Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Theil. IV. Capitul.
treffen wären, als vielmehr an guten Briefen. Der
Hof und die Schule, sagt er, sind in diesem Stück
sehr unterschieden. Diese macht die Regeln nach
ihren Köpffen, jene nimmt sie aus der Ubung und
Erfahrung her. Diese bekümmert sich nur, wie
man schreiben will, jene aber, wie man artig und
gewöhnlich schreibet. Gleichwohl sind unsere Hof-
Leute so ungütig, daß sie die Schule in der Finster-
niß stecken lassen; und da sie uns in allen zum Mu-
ster seyn sollen, so sehen wir doch sehr wenig von ih-
ren Briefen, s. pag. 1. obangezogenen Tractats.
Es ist wahr, es ist bißhero jungen Leuten ziemlich
schwer geworden, wenn sie eine Parthye wohl-sty-
lisi
rter und Cantzley-mäßig abgefaßten Schreiben
beysammen sehen wollen; haben sie nicht bey denen
Secretairs hier und da etwas davon zu sehen bekom-
men, oder sonst mit Mühe und Noth und einigen
Unkosten etwas davon gesammlet, so sind sie genö-
thiget worden, sich mit den gedruckten Briefen, wie
sie mehrentheils von Schul-Leuten abgefasset wor-
den, oder mit den Schreiben der Privat-Personen
zu behelffen. Nachdem aber der fleißige Herr
Stadt-Schreiber Lünig in Leipzig in vielen Tomis
die Schreiben der grossen Herren, die sie in man-
cherley Angelegenheiten, so wohl in Lateinischer als
Teutscher Sprache, einander zugeschrieben, zusam-
men drucken lassen; So ist auch nunmehro der
Klage, die man sonsten wegen dieses Mangels
angestimmt, gröstentheils abgeholffen, und jun-
ge Leute haben nunmehro gute Exempel in die

Hände

II. Theil. IV. Capitul.
treffen waͤren, als vielmehr an guten Briefen. Der
Hof und die Schule, ſagt er, ſind in dieſem Stuͤck
ſehr unterſchieden. Dieſe macht die Regeln nach
ihren Koͤpffen, jene nimmt ſie aus der Ubung und
Erfahrung her. Dieſe bekuͤmmert ſich nur, wie
man ſchreiben will, jene aber, wie man artig und
gewoͤhnlich ſchreibet. Gleichwohl ſind unſere Hof-
Leute ſo unguͤtig, daß ſie die Schule in der Finſter-
niß ſtecken laſſen; und da ſie uns in allen zum Mu-
ſter ſeyn ſollen, ſo ſehen wir doch ſehr wenig von ih-
ren Briefen, ſ. pag. 1. obangezogenen Tractats.
Es iſt wahr, es iſt bißhero jungen Leuten ziemlich
ſchwer geworden, wenn ſie eine Parthye wohl-ſty-
liſi
rter und Cantzley-maͤßig abgefaßten Schreiben
beyſammen ſehen wollen; haben ſie nicht bey denen
Secretairs hier und da etwas davon zu ſehen bekom-
men, oder ſonſt mit Muͤhe und Noth und einigen
Unkoſten etwas davon geſammlet, ſo ſind ſie genoͤ-
thiget worden, ſich mit den gedruckten Briefen, wie
ſie mehrentheils von Schul-Leuten abgefaſſet wor-
den, oder mit den Schreiben der Privat-Perſonen
zu behelffen. Nachdem aber der fleißige Herr
Stadt-Schreiber Luͤnig in Leipzig in vielen Tomis
die Schreiben der groſſen Herren, die ſie in man-
cherley Angelegenheiten, ſo wohl in Lateiniſcher als
Teutſcher Sprache, einander zugeſchrieben, zuſam-
men drucken laſſen; So iſt auch nunmehro der
Klage, die man ſonſten wegen dieſes Mangels
angeſtimmt, groͤſtentheils abgeholffen, und jun-
ge Leute haben nunmehro gute Exempel in die

