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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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II. Theil. III. Capitul.
gierig, zu vernehmen, wie der Eingang der Rede
geschehen werde. Hier muß der Redner den er-
sten Eindruck von ihm und seiner Rede in den Ge-
müthern der Zuhörer würcken. Jst der Anfang
schlecht, so wird er sich in schlechten Credit setzen,
und sie werden sich von dem Fortgang der Rede
nicht gar viel Gutes versprechen. Es kan auch
wohl geschehen, daß einige, wenn er gar zu Anfang
einen ziemlichen Fehler begehet, ein solch Geräusch
oder Gelächter anfangen, daß er hernach in seinen
Concepten verrückt und in völlige Unordnung hie-
durch gesetzt wird. Macht er aber einen guten An-
fang, so werden alle Zuhörer eine gute Meynung
von ihm erlangen, und er wird aus ihrer Begierde
zur Aufmercksamkeit, und aus ihren Geberden
gleichsam wahrnehmen, daß sie mit seinem Vortrag
zufrieden sind, und hiedurch selbst in seinem Muth,
weiter fortzureden, gestärcket werden. Bey die-
ser ihrer ersten und besondern Aufmercksamkeit wer-
den sie den Anfang einer Rede, die ihnen sonderlich
gefallen, auch lange im Gedächtniß behalten, und
wird also der Ruhm wegen seiner Wohlredenheit
immer mehr und mehr ausgebreitet werden. Da es
nun viel Leuten nicht gelegen ist, ihre Gedancken eine
lange Zeit in einer besondern Aufmercksamkeit zu
erhalten, so werden auch viele von den Zuhörern bey
dem Fortgang einer Rede, zumahl, die etwas weit-
läufftig abgefaßt, auf dasjenige, was in der Mitten
vorkommt, nicht so genaue Acht haben. Spühren
sie aber, daß eine Rede bald zu Ende gehet, so samm-

let

II. Theil. III. Capitul.
gierig, zu vernehmen, wie der Eingang der Rede
geſchehen werde. Hier muß der Redner den er-
ſten Eindruck von ihm und ſeiner Rede in den Ge-
muͤthern der Zuhoͤrer wuͤrcken. Jſt der Anfang
ſchlecht, ſo wird er ſich in ſchlechten Credit ſetzen,
und ſie werden ſich von dem Fortgang der Rede
nicht gar viel Gutes verſprechen. Es kan auch
wohl geſchehen, daß einige, wenn er gar zu Anfang
einen ziemlichen Fehler begehet, ein ſolch Geraͤuſch
oder Gelaͤchter anfangen, daß er hernach in ſeinen
Concepten verruͤckt und in voͤllige Unordnung hie-
durch geſetzt wird. Macht er aber einen guten An-
fang, ſo werden alle Zuhoͤrer eine gute Meynung
von ihm erlangen, und er wird aus ihrer Begierde
zur Aufmerckſamkeit, und aus ihren Geberden
gleichſam wahrnehmen, daß ſie mit ſeinem Vortrag
zufrieden ſind, und hiedurch ſelbſt in ſeinem Muth,
weiter fortzureden, geſtaͤrcket werden. Bey die-
ſer ihrer erſten und beſondern Aufmerckſamkeit wer-
den ſie den Anfang einer Rede, die ihnen ſonderlich
gefallen, auch lange im Gedaͤchtniß behalten, und
wird alſo der Ruhm wegen ſeiner Wohlredenheit
immer mehr und mehr ausgebreitet werden. Da es
nun viel Leuten nicht gelegen iſt, ihre Gedancken eine
lange Zeit in einer beſondern Aufmerckſamkeit zu
erhalten, ſo werden auch viele von den Zuhoͤrern bey
dem Fortgang einer Rede, zumahl, die etwas weit-
laͤufftig abgefaßt, auf dasjenige, was in der Mitten
vorkommt, nicht ſo genaue Acht haben. Spuͤhren
ſie aber, daß eine Rede bald zu Ende gehet, ſo ſamm-

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[320/0340] II. Theil. III. Capitul. gierig, zu vernehmen, wie der Eingang der Rede geſchehen werde. Hier muß der Redner den er- ſten Eindruck von ihm und ſeiner Rede in den Ge- muͤthern der Zuhoͤrer wuͤrcken. Jſt der Anfang ſchlecht, ſo wird er ſich in ſchlechten Credit ſetzen, und ſie werden ſich von dem Fortgang der Rede nicht gar viel Gutes verſprechen. Es kan auch wohl geſchehen, daß einige, wenn er gar zu Anfang einen ziemlichen Fehler begehet, ein ſolch Geraͤuſch oder Gelaͤchter anfangen, daß er hernach in ſeinen Concepten verruͤckt und in voͤllige Unordnung hie- durch geſetzt wird. Macht er aber einen guten An- fang, ſo werden alle Zuhoͤrer eine gute Meynung von ihm erlangen, und er wird aus ihrer Begierde zur Aufmerckſamkeit, und aus ihren Geberden gleichſam wahrnehmen, daß ſie mit ſeinem Vortrag zufrieden ſind, und hiedurch ſelbſt in ſeinem Muth, weiter fortzureden, geſtaͤrcket werden. Bey die- ſer ihrer erſten und beſondern Aufmerckſamkeit wer- den ſie den Anfang einer Rede, die ihnen ſonderlich gefallen, auch lange im Gedaͤchtniß behalten, und wird alſo der Ruhm wegen ſeiner Wohlredenheit immer mehr und mehr ausgebreitet werden. Da es nun viel Leuten nicht gelegen iſt, ihre Gedancken eine lange Zeit in einer beſondern Aufmerckſamkeit zu erhalten, ſo werden auch viele von den Zuhoͤrern bey dem Fortgang einer Rede, zumahl, die etwas weit- laͤufftig abgefaßt, auf dasjenige, was in der Mitten vorkommt, nicht ſo genaue Acht haben. Spuͤhren ſie aber, daß eine Rede bald zu Ende gehet, ſo ſamm- let

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/340>, abgerufen am 22.11.2024.