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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Vom Gottesdienst.
nen von bürgerlichem Stande, die in der Galan-
terie
andere übertreffen wollen, zu der Zeit, wenn
vor oder nach Tische gebetet wird, weder die Hän-
de aufheben, noch mit dem Munde anzeigen, daß sie
mitbeteten, sondern davor die Hände in den Rock
stecken, sich also eine besondere Air geben und ent-
weder gar nicht, oder doch cavalierement beten wol-
len, und sich in ihrer äusserlichen Mine von andern
absondern. Sie stehen mehrentheils in den Ge-
dancken, es sey einerley, ob man die Hände nach der
gewöhnlichen Weise zu GOtt aufhübe, oder nicht,
wenn nur das Hertz in Andacht zu GOtt gerichtet
wäre. Nun lasse ichs zwar dahin gestellet seyn, wie
weit sich der Eifer im Gebet bey dergleichen Leuten
erstrecke, ich will und kan dieses nicht beurtheilen,
sondern es dem Hertzens-Kündiger überlassen, auch
die Argumenta derer Herren Theologorum, da-
durch sie, nach gewissen Gründen des Wortes
GOttes, auch das äusserliche Aufheben der Hände
anrathen, als hieher nicht gehörige, nicht anführen,
sondern nur folgendes solchen Leuten zur Uberlegung
anheim stellen: Gesetzt, daß das Aufheben der
Hände eine gleichgültige Sache wäre, so ist dieses
doch ein Gebrauch, der von sehr alten Zeiten bey den
Christen eingeführt, und beständig unter ihnen in
Obacht genommen worden; nun richten sie sich ja
bey allen ihren Handlungen so gerne nach andern
Leuten, und wollen sich von nichts, was durch die
Observanz hergebracht, ausschliessen. Sie neh-
men den Satz: es ist einmahl so eingeführt, vor

einen
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Vom Gottesdienſt.
nen von buͤrgerlichem Stande, die in der Galan-
terie
andere uͤbertreffen wollen, zu der Zeit, wenn
vor oder nach Tiſche gebetet wird, weder die Haͤn-
de aufheben, noch mit dem Munde anzeigen, daß ſie
mitbeteten, ſondern davor die Haͤnde in den Rock
ſtecken, ſich alſo eine beſondere Air geben und ent-
weder gar nicht, oder doch cavalierement beten wol-
len, und ſich in ihrer aͤuſſerlichen Mine von andern
abſondern. Sie ſtehen mehrentheils in den Ge-
dancken, es ſey einerley, ob man die Haͤnde nach der
gewoͤhnlichen Weiſe zu GOtt aufhuͤbe, oder nicht,
wenn nur das Hertz in Andacht zu GOtt gerichtet
waͤre. Nun laſſe ichs zwar dahin geſtellet ſeyn, wie
weit ſich der Eifer im Gebet bey dergleichen Leuten
erſtrecke, ich will und kan dieſes nicht beurtheilen,
ſondern es dem Hertzens-Kuͤndiger uͤberlaſſen, auch
die Argumenta derer Herren Theologorum, da-
durch ſie, nach gewiſſen Gruͤnden des Wortes
GOttes, auch das aͤuſſerliche Aufheben der Haͤnde
anrathen, als hieher nicht gehoͤrige, nicht anfuͤhren,
ſondern nur folgendes ſolchen Leuten zur Uberlegung
anheim ſtellen: Geſetzt, daß das Aufheben der
Haͤnde eine gleichguͤltige Sache waͤre, ſo iſt dieſes
doch ein Gebrauch, der von ſehr alten Zeiten bey den
Chriſten eingefuͤhrt, und beſtaͤndig unter ihnen in
Obacht genommen worden; nun richten ſie ſich ja
bey allen ihren Handlungen ſo gerne nach andern
Leuten, und wollen ſich von nichts, was durch die
Obſervanz hergebracht, ausſchlieſſen. Sie neh-
men den Satz: es iſt einmahl ſo eingefuͤhrt, vor

einen
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[265/0285] Vom Gottesdienſt. nen von buͤrgerlichem Stande, die in der Galan- terie andere uͤbertreffen wollen, zu der Zeit, wenn vor oder nach Tiſche gebetet wird, weder die Haͤn- de aufheben, noch mit dem Munde anzeigen, daß ſie mitbeteten, ſondern davor die Haͤnde in den Rock ſtecken, ſich alſo eine beſondere Air geben und ent- weder gar nicht, oder doch cavalierement beten wol- len, und ſich in ihrer aͤuſſerlichen Mine von andern abſondern. Sie ſtehen mehrentheils in den Ge- dancken, es ſey einerley, ob man die Haͤnde nach der gewoͤhnlichen Weiſe zu GOtt aufhuͤbe, oder nicht, wenn nur das Hertz in Andacht zu GOtt gerichtet waͤre. Nun laſſe ichs zwar dahin geſtellet ſeyn, wie weit ſich der Eifer im Gebet bey dergleichen Leuten erſtrecke, ich will und kan dieſes nicht beurtheilen, ſondern es dem Hertzens-Kuͤndiger uͤberlaſſen, auch die Argumenta derer Herren Theologorum, da- durch ſie, nach gewiſſen Gruͤnden des Wortes GOttes, auch das aͤuſſerliche Aufheben der Haͤnde anrathen, als hieher nicht gehoͤrige, nicht anfuͤhren, ſondern nur folgendes ſolchen Leuten zur Uberlegung anheim ſtellen: Geſetzt, daß das Aufheben der Haͤnde eine gleichguͤltige Sache waͤre, ſo iſt dieſes doch ein Gebrauch, der von ſehr alten Zeiten bey den Chriſten eingefuͤhrt, und beſtaͤndig unter ihnen in Obacht genommen worden; nun richten ſie ſich ja bey allen ihren Handlungen ſo gerne nach andern Leuten, und wollen ſich von nichts, was durch die Obſervanz hergebracht, ausſchlieſſen. Sie neh- men den Satz: es iſt einmahl ſo eingefuͤhrt, vor einen R 5

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/285>, abgerufen am 24.06.2024.