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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. XI. Capitul.
renomirlich werden möge. Der Englische Spe-
ctateur
meldet in dem XIX. Discours seines er-
sten Tomi, von einem Soldaten, der auf der
Schaubühne zur Schildwache bestellt worden,
damit er die Unordnungen verhindern möchte,
welche die muthwillige Jugend offt zu verursachen
pflegt, und bey der Aufmercksamkeit, die er bey ei-
nem beweglichen Auftritt bezeugt, dermaßen gerüh-
ret worden, daß er sich nicht enthalten können,
Thränen zu vergiessen. Ob er nun zwar hiedurch
sein gutes Hertz und natürlich-weiches Gemüth an
Tag gelegt, so wolte ich einem andern doch nicht
anrathen, daß er ihn bey diesem unzeitigen Mit-
leiden nachahmen solte.

§. 38. Die Promenaden sind eine unschuldige
und doch sehr anmuthige Ergötzlichkeit; Am ver-
nünfftigsten ists, wenn man sie so einrichtet, daß
Nutzen und Lust zugleich mit einander vereiniget
wird. Doch dieses geschiehet am allerseltzamsten
und von den wenigsten. Vielmahls werden sie
zu einem blossen Ceremoniel, und sind mit gar
wenig Plaisir vergesellschafftet, als die gewöhnli-
chen Promenaden en Carosses, da sie in grossen
Städten an einem gewissen Ort fast täglich den
gantzen Sommer durch eine Tour a la Mode thun,
und gar wenig Veränderung dabey empfinden.

§. 39. Sind die Promenaden en Carosse nach
dem Cours gerichtet, so muß man sich im grüßen
nach demjenigen richten, was die Observanz an
einem jeden Ort eingeführt, damit man wider die

Mode

II. Theil. XI. Capitul.
renomirlich werden moͤge. Der Engliſche Spe-
ctateur
meldet in dem XIX. Diſcours ſeines er-
ſten Tomi, von einem Soldaten, der auf der
Schaubuͤhne zur Schildwache beſtellt worden,
damit er die Unordnungen verhindern moͤchte,
welche die muthwillige Jugend offt zu verurſachen
pflegt, und bey der Aufmerckſamkeit, die er bey ei-
nem beweglichen Auftritt bezeugt, dermaßen geruͤh-
ret worden, daß er ſich nicht enthalten koͤnnen,
Thraͤnen zu vergieſſen. Ob er nun zwar hiedurch
ſein gutes Hertz und natuͤrlich-weiches Gemuͤth an
Tag gelegt, ſo wolte ich einem andern doch nicht
anrathen, daß er ihn bey dieſem unzeitigen Mit-
leiden nachahmen ſolte.

§. 38. Die Promenaden ſind eine unſchuldige
und doch ſehr anmuthige Ergoͤtzlichkeit; Am ver-
nuͤnfftigſten iſts, wenn man ſie ſo einrichtet, daß
Nutzen und Luſt zugleich mit einander vereiniget
wird. Doch dieſes geſchiehet am allerſeltzamſten
und von den wenigſten. Vielmahls werden ſie
zu einem bloſſen Ceremoniel, und ſind mit gar
wenig Plaiſir vergeſellſchafftet, als die gewoͤhnli-
chen Promenaden en Caroſſes, da ſie in groſſen
Staͤdten an einem gewiſſen Ort faſt taͤglich den
gantzen Sommer durch eine Tour a la Mode thun,
und gar wenig Veraͤnderung dabey empfinden.

§. 39. Sind die Promenaden en Caroſſe nach
dem Cours gerichtet, ſo muß man ſich im gruͤßen
nach demjenigen richten, was die Obſervanz an
einem jeden Ort eingefuͤhrt, damit man wider die

Mode
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[512/0532] II. Theil. XI. Capitul. renomirlich werden moͤge. Der Engliſche Spe- ctateur meldet in dem XIX. Diſcours ſeines er- ſten Tomi, von einem Soldaten, der auf der Schaubuͤhne zur Schildwache beſtellt worden, damit er die Unordnungen verhindern moͤchte, welche die muthwillige Jugend offt zu verurſachen pflegt, und bey der Aufmerckſamkeit, die er bey ei- nem beweglichen Auftritt bezeugt, dermaßen geruͤh- ret worden, daß er ſich nicht enthalten koͤnnen, Thraͤnen zu vergieſſen. Ob er nun zwar hiedurch ſein gutes Hertz und natuͤrlich-weiches Gemuͤth an Tag gelegt, ſo wolte ich einem andern doch nicht anrathen, daß er ihn bey dieſem unzeitigen Mit- leiden nachahmen ſolte. §. 38. Die Promenaden ſind eine unſchuldige und doch ſehr anmuthige Ergoͤtzlichkeit; Am ver- nuͤnfftigſten iſts, wenn man ſie ſo einrichtet, daß Nutzen und Luſt zugleich mit einander vereiniget wird. Doch dieſes geſchiehet am allerſeltzamſten und von den wenigſten. Vielmahls werden ſie zu einem bloſſen Ceremoniel, und ſind mit gar wenig Plaiſir vergeſellſchafftet, als die gewoͤhnli- chen Promenaden en Caroſſes, da ſie in groſſen Staͤdten an einem gewiſſen Ort faſt taͤglich den gantzen Sommer durch eine Tour a la Mode thun, und gar wenig Veraͤnderung dabey empfinden. §. 39. Sind die Promenaden en Caroſſe nach dem Cours gerichtet, ſo muß man ſich im gruͤßen nach demjenigen richten, was die Obſervanz an einem jeden Ort eingefuͤhrt, damit man wider die Mode

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/532>, abgerufen am 22.11.2024.