gen seltzame Einfälle, sie richten ihre Absicht weder auf die Würdigkeit der Gevattern, noch auf den Wohlstand, und andere Umstände, die doch hiebey von rechtswegen in Betrachtung zu ziehen wären, sondern bloß auf ihren Eigendünckel, wie es ihnen einkommt. Also bitten manche von dem Pöbel, ein vornehmes adeliches Fräulein und ein Schnei- der-Pürschgen zugleich zu Gevattern, da sie doch wohl von dem ehrbaren bürgerlichen Stand einen andern rechtschaffenen Mann finden könten, den sie mit besserer Manier dazu einladen könten. Da GOtt ein GOtt der Ordnung ist, so muß man die- selbe auch in diesem Stück, so viel als möglich, be- obachten. Jn dem Hertzogthum Gotha ward auf eine sehr löbliche Weise, anno 1713, angeordnet: Daß ein jeder seines gleichen bitten solte; und wenn gemeine Leute diejenigen, wo sie etliche Jahre in Diensten gestanden, oder die Jhrigen zu Gevat- tern bitten wolten, so solten sie sich vorher bey selbi- gen um Erlaubniß bewerben, und wenn solche er- langt, alsdenn die Gevatter-Briefe schreiben lassen, eher solten sie aber nicht geschrieben werden, biß sie die erhaltene Erlaubniß bey dem Kirch-Vater be- scheiniget. Ein jeder solte sich bey dem Gevatter- bitten der Bescheidenheit und Ordnung gebrauchen, und sonderlich des Zusammenbittens der Jungfern und Junggesellen, woraus gemeinigiich allerhand Unfug entstünde, gäntzlich enthalten.
§. 9. Eine wunderliche Sache ists, wenn die Leu- te bißweilen gantz Fremde zu Gevattern bitten, die
sie
R r 2
Von Kindtauffen.
gen ſeltzame Einfaͤlle, ſie richten ihre Abſicht weder auf die Wuͤrdigkeit der Gevattern, noch auf den Wohlſtand, und andere Umſtaͤnde, die doch hiebey von rechtswegen in Betrachtung zu ziehen waͤren, ſondern bloß auf ihren Eigenduͤnckel, wie es ihnen einkommt. Alſo bitten manche von dem Poͤbel, ein vornehmes adeliches Fraͤulein und ein Schnei- der-Puͤrſchgen zugleich zu Gevattern, da ſie doch wohl von dem ehrbaren buͤrgerlichen Stand einen andern rechtſchaffenen Mann finden koͤnten, den ſie mit beſſerer Manier dazu einladen koͤnten. Da GOtt ein GOtt der Ordnung iſt, ſo muß man die- ſelbe auch in dieſem Stuͤck, ſo viel als moͤglich, be- obachten. Jn dem Hertzogthum Gotha ward auf eine ſehr loͤbliche Weiſe, anno 1713, angeordnet: Daß ein jeder ſeines gleichen bitten ſolte; und wenn gemeine Leute diejenigen, wo ſie etliche Jahre in Dienſten geſtanden, oder die Jhrigen zu Gevat- tern bitten wolten, ſo ſolten ſie ſich vorher bey ſelbi- gen um Erlaubniß bewerben, und wenn ſolche er- langt, alsdenn die Gevatter-Briefe ſchreiben laſſen, eher ſolten ſie aber nicht geſchrieben werden, biß ſie die erhaltene Erlaubniß bey dem Kirch-Vater be- ſcheiniget. Ein jeder ſolte ſich bey dem Gevatter- bitten der Beſcheidenheit und Ordnung gebrauchen, und ſonderlich des Zuſammenbittens der Jungfern und Junggeſellen, woraus gemeinigiich allerhand Unfug entſtuͤnde, gaͤntzlich enthalten.
