ist die Güte des Höchsten zu preisen, daß der helle Glantz des Evangelii die dicken Nebel der heydni- schen Jrrthümer, die manche Handlungen unsrer Vorfahren bedrückt hielten, vertrieben; Es ist zu wünschen, daß wir so begierig werden möchten, die Sitten der ersten Christen, in so weit sie sich vor un- sere Zeiten und vor unsere Verfassung schicken, nachzuahmen, als unsere Vorfahren eifrig genug manche Gebräuche von den heydnischen Römern sich zuzueignen.
§. 18. Unsere teutsche Nation stehet zwar von ei- nigen Jahr-Hunderten her bereits in dem Ruff, daß sie sich mehr um das auswärtige als um das einhei- mische zu bekümmern pflege, und fremde Gebräuche lieber nachahme, als daß sie selbst drauf bedacht seyn solte, bey ihnen und durch sie etwas Gutes zu finden, es ist aber doch kein auswärtig Land bey ih- nen zu solchen Ansehen und zu solcher Hochachtung gekommen, ob wohl zu thren grösten Schaden, als Franckreich. Jch will hier nicht diejenigen Kla- gen, die andre deswegen angestimmt, wiederhohlen, sondern nur gedencken, daß von einigen Seculis her, da die Mode Touren unserer jetzigen Passagierer auf- gekommen, unsere teutsche Gebräuche sich mehr als die Helffte in Frantzösische verwandelt; es ist fast nicht eine eintzige Haupt-Classe, der zum Ceremo- nien-Wesen gehörigen Handlungen anzutreffen, die nicht aus Franckreich ihre Vorschrifft hohlen solte, weil die Vornehmsten unter uns in den Ge- dancken gestanden, Franckreich sey diejenige hohe
Schule
I. Theil. I. Capitul.
iſt die Guͤte des Hoͤchſten zu preiſen, daß der helle Glantz des Evangelii die dicken Nebel der heydni- ſchen Jrrthuͤmer, die manche Handlungen unſrer Vorfahren bedruͤckt hielten, vertrieben; Es iſt zu wuͤnſchen, daß wir ſo begierig werden moͤchten, die Sitten der erſten Chriſten, in ſo weit ſie ſich vor un- ſere Zeiten und vor unſere Verfaſſung ſchicken, nachzuahmen, als unſere Vorfahren eifrig genug manche Gebraͤuche von den heydniſchen Roͤmern ſich zuzueignen.
§. 18. Unſere teutſche Nation ſtehet zwar von ei- nigen Jahr-Hunderten her bereits in dem Ruff, daß ſie ſich mehr um das auswaͤrtige als um das einhei- miſche zu bekuͤmmern pflege, und fremde Gebraͤuche lieber nachahme, als daß ſie ſelbſt drauf bedacht ſeyn ſolte, bey ihnen und durch ſie etwas Gutes zu finden, es iſt aber doch kein auswaͤrtig Land bey ih- nen zu ſolchen Anſehen und zu ſolcher Hochachtung gekommen, ob wohl zu thren groͤſten Schaden, als Franckreich. Jch will hier nicht diejenigen Kla- gen, die andre deswegen angeſtimmt, wiederhohlen, ſondern nur gedencken, daß von einigen Seculis her, da die Mode Touren unſerer jetzigen Paſſagierer auf- gekommen, unſere teutſche Gebraͤuche ſich mehr als die Helffte in Frantzoͤſiſche verwandelt; es iſt faſt nicht eine eintzige Haupt-Claſſe, der zum Ceremo- nien-Weſen gehoͤrigen Handlungen anzutreffen, die nicht aus Franckreich ihre Vorſchrifft hohlen ſolte, weil die Vornehmſten unter uns in den Ge- dancken geſtanden, Franckreich ſey diejenige hohe
Schule
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I. Theil. I. Capitul.
iſt die Guͤte des Hoͤchſten zu preiſen, daß der helle
Glantz des Evangelii die dicken Nebel der heydni-
ſchen Jrrthuͤmer, die manche Handlungen unſrer
Vorfahren bedruͤckt hielten, vertrieben; Es iſt zu
wuͤnſchen, daß wir ſo begierig werden moͤchten, die
Sitten der erſten Chriſten, in ſo weit ſie ſich vor un-
ſere Zeiten und vor unſere Verfaſſung ſchicken,
nachzuahmen, als unſere Vorfahren eifrig genug
manche Gebraͤuche von den heydniſchen Roͤmern
ſich zuzueignen.
§. 18. Unſere teutſche Nation ſtehet zwar von ei-
nigen Jahr-Hunderten her bereits in dem Ruff, daß
ſie ſich mehr um das auswaͤrtige als um das einhei-
miſche zu bekuͤmmern pflege, und fremde Gebraͤuche
lieber nachahme, als daß ſie ſelbſt drauf bedacht
ſeyn ſolte, bey ihnen und durch ſie etwas Gutes zu
finden, es iſt aber doch kein auswaͤrtig Land bey ih-
nen zu ſolchen Anſehen und zu ſolcher Hochachtung
gekommen, ob wohl zu thren groͤſten Schaden, als
Franckreich. Jch will hier nicht diejenigen Kla-
gen, die andre deswegen angeſtimmt, wiederhohlen,
ſondern nur gedencken, daß von einigen Seculis her,
da die Mode Touren unſerer jetzigen Paſſagierer auf-
gekommen, unſere teutſche Gebraͤuche ſich mehr als
die Helffte in Frantzoͤſiſche verwandelt; es iſt faſt
nicht eine eintzige Haupt-Claſſe, der zum Ceremo-
nien-Weſen gehoͤrigen Handlungen anzutreffen,
die nicht aus Franckreich ihre Vorſchrifft hohlen
ſolte, weil die Vornehmſten unter uns in den Ge-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/34>, abgerufen am 23.11.2024.
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