Haͤnde
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0342" n="322"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Theil. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Capitul.</hi></fw><lb/>
treffen wa&#x0364;ren, als vielmehr an guten Briefen. Der<lb/>
Hof und die Schule, &#x017F;agt er, &#x017F;ind in die&#x017F;em Stu&#x0364;ck<lb/>
&#x017F;ehr unter&#x017F;chieden. Die&#x017F;e macht die Regeln nach<lb/>
ihren Ko&#x0364;pffen, jene nimmt &#x017F;ie aus der Ubung und<lb/>
Erfahrung her. Die&#x017F;e beku&#x0364;mmert &#x017F;ich nur, wie<lb/>
man &#x017F;chreiben will, jene aber, wie man artig und<lb/>
gewo&#x0364;hnlich &#x017F;chreibet. Gleichwohl &#x017F;ind un&#x017F;ere Hof-<lb/>
Leute &#x017F;o ungu&#x0364;tig, daß &#x017F;ie die Schule in der Fin&#x017F;ter-<lb/>
niß &#x017F;tecken la&#x017F;&#x017F;en; und da &#x017F;ie uns in allen zum Mu-<lb/>
&#x017F;ter &#x017F;eyn &#x017F;ollen, &#x017F;o &#x017F;ehen wir doch &#x017F;ehr wenig von ih-<lb/>
ren Briefen, &#x017F;. <hi rendition="#aq">pag.</hi> 1. obangezogenen <hi rendition="#aq">Tractat</hi>s.<lb/>
Es i&#x017F;t wahr, es i&#x017F;t bißhero jungen Leuten ziemlich<lb/>
&#x017F;chwer geworden, wenn &#x017F;ie eine Parthye wohl-<hi rendition="#aq">&#x017F;ty-<lb/>
li&#x017F;i</hi>rter und Cantzley-ma&#x0364;ßig abgefaßten Schreiben<lb/>
bey&#x017F;ammen &#x017F;ehen wollen; haben &#x017F;ie nicht bey denen<lb/><hi rendition="#aq">Secretairs</hi> hier und da etwas davon zu &#x017F;ehen bekom-<lb/>
men, oder &#x017F;on&#x017F;t mit Mu&#x0364;he und Noth und einigen<lb/>
Unko&#x017F;ten etwas davon ge&#x017F;ammlet, &#x017F;o &#x017F;ind &#x017F;ie geno&#x0364;-<lb/>
thiget worden, &#x017F;ich mit den gedruckten Briefen, wie<lb/>
&#x017F;ie mehrentheils von Schul-Leuten abgefa&#x017F;&#x017F;et wor-<lb/>
den, oder mit den Schreiben der <hi rendition="#aq">Privat-</hi>Per&#x017F;onen<lb/>
zu behelffen. Nachdem aber der fleißige Herr<lb/>
Stadt-Schreiber Lu&#x0364;nig in Leipzig in vielen <hi rendition="#aq">Tomis</hi><lb/>
die Schreiben der gro&#x017F;&#x017F;en Herren, die &#x017F;ie in man-<lb/>
cherley Angelegenheiten, &#x017F;o wohl in Lateini&#x017F;cher als<lb/>
Teut&#x017F;cher Sprache, einander zuge&#x017F;chrieben, zu&#x017F;am-<lb/>
men drucken la&#x017F;&#x017F;en; So i&#x017F;t auch nunmehro der<lb/>
Klage, die man &#x017F;on&#x017F;ten wegen die&#x017F;es Mangels<lb/>
ange&#x017F;timmt, gro&#x0364;&#x017F;tentheils abgeholffen, und jun-<lb/>
ge Leute haben nunmehro gute Exempel in die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ha&#x0364;nde</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[322/0342] II. Theil. IV. Capitul. treffen waͤren, als vielmehr an guten Briefen. Der Hof und die Schule, ſagt er, ſind in dieſem Stuͤck ſehr unterſchieden. Dieſe macht die Regeln nach ihren Koͤpffen, jene nimmt ſie aus der Ubung und Erfahrung her. Dieſe bekuͤmmert ſich nur, wie man ſchreiben will, jene aber, wie man artig und gewoͤhnlich ſchreibet. Gleichwohl ſind unſere Hof- Leute ſo unguͤtig, daß ſie die Schule in der Finſter- niß ſtecken laſſen; und da ſie uns in allen zum Mu- ſter ſeyn ſollen, ſo ſehen wir doch ſehr wenig von ih- ren Briefen, ſ. pag. 1. obangezogenen Tractats. Es iſt wahr, es iſt bißhero jungen Leuten ziemlich ſchwer geworden, wenn ſie eine Parthye wohl-ſty- liſirter und Cantzley-maͤßig abgefaßten Schreiben beyſammen ſehen wollen; haben ſie nicht bey denen Secretairs hier und da etwas davon zu ſehen bekom- men, oder ſonſt mit Muͤhe und Noth und einigen Unkoſten etwas davon geſammlet, ſo ſind ſie genoͤ- thiget worden, ſich mit den gedruckten Briefen, wie ſie mehrentheils von Schul-Leuten abgefaſſet wor- den, oder mit den Schreiben der Privat-Perſonen zu behelffen. Nachdem aber der fleißige Herr Stadt-Schreiber Luͤnig in Leipzig in vielen Tomis die Schreiben der groſſen Herren, die ſie in man- cherley Angelegenheiten, ſo wohl in Lateiniſcher als Teutſcher Sprache, einander zugeſchrieben, zuſam- men drucken laſſen; So iſt auch nunmehro der Klage, die man ſonſten wegen dieſes Mangels angeſtimmt, groͤſtentheils abgeholffen, und jun- ge Leute haben nunmehro gute Exempel in die Haͤnde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/342
Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/342>, abgerufen am 22.11.2024.