§. 9. Eine wunderliche Sache iſts, wenn die Leu- te bißweilen gantz Fremde zu Gevattern bitten, die
ſie
R r 2
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0647"n="627"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Von Kindtauffen.</hi></fw><lb/>
gen ſeltzame Einfaͤlle, ſie richten ihre Abſicht weder<lb/>
auf die Wuͤrdigkeit der Gevattern, noch auf den<lb/>
Wohlſtand, und andere Umſtaͤnde, die doch hiebey<lb/>
von rechtswegen in Betrachtung zu ziehen waͤren,<lb/>ſondern bloß auf ihren Eigenduͤnckel, wie es ihnen<lb/>
einkommt. Alſo bitten manche von dem Poͤbel,<lb/>
ein vornehmes adeliches Fraͤulein und ein Schnei-<lb/>
der-Puͤrſchgen zugleich zu Gevattern, da ſie doch<lb/>
wohl von dem ehrbaren buͤrgerlichen Stand einen<lb/>
andern rechtſchaffenen Mann finden koͤnten, den ſie<lb/>
mit beſſerer Manier dazu einladen koͤnten. Da<lb/>
GOtt ein GOtt der Ordnung iſt, ſo muß man die-<lb/>ſelbe auch in dieſem Stuͤck, ſo viel als moͤglich, be-<lb/>
obachten. Jn dem Hertzogthum Gotha ward auf<lb/>
eine ſehr loͤbliche Weiſe, <hirendition="#aq">anno</hi> 1713, angeordnet:<lb/>
Daß ein jeder ſeines gleichen bitten ſolte; und wenn<lb/>
gemeine Leute diejenigen, wo ſie etliche Jahre in<lb/>
Dienſten geſtanden, oder die Jhrigen zu Gevat-<lb/>
tern bitten wolten, ſo ſolten ſie ſich vorher bey ſelbi-<lb/>
gen um Erlaubniß bewerben, und wenn ſolche er-<lb/>
langt, alsdenn die Gevatter-Briefe ſchreiben laſſen,<lb/>
eher ſolten ſie aber nicht geſchrieben werden, biß ſie<lb/>
die erhaltene Erlaubniß bey dem Kirch-Vater be-<lb/>ſcheiniget. Ein jeder ſolte ſich bey dem Gevatter-<lb/>
bitten der Beſcheidenheit und Ordnung gebrauchen,<lb/>
und ſonderlich des Zuſammenbittens der Jungfern<lb/>
und Junggeſellen, woraus gemeinigiich allerhand<lb/>
Unfug entſtuͤnde, gaͤntzlich enthalten.</p><lb/><p>§. 9. Eine wunderliche Sache iſts, wenn die Leu-<lb/>
te bißweilen gantz Fremde zu Gevattern bitten, die<lb/><fwplace="bottom"type="sig">R r 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">ſie</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[627/0647]
Von Kindtauffen.
gen ſeltzame Einfaͤlle, ſie richten ihre Abſicht weder
auf die Wuͤrdigkeit der Gevattern, noch auf den
Wohlſtand, und andere Umſtaͤnde, die doch hiebey
von rechtswegen in Betrachtung zu ziehen waͤren,
ſondern bloß auf ihren Eigenduͤnckel, wie es ihnen
einkommt. Alſo bitten manche von dem Poͤbel,
ein vornehmes adeliches Fraͤulein und ein Schnei-
der-Puͤrſchgen zugleich zu Gevattern, da ſie doch
wohl von dem ehrbaren buͤrgerlichen Stand einen
andern rechtſchaffenen Mann finden koͤnten, den ſie
mit beſſerer Manier dazu einladen koͤnten. Da
GOtt ein GOtt der Ordnung iſt, ſo muß man die-
ſelbe auch in dieſem Stuͤck, ſo viel als moͤglich, be-
obachten. Jn dem Hertzogthum Gotha ward auf
eine ſehr loͤbliche Weiſe, anno 1713, angeordnet:
Daß ein jeder ſeines gleichen bitten ſolte; und wenn
gemeine Leute diejenigen, wo ſie etliche Jahre in
Dienſten geſtanden, oder die Jhrigen zu Gevat-
tern bitten wolten, ſo ſolten ſie ſich vorher bey ſelbi-
gen um Erlaubniß bewerben, und wenn ſolche er-
langt, alsdenn die Gevatter-Briefe ſchreiben laſſen,
eher ſolten ſie aber nicht geſchrieben werden, biß ſie
die erhaltene Erlaubniß bey dem Kirch-Vater be-
ſcheiniget. Ein jeder ſolte ſich bey dem Gevatter-
bitten der Beſcheidenheit und Ordnung gebrauchen,
und ſonderlich des Zuſammenbittens der Jungfern
und Junggeſellen, woraus gemeinigiich allerhand
Unfug entſtuͤnde, gaͤntzlich enthalten.
§. 9. Eine wunderliche Sache iſts, wenn die Leu-
te bißweilen gantz Fremde zu Gevattern bitten, die
ſie
R r 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 627. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/647>, abgerufen am 20.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.