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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. VII. Capitul.
Oertern zum überflüßigen Trunck gezwungen wür-
de. Das unmenschliche Forciren herrschet mehr
unter dem rohen Volck außer den Höfen, als an
Höfen selbst. Wer sich in den übrigen Stücken
manierlich aufzuführen weiß, wird sich weder bey
Herrschafft noch den Hof-Leuten in Disrenomee
setzen, ob er schon eben nicht die grösten Humpen
ausleeret.

§. 19. Einige von den jungen Leuten gedencken
dadurch ihren Hof-Mann am besten zu machen,
wenn sie sich vor dem Gesicht der Durchlauchtig-
sten Herrschafften, oder außer ihrem Gesichte in ih-
ren Reden und Handlungen sehr frey bezeugen.
Da sie gehört, daß man sich allezeit an die vor-
nehmsten adressiren soll, so suchen sie zu ihrem Ge-
spräch die vornehmsten Dames und grösten Mini-
ster
auf, und verfolgen sie fast auf allen Tritten
und Schritten. Ob nun wohl dergleichen frey-
müthiges Wesen bey einigen, die sich sonst sehr qua-
lifici
rt bezeugen, entweder in Ansehung ihrer übri-
gen Verdienste, oder ihrer vornehmen Familie und
Anverwandtschafften wegen entschuldiget wird, so
ist doch dergleichen allzugroße Freyheit andern jun-
gen Leuten deswegen nicht als eine Regel vorge-
schrieben; sie werden vor allzu nasenweiß geachtet,
legen ihren großen Hochmuth an den Tag, machen
sich bey andern Hof-Leuten, die ihnen gleichsam zu
ihrem Umgang nicht gut genug sind, gehäßig, und
bekommen auch wohl bißweilen von einer Dame,
oder von einem Minister, denen ihre Gesellschafft

nicht

I. Theil. VII. Capitul.
Oertern zum uͤberfluͤßigen Trunck gezwungen wuͤr-
de. Das unmenſchliche Forciren herrſchet mehr
unter dem rohen Volck außer den Hoͤfen, als an
Hoͤfen ſelbſt. Wer ſich in den uͤbrigen Stuͤcken
manierlich aufzufuͤhren weiß, wird ſich weder bey
Herrſchafft noch den Hof-Leuten in Diſrenomèe
ſetzen, ob er ſchon eben nicht die groͤſten Humpen
ausleeret.

§. 19. Einige von den jungen Leuten gedencken
dadurch ihren Hof-Mann am beſten zu machen,
wenn ſie ſich vor dem Geſicht der Durchlauchtig-
ſten Herrſchafften, oder außer ihrem Geſichte in ih-
ren Reden und Handlungen ſehr frey bezeugen.
Da ſie gehoͤrt, daß man ſich allezeit an die vor-
nehmſten adreſſiren ſoll, ſo ſuchen ſie zu ihrem Ge-
ſpraͤch die vornehmſten Dames und groͤſten Mini-
ſter
auf, und verfolgen ſie faſt auf allen Tritten
und Schritten. Ob nun wohl dergleichen frey-
muͤthiges Weſen bey einigen, die ſich ſonſt ſehr qua-
lifici
rt bezeugen, entweder in Anſehung ihrer uͤbri-
gen Verdienſte, oder ihrer vornehmen Familie und
Anverwandtſchafften wegen entſchuldiget wird, ſo
iſt doch dergleichen allzugroße Freyheit andern jun-
gen Leuten deswegen nicht als eine Regel vorge-
ſchrieben; ſie werden vor allzu naſenweiß geachtet,
legen ihren großen Hochmuth an den Tag, machen
ſich bey andern Hof-Leuten, die ihnen gleichſam zu
ihrem Umgang nicht gut genug ſind, gehaͤßig, und
bekommen auch wohl bißweilen von einer Dame,
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[214/0234] I. Theil. VII. Capitul. Oertern zum uͤberfluͤßigen Trunck gezwungen wuͤr- de. Das unmenſchliche Forciren herrſchet mehr unter dem rohen Volck außer den Hoͤfen, als an Hoͤfen ſelbſt. Wer ſich in den uͤbrigen Stuͤcken manierlich aufzufuͤhren weiß, wird ſich weder bey Herrſchafft noch den Hof-Leuten in Diſrenomèe ſetzen, ob er ſchon eben nicht die groͤſten Humpen ausleeret. §. 19. Einige von den jungen Leuten gedencken dadurch ihren Hof-Mann am beſten zu machen, wenn ſie ſich vor dem Geſicht der Durchlauchtig- ſten Herrſchafften, oder außer ihrem Geſichte in ih- ren Reden und Handlungen ſehr frey bezeugen. Da ſie gehoͤrt, daß man ſich allezeit an die vor- nehmſten adreſſiren ſoll, ſo ſuchen ſie zu ihrem Ge- ſpraͤch die vornehmſten Dames und groͤſten Mini- ſter auf, und verfolgen ſie faſt auf allen Tritten und Schritten. Ob nun wohl dergleichen frey- muͤthiges Weſen bey einigen, die ſich ſonſt ſehr qua- lificirt bezeugen, entweder in Anſehung ihrer uͤbri- gen Verdienſte, oder ihrer vornehmen Familie und Anverwandtſchafften wegen entſchuldiget wird, ſo iſt doch dergleichen allzugroße Freyheit andern jun- gen Leuten deswegen nicht als eine Regel vorge- ſchrieben; ſie werden vor allzu naſenweiß geachtet, legen ihren großen Hochmuth an den Tag, machen ſich bey andern Hof-Leuten, die ihnen gleichſam zu ihrem Umgang nicht gut genug ſind, gehaͤßig, und bekommen auch wohl bißweilen von einer Dame, oder von einem Miniſter, denen ihre Geſellſchafft nicht

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/234>, abgerufen am 07.05.2024.