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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von der Mode.
ihrer Lebens-Art der Aufführung der Höhern gar
unähnlich sind; Bey den Höhern, die vor den an-
dern immer gerne etwas voraus haben wollen, se-
tzen sie sich gewißlich auch in schlechten Credit, daß
sie sich bemühen, es ihnen in manchen Stücken
gleich zu thun.

§. 15. Wie nun eine unmäßige Nachahmung
der Höhern, mit mancher Thorheit vergesellschaff-
tet, also sind auch gar öffters die Klagen derer, die
sich über die Nachahmung beschweren, und darü-
ber unwillig sind, ungegründet, zum Theil unver-
nünfftig, und lächerlich. Vielmahls entspringen
sie aus einem abscheulichen Hochmuth, Neid und
Mißgunst gegen die Geringern, manche Höhere
wollen sich in allen Stücken von den andern, die
ihnen an Einkünfften oder Range nicht gleich kom-
men, absondern, und gönnen ihnen nicht den aller-
geringsten Theil, ja auch nicht einmahl den Schein
der Glückseeligkeit, die der ihrigen ähnlich ist.
Manchmahl sind einige aus einer unmäßigen
Selbst-Liebe so verblendet, daß sie sich und ihren
Standt selbst nicht kennen; weil sie einige andere
entweder an Einkünfften oder an einer thörichten
Einbildung übertreffen, so glauben sie, sie seyn
mehr denn andere berechtiget, diese oder jene Mode
von dem Höhern anzunehmen, und sich solcher mit
guten Fug anzumaßen; Andere hingegen dürffen sich
dergleichen nicht unterstehen, ob sie schon selbst von
so geringem Stande sind, daß sie sich dergleichen
solten vergehen lassen. Doch man möchte sie wohl

fragen,

Von der Mode.
ihrer Lebens-Art der Auffuͤhrung der Hoͤhern gar
unaͤhnlich ſind; Bey den Hoͤhern, die vor den an-
dern immer gerne etwas voraus haben wollen, ſe-
tzen ſie ſich gewißlich auch in ſchlechten Credit, daß
ſie ſich bemuͤhen, es ihnen in manchen Stuͤcken
gleich zu thun.

§. 15. Wie nun eine unmaͤßige Nachahmung
der Hoͤhern, mit mancher Thorheit vergeſellſchaff-
tet, alſo ſind auch gar oͤffters die Klagen derer, die
ſich uͤber die Nachahmung beſchweren, und daruͤ-
ber unwillig ſind, ungegruͤndet, zum Theil unver-
nuͤnfftig, und laͤcherlich. Vielmahls entſpringen
ſie aus einem abſcheulichen Hochmuth, Neid und
Mißgunſt gegen die Geringern, manche Hoͤhere
wollen ſich in allen Stuͤcken von den andern, die
ihnen an Einkuͤnfften oder Range nicht gleich kom-
men, abſondern, und goͤnnen ihnen nicht den aller-
geringſten Theil, ja auch nicht einmahl den Schein
der Gluͤckſeeligkeit, die der ihrigen aͤhnlich iſt.
Manchmahl ſind einige aus einer unmaͤßigen
Selbſt-Liebe ſo verblendet, daß ſie ſich und ihren
Standt ſelbſt nicht kennen; weil ſie einige andere
entweder an Einkuͤnfften oder an einer thoͤrichten
Einbildung uͤbertreffen, ſo glauben ſie, ſie ſeyn
mehr denn andere berechtiget, dieſe oder jene Mode
von dem Hoͤhern anzunehmen, und ſich ſolcher mit
guten Fug anzumaßen; Andere hingegen duͤrffen ſich
dergleichen nicht unterſtehen, ob ſie ſchon ſelbſt von
ſo geringem Stande ſind, daß ſie ſich dergleichen
ſolten vergehen laſſen. Doch man moͤchte ſie wohl

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[45/0065] Von der Mode. ihrer Lebens-Art der Auffuͤhrung der Hoͤhern gar unaͤhnlich ſind; Bey den Hoͤhern, die vor den an- dern immer gerne etwas voraus haben wollen, ſe- tzen ſie ſich gewißlich auch in ſchlechten Credit, daß ſie ſich bemuͤhen, es ihnen in manchen Stuͤcken gleich zu thun. §. 15. Wie nun eine unmaͤßige Nachahmung der Hoͤhern, mit mancher Thorheit vergeſellſchaff- tet, alſo ſind auch gar oͤffters die Klagen derer, die ſich uͤber die Nachahmung beſchweren, und daruͤ- ber unwillig ſind, ungegruͤndet, zum Theil unver- nuͤnfftig, und laͤcherlich. Vielmahls entſpringen ſie aus einem abſcheulichen Hochmuth, Neid und Mißgunſt gegen die Geringern, manche Hoͤhere wollen ſich in allen Stuͤcken von den andern, die ihnen an Einkuͤnfften oder Range nicht gleich kom- men, abſondern, und goͤnnen ihnen nicht den aller- geringſten Theil, ja auch nicht einmahl den Schein der Gluͤckſeeligkeit, die der ihrigen aͤhnlich iſt. Manchmahl ſind einige aus einer unmaͤßigen Selbſt-Liebe ſo verblendet, daß ſie ſich und ihren Standt ſelbſt nicht kennen; weil ſie einige andere entweder an Einkuͤnfften oder an einer thoͤrichten Einbildung uͤbertreffen, ſo glauben ſie, ſie ſeyn mehr denn andere berechtiget, dieſe oder jene Mode von dem Hoͤhern anzunehmen, und ſich ſolcher mit guten Fug anzumaßen; Andere hingegen duͤrffen ſich dergleichen nicht unterſtehen, ob ſie ſchon ſelbſt von ſo geringem Stande ſind, daß ſie ſich dergleichen ſolten vergehen laſſen. Doch man moͤchte ſie wohl fragen,

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/65>, abgerufen am 23.11.2024.