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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. I. Capitul.
auch wohl nach Gelegenheit die Zuschauer und Zu-
hörer einer gewissen Pflicht erinnern soll. Ein Ge-
brauch aber ist die Art und Weise einer gewissen äus-
serlichen Handlung, die an diesem oder jenem Or-
te, zu dieser oder jener Zeit, von den meisten oder von
den vornehmsten, vor gut befunden, und von den
andern, die sich deren Willen der meisten oder der
vornehmsten gefällig erzeigen wollen, nachgerechnet
wird. Zu Erfindung der Ceremonien hat mehr
Witz gehöret, und hat man dabey auf einen guten
oder doch auf einigen Grund gesehen, da hingegen
viel Gebräuche ohne Raison, bloß durch den Willen
der Menschen, entstanden. Da es bey Abhand-
lungen dieser Materie keinen Jrrthum abgeben
wird, so will ich mir in dieser Schrifft, so wohl als
meine Vorgänger, die Freyheit nehmen, die Cere-
moni
en und Gebräuche vor einerley zu halten, und
mich bald diesen, bald jenen Wortes bedienen.

§. 10. Die Lehre von den Gebräuchen, hat bey
nahe ein gleiches Alter mit dem menschlichen Ge-
schlecht. So bald einige Gemeinden entstanden,
und mancherley bürgerliche Handlungen unter-
nommen worden, so bald hat man angefangen ei-
nigen äußerlichen Handlungen eine gute Weise zu
geben, die vor wohlanständig gehalten worden,
man hat angefangen, durch dieses oder jenes äußer-
liche Zeichen, andere gewisser Pflichten zu erinnern,
nicht weniger hat man sich angelegen seyn lassen die-
jenigen, die man entweder wegen ihrer Macht ge-
fürchtet, oder wegen ihrer Vollkommenheiten, die

man

I. Theil. I. Capitul.
auch wohl nach Gelegenheit die Zuſchauer und Zu-
hoͤrer einer gewiſſen Pflicht erinnern ſoll. Ein Ge-
brauch aber iſt die Art und Weiſe einer gewiſſen aͤuſ-
ſerlichen Handlung, die an dieſem oder jenem Or-
te, zu dieſer oder jener Zeit, von den meiſten oder von
den vornehmſten, vor gut befunden, und von den
andern, die ſich deren Willen der meiſten oder der
vornehmſten gefaͤllig erzeigen wollen, nachgerechnet
wird. Zu Erfindung der Ceremonien hat mehr
Witz gehoͤret, und hat man dabey auf einen guten
oder doch auf einigen Grund geſehen, da hingegen
viel Gebraͤuche ohne Raiſon, bloß durch den Willen
der Menſchen, entſtanden. Da es bey Abhand-
lungen dieſer Materie keinen Jrrthum abgeben
wird, ſo will ich mir in dieſer Schrifft, ſo wohl als
meine Vorgaͤnger, die Freyheit nehmen, die Cere-
moni
en und Gebraͤuche vor einerley zu halten, und
mich bald dieſen, bald jenen Wortes bedienen.

§. 10. Die Lehre von den Gebraͤuchen, hat bey
nahe ein gleiches Alter mit dem menſchlichen Ge-
ſchlecht. So bald einige Gemeinden entſtanden,
und mancherley buͤrgerliche Handlungen unter-
nommen worden, ſo bald hat man angefangen ei-
nigen aͤußerlichen Handlungen eine gute Weiſe zu
geben, die vor wohlanſtaͤndig gehalten worden,
man hat angefangen, durch dieſes oder jenes aͤußer-
liche Zeichen, andere gewiſſer Pflichten zu erinnern,
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[8/0028] I. Theil. I. Capitul. auch wohl nach Gelegenheit die Zuſchauer und Zu- hoͤrer einer gewiſſen Pflicht erinnern ſoll. Ein Ge- brauch aber iſt die Art und Weiſe einer gewiſſen aͤuſ- ſerlichen Handlung, die an dieſem oder jenem Or- te, zu dieſer oder jener Zeit, von den meiſten oder von den vornehmſten, vor gut befunden, und von den andern, die ſich deren Willen der meiſten oder der vornehmſten gefaͤllig erzeigen wollen, nachgerechnet wird. Zu Erfindung der Ceremonien hat mehr Witz gehoͤret, und hat man dabey auf einen guten oder doch auf einigen Grund geſehen, da hingegen viel Gebraͤuche ohne Raiſon, bloß durch den Willen der Menſchen, entſtanden. Da es bey Abhand- lungen dieſer Materie keinen Jrrthum abgeben wird, ſo will ich mir in dieſer Schrifft, ſo wohl als meine Vorgaͤnger, die Freyheit nehmen, die Cere- monien und Gebraͤuche vor einerley zu halten, und mich bald dieſen, bald jenen Wortes bedienen. §. 10. Die Lehre von den Gebraͤuchen, hat bey nahe ein gleiches Alter mit dem menſchlichen Ge- ſchlecht. So bald einige Gemeinden entſtanden, und mancherley buͤrgerliche Handlungen unter- nommen worden, ſo bald hat man angefangen ei- nigen aͤußerlichen Handlungen eine gute Weiſe zu geben, die vor wohlanſtaͤndig gehalten worden, man hat angefangen, durch dieſes oder jenes aͤußer- liche Zeichen, andere gewiſſer Pflichten zu erinnern, nicht weniger hat man ſich angelegen ſeyn laſſen die- jenigen, die man entweder wegen ihrer Macht ge- fuͤrchtet, oder wegen ihrer Vollkommenheiten, die man

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/28>, abgerufen am 29.03.2024.