dern Europäischen Provintzien, Christliche und tu- gendhaffte Regenten gegeben, und giebet deren noch. Und gesetzt, daß auch manche Herrschafft die Erfüllung ihrer eigenen Lust, zur Richtschnur ih- res Thuns und Lassens, annehmen solte, und dabey GOtt und die Religion aus den Augen setzen, so wird es ihr doch nicht allezeit gefallen, wenn ihre Diener alle ihre Befehle auf eine unbesonnene Art ausrichten, und den grossen GOtt dabey gäntzlich aus den Augen setzen wollten. Grosse Herren lie- ben bißweilen die Laster, hassen aber die Lasterhaff- ten. Es hat wohl eher ein Hof-Mann über dem Unternehmen einer gottlosen Handlung einen un- vermutheten Abschied bekommen, mit dem Zusatz, daß man sich von demjenigen, der GOtt nicht ge- treu wäre, keine treuen Dienste versprechen könte. Manche Herrschafft stellt ihre Diener bey diesem oder jenem auf die Probe, sie erkennet das Unrecht dieser oder jener That vorher, und ihr Befehl hiezu ist nicht recht ernstlich, mehrmahls aber nachher, sie schämen sich ihrer ertheilten Ordre, die geschehene Mißhandlung gereuet ihnen, und ist unwillig, daß ihre Diener einen so blinden Gehorsam geleistet.
§. 4. Ob nun schon die Hof-Regeln und die Regeln des Christenthums nicht allezeit mit einan- der übereinstimmen, so ist dennoch aus der Erfah- rung der ältern und neuern Zeiten, aus geistlichen und weltlichen Geschichten bekandt, daß einige gute Hof-Leute auch zugleich wahre Gläubige gewesen, und ihren GOtt gefürchtet und geliebet. Es flies-
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Von dem Hof-Leben.
dern Europaͤiſchen Provintzien, Chriſtliche und tu- gendhaffte Regenten gegeben, und giebet deren noch. Und geſetzt, daß auch manche Herrſchafft die Erfuͤllung ihrer eigenen Luſt, zur Richtſchnur ih- res Thuns und Laſſens, annehmen ſolte, und dabey GOtt und die Religion aus den Augen ſetzen, ſo wird es ihr doch nicht allezeit gefallen, wenn ihre Diener alle ihre Befehle auf eine unbeſonnene Art ausrichten, und den groſſen GOtt dabey gaͤntzlich aus den Augen ſetzen wollten. Groſſe Herren lie- ben bißweilen die Laſter, haſſen aber die Laſterhaff- ten. Es hat wohl eher ein Hof-Mann uͤber dem Unternehmen einer gottloſen Handlung einen un- vermutheten Abſchied bekommen, mit dem Zuſatz, daß man ſich von demjenigen, der GOtt nicht ge- treu waͤre, keine treuen Dienſte verſprechen koͤnte. Manche Herrſchafft ſtellt ihre Diener bey dieſem oder jenem auf die Probe, ſie erkennet das Unrecht dieſer oder jener That vorher, und ihr Befehl hiezu iſt nicht recht ernſtlich, mehrmahls aber nachher, ſie ſchaͤmen ſich ihrer ertheilten Ordre, die geſchehene Mißhandlung gereuet ihnen, und iſt unwillig, daß ihre Diener einen ſo blinden Gehorſam geleiſtet.
§. 4. Ob nun ſchon die Hof-Regeln und die Regeln des Chriſtenthums nicht allezeit mit einan- der uͤbereinſtimmen, ſo iſt dennoch aus der Erfah- rung der aͤltern und neuern Zeiten, aus geiſtlichen und weltlichen Geſchichten bekandt, daß einige gute Hof-Leute auch zugleich wahre Glaͤubige geweſen, und ihren GOtt gefuͤrchtet und geliebet. Es flieſ-
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Von dem Hof-Leben.
dern Europaͤiſchen Provintzien, Chriſtliche und tu-
gendhaffte Regenten gegeben, und giebet deren
noch. Und geſetzt, daß auch manche Herrſchafft
die Erfuͤllung ihrer eigenen Luſt, zur Richtſchnur ih-
res Thuns und Laſſens, annehmen ſolte, und dabey
GOtt und die Religion aus den Augen ſetzen, ſo
wird es ihr doch nicht allezeit gefallen, wenn ihre
Diener alle ihre Befehle auf eine unbeſonnene Art
ausrichten, und den groſſen GOtt dabey gaͤntzlich
aus den Augen ſetzen wollten. Groſſe Herren lie-
ben bißweilen die Laſter, haſſen aber die Laſterhaff-
ten. Es hat wohl eher ein Hof-Mann uͤber dem
Unternehmen einer gottloſen Handlung einen un-
vermutheten Abſchied bekommen, mit dem Zuſatz,
daß man ſich von demjenigen, der GOtt nicht ge-
treu waͤre, keine treuen Dienſte verſprechen koͤnte.
Manche Herrſchafft ſtellt ihre Diener bey dieſem
oder jenem auf die Probe, ſie erkennet das Unrecht
dieſer oder jener That vorher, und ihr Befehl hiezu
iſt nicht recht ernſtlich, mehrmahls aber nachher, ſie
ſchaͤmen ſich ihrer ertheilten Ordre, die geſchehene
Mißhandlung gereuet ihnen, und iſt unwillig, daß
ihre Diener einen ſo blinden Gehorſam geleiſtet.
§. 4. Ob nun ſchon die Hof-Regeln und die
Regeln des Chriſtenthums nicht allezeit mit einan-
der uͤbereinſtimmen, ſo iſt dennoch aus der Erfah-
rung der aͤltern und neuern Zeiten, aus geiſtlichen
und weltlichen Geſchichten bekandt, daß einige gute
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/245>, abgerufen am 16.02.2025.
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