lich mit gutem Gewissen, und des Appetits wegen, etwas Gutes essen und trincken dürffe? Vor wem hat denn der liebreiche Vater im Himmel in un- sere Erde so mannichfältig Gutes eingelegt? Sollen wir es bloß ansehen, und es hernach verfaulen und verderben lassen? sollen es die wilden Thiere, oder das andere Vieh, oder das Ungeziefer auffressen? Wäre dieses nicht eine Unerkäntniß, und zugleich ei- ne Unerkenntlichkeit gegen den gütigen Schöpffer? Es ist ja alles Gute, das unsern Geschmack vergnügt, zu keinem andern Ende erschaffen, als daß so wohl die Frommen als Gottlosen schmecken sollen, wie freundlich der HErr sey. Die Frommen, damit sie bißweilen bey denen Widerwärtigkeiten, die ih- nen Satan und die Welt zu erregen pflegt, leibli- cher weise erquicket, gestärcket, und in ihrer Liebe zu GOtt je mehr und mehr angefeuert werden; die Gottlosen aber, damit sie auch durch diese Güte, die ihnen GOtt bey dem guten Essen und Trincken er- weiset, zur Busse gelocket, und zur Liebe gegen ihren Schöpffer angetrieben werden.
§. 9. Es ist also eine ausgemachte Wahrheit, daß einige Gastereyen theils von GOtt befohlen, da wir, nach der Vermahnung Pauli, zur Gast- Freyheit angewiesen werden, theils mit denen Pflichten des Christenthums und der Vorschrifft der gesunden Vernunfft sich sehr wohl vereinigen lassen. Es ist aber auch nicht weniger mehr als zu gewiß, daß die meisten Gastgebothe, wie sie die Welt heutiges Tages anzustellen pflegt, grösten-
theils
II. Theil. IX. Capitul.
lich mit gutem Gewiſſen, und des Appetits wegen, etwas Gutes eſſen und trincken duͤrffe? Vor wem hat denn der liebreiche Vater im Himmel in un- ſere Erde ſo mannichfaͤltig Gutes eingelegt? Sollen wir es bloß anſehen, und es hernach verfaulen und verderben laſſen? ſollen es die wilden Thiere, oder das andere Vieh, oder das Ungeziefer auffreſſen? Waͤre dieſes nicht eine Unerkaͤntniß, und zugleich ei- ne Unerkenntlichkeit gegen den guͤtigen Schoͤpffer? Es iſt ja alles Gute, das unſern Geſchmack vergnuͤgt, zu keinem andern Ende erſchaffen, als daß ſo wohl die Frommen als Gottloſen ſchmecken ſollen, wie freundlich der HErr ſey. Die Frommen, damit ſie bißweilen bey denen Widerwaͤrtigkeiten, die ih- nen Satan und die Welt zu erregen pflegt, leibli- cher weiſe erquicket, geſtaͤrcket, und in ihrer Liebe zu GOtt je mehr und mehr angefeuert werden; die Gottloſen aber, damit ſie auch durch dieſe Guͤte, die ihnen GOtt bey dem guten Eſſen und Trincken er- weiſet, zur Buſſe gelocket, und zur Liebe gegen ihren Schoͤpffer angetrieben werden.
§. 9. Es iſt alſo eine ausgemachte Wahrheit, daß einige Gaſtereyen theils von GOtt befohlen, da wir, nach der Vermahnung Pauli, zur Gaſt- Freyheit angewieſen werden, theils mit denen Pflichten des Chriſtenthums und der Vorſchrifft der geſunden Vernunfft ſich ſehr wohl vereinigen laſſen. Es iſt aber auch nicht weniger mehr als zu gewiß, daß die meiſten Gaſtgebothe, wie ſie die Welt heutiges Tages anzuſtellen pflegt, groͤſten-
theils
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II. Theil. IX. Capitul.
lich mit gutem Gewiſſen, und des Appetits wegen,
etwas Gutes eſſen und trincken duͤrffe? Vor wem
hat denn der liebreiche Vater im Himmel in un-
ſere Erde ſo mannichfaͤltig Gutes eingelegt? Sollen
wir es bloß anſehen, und es hernach verfaulen und
verderben laſſen? ſollen es die wilden Thiere, oder
das andere Vieh, oder das Ungeziefer auffreſſen?
Waͤre dieſes nicht eine Unerkaͤntniß, und zugleich ei-
ne Unerkenntlichkeit gegen den guͤtigen Schoͤpffer?
Es iſt ja alles Gute, das unſern Geſchmack vergnuͤgt,
zu keinem andern Ende erſchaffen, als daß ſo wohl
die Frommen als Gottloſen ſchmecken ſollen, wie
freundlich der HErr ſey. Die Frommen, damit
ſie bißweilen bey denen Widerwaͤrtigkeiten, die ih-
nen Satan und die Welt zu erregen pflegt, leibli-
cher weiſe erquicket, geſtaͤrcket, und in ihrer Liebe zu
GOtt je mehr und mehr angefeuert werden; die
Gottloſen aber, damit ſie auch durch dieſe Guͤte, die
ihnen GOtt bey dem guten Eſſen und Trincken er-
weiſet, zur Buſſe gelocket, und zur Liebe gegen ihren
Schoͤpffer angetrieben werden.
§. 9. Es iſt alſo eine ausgemachte Wahrheit,
daß einige Gaſtereyen theils von GOtt befohlen,
da wir, nach der Vermahnung Pauli, zur Gaſt-
Freyheit angewieſen werden, theils mit denen
Pflichten des Chriſtenthums und der Vorſchrifft
der geſunden Vernunfft ſich ſehr wohl vereinigen
laſſen. Es iſt aber auch nicht weniger mehr als
zu gewiß, daß die meiſten Gaſtgebothe, wie ſie die
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/452>, abgerufen am 22.11.2024.
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