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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. V. Capitul.
hung unserer Umstände, und der an einem Orte
eingeführte Gebrauch, daß wir nach der Reyhe und
nach dem Range die Visiten abstatten, so müssen
wir uns mit der grösten Accuratesse erkundigen,
welcher von ihnen dem andern vor oder nachgehe,
denn sonst würde derjenige, der einen großen Ehr-
geitz besitzt, es sehr übel aufnehmen, wenn man
ihm hierinne wider seinen Willen zu nahe trete, und
bey ihm hernach die Visite ablegte, die wir doch
vorher hätten sollen ablegen.

§. 12. Läst man sich bey den Höhern melden, so
muß man niemahls die Zeit bestimmen, wenn man
zu ihnen kommen will, dieses thut man nur gegen
Geringere, oder auch bißweilen gegen seines glei-
chen; von den Höhern müssen wir den Befehl
erwarten, wenn es ihnen gelegen. Haben sie uns
eine gewisse Zeit angezeigt, so müssen wir punctuel
um dieselbe Zeit erscheinen, und keine Viertelstunde
später als sie uns vorgeschrieben. Es ist besser, daß
wlr ein wenig zuvorkommen, und auf sie warten,
biß es ihnen gelegen, als daß sie auf uns warten
müssen. Die Höhern haben offt alle ihre Stun-
den und Viertelstunden auf den gantzen Tag ein-
getheilt. Erscheinen wir nicht zu der gesetzten Zeit
accutat, so haben wir bißweilen lange Zeit nicht wie-
der Gelegenheit zu ihnen zu kommen.

§. 13. Jn Anmeldung muß man ebenfalls das
rechte Tempo treffen, wie es an einem jeden Orte
eingeführt. An einigen Orten läst man sich gantz
früh melden, weil alsdenn die Höhern den gantzen

Tag

II. Theil. V. Capitul.
hung unſerer Umſtaͤnde, und der an einem Orte
eingefuͤhrte Gebrauch, daß wir nach der Reyhe und
nach dem Range die Viſiten abſtatten, ſo muͤſſen
wir uns mit der groͤſten Accurateſſe erkundigen,
welcher von ihnen dem andern vor oder nachgehe,
denn ſonſt wuͤrde derjenige, der einen großen Ehr-
geitz beſitzt, es ſehr uͤbel aufnehmen, wenn man
ihm hierinne wider ſeinen Willen zu nahe trete, und
bey ihm hernach die Viſite ablegte, die wir doch
vorher haͤtten ſollen ablegen.

§. 12. Laͤſt man ſich bey den Hoͤhern melden, ſo
muß man niemahls die Zeit beſtimmen, wenn man
zu ihnen kommen will, dieſes thut man nur gegen
Geringere, oder auch bißweilen gegen ſeines glei-
chen; von den Hoͤhern muͤſſen wir den Befehl
erwarten, wenn es ihnen gelegen. Haben ſie uns
eine gewiſſe Zeit angezeigt, ſo muͤſſen wir punctuel
um dieſelbe Zeit erſcheinen, und keine Viertelſtunde
ſpaͤter als ſie uns vorgeſchrieben. Es iſt beſſer, daß
wlr ein wenig zuvorkommen, und auf ſie warten,
biß es ihnen gelegen, als daß ſie auf uns warten
muͤſſen. Die Hoͤhern haben offt alle ihre Stun-
den und Viertelſtunden auf den gantzen Tag ein-
getheilt. Erſcheinen wir nicht zu der geſetzten Zeit
accutat, ſo haben wir bißweilen lange Zeit nicht wie-
der Gelegenheit zu ihnen zu kommen.

§. 13. Jn Anmeldung muß man ebenfalls das
rechte Tempo treffen, wie es an einem jeden Orte
eingefuͤhrt. An einigen Orten laͤſt man ſich gantz
fruͤh melden, weil alsdenn die Hoͤhern den gantzen

Tag
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[348/0368] II. Theil. V. Capitul. hung unſerer Umſtaͤnde, und der an einem Orte eingefuͤhrte Gebrauch, daß wir nach der Reyhe und nach dem Range die Viſiten abſtatten, ſo muͤſſen wir uns mit der groͤſten Accurateſſe erkundigen, welcher von ihnen dem andern vor oder nachgehe, denn ſonſt wuͤrde derjenige, der einen großen Ehr- geitz beſitzt, es ſehr uͤbel aufnehmen, wenn man ihm hierinne wider ſeinen Willen zu nahe trete, und bey ihm hernach die Viſite ablegte, die wir doch vorher haͤtten ſollen ablegen. §. 12. Laͤſt man ſich bey den Hoͤhern melden, ſo muß man niemahls die Zeit beſtimmen, wenn man zu ihnen kommen will, dieſes thut man nur gegen Geringere, oder auch bißweilen gegen ſeines glei- chen; von den Hoͤhern muͤſſen wir den Befehl erwarten, wenn es ihnen gelegen. Haben ſie uns eine gewiſſe Zeit angezeigt, ſo muͤſſen wir punctuel um dieſelbe Zeit erſcheinen, und keine Viertelſtunde ſpaͤter als ſie uns vorgeſchrieben. Es iſt beſſer, daß wlr ein wenig zuvorkommen, und auf ſie warten, biß es ihnen gelegen, als daß ſie auf uns warten muͤſſen. Die Hoͤhern haben offt alle ihre Stun- den und Viertelſtunden auf den gantzen Tag ein- getheilt. Erſcheinen wir nicht zu der geſetzten Zeit accutat, ſo haben wir bißweilen lange Zeit nicht wie- der Gelegenheit zu ihnen zu kommen. §. 13. Jn Anmeldung muß man ebenfalls das rechte Tempo treffen, wie es an einem jeden Orte eingefuͤhrt. An einigen Orten laͤſt man ſich gantz fruͤh melden, weil alsdenn die Hoͤhern den gantzen Tag

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/368>, abgerufen am 18.05.2024.