§. 13. Bey Aussuchung und Anwendung der so genandten Realien, muß ein Redner eine gute Behutsamkeit gebrauchen, und gar wohl überlegen, ob dieses oder jenes Thema, Gleichniß, Zeugniß, u. s. w. den Zuhörern angenehm, seinen gegenwär- tigen Vortrag geziemend, und den Umständen des Orts und der Zeit, da er zu reden hat, gemäß sey. Ja auf gewisse Maße muß er auch den Character, den er selbst begleidet, in Betrachtung ziehen. Es würde einem Hof-Mann bey einer Hof-Rede nicht wohl anstehen, wenn er seine Rede mit solchen Sä- tzen, die aus den Autoribus classicis genommen wären, auszieren wolte. Redet man bey denen, die einer andern Religion zugethan, so muß man nichts in seiner Rede von den Schrifften erwehnen, die bey ihnen verhast sind. Hat man gelehrte Leu- te zu Zuhörern, kan man auch gelehrte Sachen in seiner Rede mit einmischen, hat man aber ungelehr- te vor sich, so muß man sich auch in diesem Stück nach ihnen richten. Es würde über die Maßen abgeschmackt heraus kommen, wenn ein Redner bey einer Gesellschafft, die grösten theils aus Frau- enzimmer und Hof-Leuten bestünde, solche Sachen vorbrächte, zu denen eine tieffe Erkäntniß der Meta- physica erfordert wird. Er würde bey den grö- sten Schätzen seiner vermeinten Weißheit vor thö- richt angesehen werden. Muß man sich in der ge- meinen Conversation nach den Begriffen derer richten, mit denen man zu reden hat, so ist dieses bey den öffentlichen Reden ja eben so nöthig.
§. 14.
II. Theil. III. Capitul.
§. 13. Bey Ausſuchung und Anwendung der ſo genandten Realien, muß ein Redner eine gute Behutſamkeit gebrauchen, und gar wohl uͤberlegen, ob dieſes oder jenes Thema, Gleichniß, Zeugniß, u. ſ. w. den Zuhoͤrern angenehm, ſeinen gegenwaͤr- tigen Vortrag geziemend, und den Umſtaͤnden des Orts und der Zeit, da er zu reden hat, gemaͤß ſey. Ja auf gewiſſe Maße muß er auch den Character, den er ſelbſt begleidet, in Betrachtung ziehen. Es wuͤrde einem Hof-Mann bey einer Hof-Rede nicht wohl anſtehen, wenn er ſeine Rede mit ſolchen Saͤ- tzen, die aus den Autoribus claſſicis genommen waͤren, auszieren wolte. Redet man bey denen, die einer andern Religion zugethan, ſo muß man nichts in ſeiner Rede von den Schrifften erwehnen, die bey ihnen verhaſt ſind. Hat man gelehrte Leu- te zu Zuhoͤrern, kan man auch gelehrte Sachen in ſeiner Rede mit einmiſchen, hat man aber ungelehr- te vor ſich, ſo muß man ſich auch in dieſem Stuͤck nach ihnen richten. Es wuͤrde uͤber die Maßen abgeſchmackt heraus kommen, wenn ein Redner bey einer Geſellſchafft, die groͤſten theils aus Frau- enzimmer und Hof-Leuten beſtuͤnde, ſolche Sachen vorbraͤchte, zu denen eine tieffe Erkaͤntniß der Meta- phyſica erfordert wird. Er wuͤrde bey den groͤ- ſten Schaͤtzen ſeiner vermeinten Weißheit vor thoͤ- richt angeſehen werden. Muß man ſich in der ge- meinen Converſation nach den Begriffen derer richten, mit denen man zu reden hat, ſo iſt dieſes bey den oͤffentlichen Reden ja eben ſo noͤthig.
§. 14.
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II. Theil. III. Capitul.
§. 13. Bey Ausſuchung und Anwendung der
ſo genandten Realien, muß ein Redner eine gute
Behutſamkeit gebrauchen, und gar wohl uͤberlegen,
ob dieſes oder jenes Thema, Gleichniß, Zeugniß,
u. ſ. w. den Zuhoͤrern angenehm, ſeinen gegenwaͤr-
tigen Vortrag geziemend, und den Umſtaͤnden des
Orts und der Zeit, da er zu reden hat, gemaͤß ſey.
Ja auf gewiſſe Maße muß er auch den Character,
den er ſelbſt begleidet, in Betrachtung ziehen. Es
wuͤrde einem Hof-Mann bey einer Hof-Rede nicht
wohl anſtehen, wenn er ſeine Rede mit ſolchen Saͤ-
tzen, die aus den Autoribus claſſicis genommen
waͤren, auszieren wolte. Redet man bey denen,
die einer andern Religion zugethan, ſo muß man
nichts in ſeiner Rede von den Schrifften erwehnen,
die bey ihnen verhaſt ſind. Hat man gelehrte Leu-
te zu Zuhoͤrern, kan man auch gelehrte Sachen in
ſeiner Rede mit einmiſchen, hat man aber ungelehr-
te vor ſich, ſo muß man ſich auch in dieſem Stuͤck
nach ihnen richten. Es wuͤrde uͤber die Maßen
abgeſchmackt heraus kommen, wenn ein Redner
bey einer Geſellſchafft, die groͤſten theils aus Frau-
enzimmer und Hof-Leuten beſtuͤnde, ſolche Sachen
vorbraͤchte, zu denen eine tieffe Erkaͤntniß der Meta-
phyſica erfordert wird. Er wuͤrde bey den groͤ-
ſten Schaͤtzen ſeiner vermeinten Weißheit vor thoͤ-
richt angeſehen werden. Muß man ſich in der ge-
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den oͤffentlichen Reden ja eben ſo noͤthig.
§. 14.
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/332>, abgerufen am 22.11.2024.
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