Es fehlet bey dieſem Gevatter-ſtehens-Proceſs
nichts, als das Schmauſen nach der Tauff-Hand-
lung.

§. 5. Manche, die die Stellen der Gevattern
vertreten ſollen, erweiſen bey dieſem Wercke ihren
beſondern Hochmuth. Bald ſind ihnen die Leute
zu geringe, die ſie invitiren, da ſchmaͤhlen und laͤ-
ſtern ſie auf das aͤrgſte, daß ſolche gemeine und arm-
ſelige Eltern ſich unterſtuͤnden, ihnen einen Gevat-
ter-Brief zuzuſchicken, als ob dieſe Handlung ein
ſolch Werck waͤre, das bloß um der aͤuſſerlichen Eh-
re willen angefangen. Bedaͤchten ſie, daß dieſes
Ehre genug waͤre, daß die Eltern zu ihrer Gottes-
furcht ein ſo gutes Vertrauen haͤtten, oder daß ſie

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[641/0661] Von den Gevatterſchafften. Faramonds Klugheit der wahren, und Narrheit der falſchen Chriſten, p. 66. an, daß bey dem Gevat- ter-ſtehen nichts mehr in Obacht zu nehmen, als folgendes: Wenn man den Gevatter-Brief be- kommt, ſo muß man der Kinder-Frau eine Vereh- rung geben, man muß ein ſauberes Kleid anziehen, man muß in die Kirche gehen, und zu Anfang ein Vater Unſer beten, man muß zu rechter Zeit vor den Tauffſtein treten, man muß bey der Tauffe et- liche mahl Ja ſagen, und alle Ceremonien nach der Ordnung fein zuͤchtig und und erbar mitmachen, man muß dem Taͤuflinge das Pathen-Geld, nach Beſchaffenheit ſeines Standes, einbinden, man muß zum Beſchluß wieder ein Vater Unſer beten, man muß dem Vater des getaufften Kindes Gluͤck wuͤnſchen, und alsdenn wieder nach Hauſe gehen. Es fehlet bey dieſem Gevatter-ſtehens-Proceſs nichts, als das Schmauſen nach der Tauff-Hand- lung. §. 5. Manche, die die Stellen der Gevattern vertreten ſollen, erweiſen bey dieſem Wercke ihren beſondern Hochmuth. Bald ſind ihnen die Leute zu geringe, die ſie invitiren, da ſchmaͤhlen und laͤ- ſtern ſie auf das aͤrgſte, daß ſolche gemeine und arm- ſelige Eltern ſich unterſtuͤnden, ihnen einen Gevat- ter-Brief zuzuſchicken, als ob dieſe Handlung ein ſolch Werck waͤre, das bloß um der aͤuſſerlichen Eh- re willen angefangen. Bedaͤchten ſie, daß dieſes Ehre genug waͤre, daß die Eltern zu ihrer Gottes- furcht ein ſo gutes Vertrauen haͤtten, oder daß ſie doch, S s

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 641. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/661>, abgerufen am 22.11.2024.