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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. VIII. Capitul.
Nutzen und Ehre zu negociren, so beobachtet er in
allen Stücken seine ihm mitgegebene Instruction,
damit er allenthalben die Pflicht eines treuen Die-
ners beobachten, und weder bey dem Range noch
in dem andern das Ceremoniel angehenden Pun-
cten seiner Herrschafft etwas vergeben möge.

§. 29. Bey manchen Umständen findet er vor
nöthig, sich eine Zeitlang vom Hofe zu entfernen,
und nur dann und wann der Herrschafft zu zeigen.
Große Herren haben bißweilen mehr Gnade vor
die Diener, die sie selten sehen, als vor diejenigen,
die ihnen alle Tage vor dem Augen herum gehen,
und stets auf dem Fusse nachfolgen.

§. 30. Jst er in einige Ungnade gefallen, so be-
mühet er sich den Grund der Ungnade zu entdecken,
er überdencket so viel als möglich, alle seine Wor-
te und Handlungen, und hält solche gegen die Nei-
gungen seiner Herrschafft, und nach dem was ihr
gefällig oder mißfällig, er erweget auf das sorgfäl-
tigste, wie er sich eine Zeitlang, so wohl gegen seine
Herrschafft, als auch gegen die Ministres, gegen die
Favores und andere bezeuget. Befindet er nun,
daß er durch einig Versehen zur Ungnade selbst Ge-
legenheit gegeben, so erkennt er alsobald seine eigene
Fehler, depreciret solche bey der Herrschafft auf
das flehentlichste und submisseste, und ersucht auch
andere, die bey der Herrschafft wohl angesehen, daß

sie

I. Theil. VIII. Capitul.
Nutzen und Ehre zu negociren, ſo beobachtet er in
allen Stuͤcken ſeine ihm mitgegebene Inſtruction,
damit er allenthalben die Pflicht eines treuen Die-
ners beobachten, und weder bey dem Range noch
in dem andern das Ceremoniel angehenden Pun-
cten ſeiner Herrſchafft etwas vergeben moͤge.

§. 29. Bey manchen Umſtaͤnden findet er vor
noͤthig, ſich eine Zeitlang vom Hofe zu entfernen,
und nur dann und wann der Herrſchafft zu zeigen.
Große Herren haben bißweilen mehr Gnade vor
die Diener, die ſie ſelten ſehen, als vor diejenigen,
die ihnen alle Tage vor dem Augen herum gehen,
und ſtets auf dem Fuſſe nachfolgen.

§. 30. Jſt er in einige Ungnade gefallen, ſo be-
muͤhet er ſich den Grund der Ungnade zu entdecken,
er uͤberdencket ſo viel als moͤglich, alle ſeine Wor-
te und Handlungen, und haͤlt ſolche gegen die Nei-
gungen ſeiner Herrſchafft, und nach dem was ihr
gefaͤllig oder mißfaͤllig, er erweget auf das ſorgfaͤl-
tigſte, wie er ſich eine Zeitlang, ſo wohl gegen ſeine
Herrſchafft, als auch gegen die Miniſtres, gegen die
Favores und andere bezeuget. Befindet er nun,
daß er durch einig Verſehen zur Ungnade ſelbſt Ge-
legenheit gegeben, ſo erkennt er alſobald ſeine eigene
Fehler, depreciret ſolche bey der Herrſchafft auf
das flehentlichſte und ſubmiſſeſte, und erſucht auch
andere, die bey der Herrſchafft wohl angeſehen, daß

ſie
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[242/0262] I. Theil. VIII. Capitul. Nutzen und Ehre zu negociren, ſo beobachtet er in allen Stuͤcken ſeine ihm mitgegebene Inſtruction, damit er allenthalben die Pflicht eines treuen Die- ners beobachten, und weder bey dem Range noch in dem andern das Ceremoniel angehenden Pun- cten ſeiner Herrſchafft etwas vergeben moͤge. §. 29. Bey manchen Umſtaͤnden findet er vor noͤthig, ſich eine Zeitlang vom Hofe zu entfernen, und nur dann und wann der Herrſchafft zu zeigen. Große Herren haben bißweilen mehr Gnade vor die Diener, die ſie ſelten ſehen, als vor diejenigen, die ihnen alle Tage vor dem Augen herum gehen, und ſtets auf dem Fuſſe nachfolgen. §. 30. Jſt er in einige Ungnade gefallen, ſo be- muͤhet er ſich den Grund der Ungnade zu entdecken, er uͤberdencket ſo viel als moͤglich, alle ſeine Wor- te und Handlungen, und haͤlt ſolche gegen die Nei- gungen ſeiner Herrſchafft, und nach dem was ihr gefaͤllig oder mißfaͤllig, er erweget auf das ſorgfaͤl- tigſte, wie er ſich eine Zeitlang, ſo wohl gegen ſeine Herrſchafft, als auch gegen die Miniſtres, gegen die Favores und andere bezeuget. Befindet er nun, daß er durch einig Verſehen zur Ungnade ſelbſt Ge- legenheit gegeben, ſo erkennt er alſobald ſeine eigene Fehler, depreciret ſolche bey der Herrſchafft auf das flehentlichſte und ſubmiſſeſte, und erſucht auch andere, die bey der Herrſchafft wohl angeſehen, daß ſie

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/262>, abgerufen am 22.11.2024.