Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.II. Theil. VI. Capitul. bezahlte. Wenn sich eine Dame nicht scheute, ei-nen unkeuschen Discours auf das Tapet zu bringen, so wäre es auch dem Cavalier keine Schande, wenn er dergleichen angefangene Reden fortsetzte. Je- doch dieses ist die Sprache des natürlich und fleischlich gesinnten Menschen. Ein Christ macht sich auch in diesem Stück fremder Sünde nicht theilhafftig. Bekommt er eine unverschämte An- rede von einer Person, die seines gleichen, oder noch wohl gar geringern Standes, so giebt er ihr nach dem Unterschiede der unter ihnen ist, eine solche Er- innerung, oder Antwort, daß sie ein ander mahl lernt ihre Zunge gegen tugendhaffte Leute besser in Zaum halten. Geschicht aber dergleichen von ei- ner höhern Person, der er Respect schuldig, und der er ohne Verletzung des Wohlstandes keine Lecti- on lesen darf, so stellt er sich entweder so an, als ob er hiebey nicht aufmercksam wäre, oder erweiset durch sein Stillschweigen, oder durch eine etwas ernsthaffte Mine sein Mißvergnügen über derglei- chen Unart. §. 8. Kommt man in eine Gesellschafft, wo viele ler
II. Theil. VI. Capitul. bezahlte. Wenn ſich eine Dame nicht ſcheute, ei-nen unkeuſchen Diſcours auf das Tapet zu bringen, ſo waͤre es auch dem Cavalier keine Schande, wenn er dergleichen angefangene Reden fortſetzte. Je- doch dieſes iſt die Sprache des natuͤrlich und fleiſchlich geſinnten Menſchen. Ein Chriſt macht ſich auch in dieſem Stuͤck fremder Suͤnde nicht theilhafftig. Bekommt er eine unverſchaͤmte An- rede von einer Perſon, die ſeines gleichen, oder noch wohl gar geringern Standes, ſo giebt er ihr nach dem Unterſchiede der unter ihnen iſt, eine ſolche Er- innerung, oder Antwort, daß ſie ein ander mahl lernt ihre Zunge gegen tugendhaffte Leute beſſer in Zaum halten. Geſchicht aber dergleichen von ei- ner hoͤhern Perſon, der er Reſpect ſchuldig, und der er ohne Verletzung des Wohlſtandes keine Lecti- on leſen darf, ſo ſtellt er ſich entweder ſo an, als ob er hiebey nicht aufmerckſam waͤre, oder erweiſet durch ſein Stillſchweigen, oder durch eine etwas ernſthaffte Mine ſein Mißvergnuͤgen uͤber derglei- chen Unart. §. 8. Kommt man in eine Geſellſchafft, wo viele ler
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II. Theil. VI. Capitul.
bezahlte. Wenn ſich eine Dame nicht ſcheute, ei-
nen unkeuſchen Diſcours auf das Tapet zu bringen,
ſo waͤre es auch dem Cavalier keine Schande, wenn
er dergleichen angefangene Reden fortſetzte. Je-
doch dieſes iſt die Sprache des natuͤrlich und
fleiſchlich geſinnten Menſchen. Ein Chriſt macht
ſich auch in dieſem Stuͤck fremder Suͤnde nicht
theilhafftig. Bekommt er eine unverſchaͤmte An-
rede von einer Perſon, die ſeines gleichen, oder noch
wohl gar geringern Standes, ſo giebt er ihr nach
dem Unterſchiede der unter ihnen iſt, eine ſolche Er-
innerung, oder Antwort, daß ſie ein ander mahl
lernt ihre Zunge gegen tugendhaffte Leute beſſer in
Zaum halten. Geſchicht aber dergleichen von ei-
ner hoͤhern Perſon, der er Reſpect ſchuldig, und der
er ohne Verletzung des Wohlſtandes keine Lecti-
on leſen darf, ſo ſtellt er ſich entweder ſo an, als
ob er hiebey nicht aufmerckſam waͤre, oder erweiſet
durch ſein Stillſchweigen, oder durch eine etwas
ernſthaffte Mine ſein Mißvergnuͤgen uͤber derglei-
chen Unart.
§. 8. Kommt man in eine Geſellſchafft, wo viele
Dames beyſammen, von denen man die wenigſten
kennet, ſo iſt es eben nicht noͤthig, daß man einer je-
den ein beſonder muͤndlich Compliment mache,
ſondern es iſt genug, wenn man bey dem Eingange
ſie alle zuſammen mit einem allgemeinen Reverence
begruͤſt, biß man Gelegenheit findet, ſich an eine
oder die andere ins beſondere zu wenden, und ſie mit
Diſcourſen zu unterhalten. Es iſt ein Fehler vie-
ler
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