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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Vom Tractiren und denen Gaster eyen.
Diese Methode ist in manchen Stücken vor den
Wirth und die Gäste bequemer, als die erstere.

§. 35. Eine schändliche Sache ists, daß viele
von unsern so genandten Christen in den Gedan-
cken stehen, es werde zum Wohlstand und zum Ce-
remoniel
nothwendig mit erfordert, daß man bey
einer solennen Gasterey weder vor- noch nach Ti-
sche beten dürffe. Es geschicht dieses nicht allein
bey den Römisch-Catholischen, die öffters ent-
weder gar nicht beten, oder doch nicht mehr als
das Formulgen: Hoc est plus benedicat no-
bis Dominus,
sondern auch bey denen Protesti-
renden. Der Engelländer, Bunian, beschweret
sich nicht allein über seine Landes-Leute, wenn
er in seiner Kunst der Vergnüglichkeit, pag. 27.
schreibt: Es deuchtet uns nunmehro zuviel Ehrer-
bietung zu seyn, vor und nach Tische zu bethen; son-
dern wir finden auch in unserm Teutschland viele,
die es eben so machen. Gläubige Christen stellen
sich auch in diesem Stück der Welt im geringsten
nicht gleich. Sie lassen vor Tische bethen, damit
sie und ihre Gäste erinnert werden, daß sie dem
grossen HErrn des unermeßlichen Reichs der Him-
mels-Creyße und des Erdbodens zu Ehren essen
und trincken, und nach Tische, damit sie dem güti-
gen und liebreichen Wohlthäter vor so vieles Gute
gebührenden Danck abstatten. Jst es nicht ein
grosser Undanck gegen diesen liebreichen HErrn?
Viele verlangen von ihren Gästen, denen sie einige
Höflichkeit erzeiget, nach der Tafel ein Dancksa-

gungs-

Vom Tractiren und denen Gaſter eyen.
Dieſe Methode iſt in manchen Stuͤcken vor den
Wirth und die Gaͤſte bequemer, als die erſtere.

§. 35. Eine ſchaͤndliche Sache iſts, daß viele
von unſern ſo genandten Chriſten in den Gedan-
cken ſtehen, es werde zum Wohlſtand und zum Ce-
remoniel
nothwendig mit erfordert, daß man bey
einer ſolennen Gaſterey weder vor- noch nach Ti-
ſche beten duͤrffe. Es geſchicht dieſes nicht allein
bey den Roͤmiſch-Catholiſchen, die oͤffters ent-
weder gar nicht beten, oder doch nicht mehr als
das Formulgen: Hoc eſt plus benedicat no-
bis Dominus,
ſondern auch bey denen Proteſti-
renden. Der Engellaͤnder, Bunian, beſchweret
ſich nicht allein uͤber ſeine Landes-Leute, wenn
er in ſeiner Kunſt der Vergnuͤglichkeit, pag. 27.
ſchreibt: Es deuchtet uns nunmehro zuviel Ehrer-
bietung zu ſeyn, vor und nach Tiſche zu bethen; ſon-
dern wir finden auch in unſerm Teutſchland viele,
die es eben ſo machen. Glaͤubige Chriſten ſtellen
ſich auch in dieſem Stuͤck der Welt im geringſten
nicht gleich. Sie laſſen vor Tiſche bethen, damit
ſie und ihre Gaͤſte erinnert werden, daß ſie dem
groſſen HErrn des unermeßlichen Reichs der Him-
mels-Creyße und des Erdbodens zu Ehren eſſen
und trincken, und nach Tiſche, damit ſie dem guͤti-
gen und liebreichen Wohlthaͤter vor ſo vieles Gute
gebuͤhrenden Danck abſtatten. Jſt es nicht ein
groſſer Undanck gegen dieſen liebreichen HErrn?
Viele verlangen von ihren Gaͤſten, denen ſie einige
Hoͤflichkeit erzeiget, nach der Tafel ein Danckſa-

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[447/0467] Vom Tractiren und denen Gaſter eyen. Dieſe Methode iſt in manchen Stuͤcken vor den Wirth und die Gaͤſte bequemer, als die erſtere. §. 35. Eine ſchaͤndliche Sache iſts, daß viele von unſern ſo genandten Chriſten in den Gedan- cken ſtehen, es werde zum Wohlſtand und zum Ce- remoniel nothwendig mit erfordert, daß man bey einer ſolennen Gaſterey weder vor- noch nach Ti- ſche beten duͤrffe. Es geſchicht dieſes nicht allein bey den Roͤmiſch-Catholiſchen, die oͤffters ent- weder gar nicht beten, oder doch nicht mehr als das Formulgen: Hoc eſt plus benedicat no- bis Dominus, ſondern auch bey denen Proteſti- renden. Der Engellaͤnder, Bunian, beſchweret ſich nicht allein uͤber ſeine Landes-Leute, wenn er in ſeiner Kunſt der Vergnuͤglichkeit, pag. 27. ſchreibt: Es deuchtet uns nunmehro zuviel Ehrer- bietung zu ſeyn, vor und nach Tiſche zu bethen; ſon- dern wir finden auch in unſerm Teutſchland viele, die es eben ſo machen. Glaͤubige Chriſten ſtellen ſich auch in dieſem Stuͤck der Welt im geringſten nicht gleich. Sie laſſen vor Tiſche bethen, damit ſie und ihre Gaͤſte erinnert werden, daß ſie dem groſſen HErrn des unermeßlichen Reichs der Him- mels-Creyße und des Erdbodens zu Ehren eſſen und trincken, und nach Tiſche, damit ſie dem guͤti- gen und liebreichen Wohlthaͤter vor ſo vieles Gute gebuͤhrenden Danck abſtatten. Jſt es nicht ein groſſer Undanck gegen dieſen liebreichen HErrn? Viele verlangen von ihren Gaͤſten, denen ſie einige Hoͤflichkeit erzeiget, nach der Tafel ein Danckſa- gungs-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/467>, abgerufen am 20.05.2024.