muß ihn nicht so pathetisch einrichten, wie einige Priester auf der Cantzel, noch weniger den Comoe- dianten auf dem Theatro nachahmen.
§. 7. Er muß auf seine Minen des Gesichts, und auf alle Geberden der Glieder des Leibes, und Stel- lungen der Hände und Füsse wohl Acht haben, sin- temahl das äusserliche Wesen seinen künfftigen Zu- hörern zu allererst in die Augen fällt, und auch offt es die ungeschicktesten, von dem äusserlichen Wesen zu urtheilen, fähig, oder doch gewohnt sind. Er gewinnet am ehesten die Gunst der Zuhörer, wenn er seinen vernünfftigen Vortrag auch mit einer ma- nierlichen Geberdung vergesellschafftet. Er muß mit einer freymüthigen und zugleich sittsamen Mine vor der Gesellschafft, vor der er reden soll, erscheinen. Leuchtet ihm die Angst und Furcht aus den Augen, so wird man sich von dem Fortgang seiner Rede nicht viel Gutes versprechen. Die unterschiedenen Fälle, nach deren Veranlassung er zu reden hat, müssen ihm den übrigen Unterschied der Minen des Gesichts an die Hand geben: Also muß ein Red- ner, der seine Untergebenen im Kriege zu einer scharffen Attaque oder Defension wider den Feind aufmuntern will, sie durch seine behertzte, feurige und rachgierige Mine so wohl anfrischen, als durch seine Worte. Ein junger Cavalier, der bey einem vor- nehmen Hochzeit-Festin der Fräulein Braut den Stroh-Crantz überbringt, muß bey der dabey zu haltenden Rede mit einer freundlichen Mine erschei- nen. Ein Minister, der gegen Geringere einen An-
trag
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Von Ablegung oͤffentlicher Reden.
muß ihn nicht ſo pathetiſch einrichten, wie einige Prieſter auf der Cantzel, noch weniger den Comœ- dianten auf dem Theatro nachahmen.
§. 7. Er muß auf ſeine Minen des Geſichts, und auf alle Geberden der Glieder des Leibes, und Stel- lungen der Haͤnde und Fuͤſſe wohl Acht haben, ſin- temahl das aͤuſſerliche Weſen ſeinen kuͤnfftigen Zu- hoͤrern zu allererſt in die Augen faͤllt, und auch offt es die ungeſchickteſten, von dem aͤuſſerlichen Weſen zu urtheilen, faͤhig, oder doch gewohnt ſind. Er gewinnet am eheſten die Gunſt der Zuhoͤrer, wenn er ſeinen vernuͤnfftigen Vortrag auch mit einer ma- nierlichen Geberdung vergeſellſchafftet. Er muß mit einer freymuͤthigen und zugleich ſittſamen Mine vor der Geſellſchafft, vor der er reden ſoll, erſcheinen. Leuchtet ihm die Angſt und Furcht aus den Augen, ſo wird man ſich von dem Fortgang ſeiner Rede nicht viel Gutes verſprechen. Die unterſchiedenen Faͤlle, nach deren Veranlaſſung er zu reden hat, muͤſſen ihm den uͤbrigen Unterſchied der Minen des Geſichts an die Hand geben: Alſo muß ein Red- ner, der ſeine Untergebenen im Kriege zu einer ſcharffen Attaque oder Defenſion wider den Feind aufmuntern will, ſie durch ſeine behertzte, feurige und rachgierige Mine ſo wohl anfriſchen, als durch ſeine Worte. Ein junger Cavalier, der bey einem vor- nehmen Hochzeit-Feſtin der Fraͤulein Braut den Stroh-Crantz uͤberbringt, muß bey der dabey zu haltenden Rede mit einer freundlichen Mine erſchei- nen. Ein Miniſter, der gegen Geringere einen An-
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Von Ablegung oͤffentlicher Reden.
muß ihn nicht ſo pathetiſch einrichten, wie einige
Prieſter auf der Cantzel, noch weniger den Comœ-
dianten auf dem Theatro nachahmen.
§. 7. Er muß auf ſeine Minen des Geſichts, und
auf alle Geberden der Glieder des Leibes, und Stel-
lungen der Haͤnde und Fuͤſſe wohl Acht haben, ſin-
temahl das aͤuſſerliche Weſen ſeinen kuͤnfftigen Zu-
hoͤrern zu allererſt in die Augen faͤllt, und auch offt
es die ungeſchickteſten, von dem aͤuſſerlichen Weſen
zu urtheilen, faͤhig, oder doch gewohnt ſind. Er
gewinnet am eheſten die Gunſt der Zuhoͤrer, wenn
er ſeinen vernuͤnfftigen Vortrag auch mit einer ma-
nierlichen Geberdung vergeſellſchafftet. Er muß
mit einer freymuͤthigen und zugleich ſittſamen Mine
vor der Geſellſchafft, vor der er reden ſoll, erſcheinen.
Leuchtet ihm die Angſt und Furcht aus den Augen,
ſo wird man ſich von dem Fortgang ſeiner Rede
nicht viel Gutes verſprechen. Die unterſchiedenen
Faͤlle, nach deren Veranlaſſung er zu reden hat,
muͤſſen ihm den uͤbrigen Unterſchied der Minen des
Geſichts an die Hand geben: Alſo muß ein Red-
ner, der ſeine Untergebenen im Kriege zu einer
ſcharffen Attaque oder Defenſion wider den Feind
aufmuntern will, ſie durch ſeine behertzte, feurige und
rachgierige Mine ſo wohl anfriſchen, als durch ſeine
Worte. Ein junger Cavalier, der bey einem vor-
nehmen Hochzeit-Feſtin der Fraͤulein Braut den
Stroh-Crantz uͤberbringt, muß bey der dabey zu
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/327>, abgerufen am 22.11.2024.
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