fähret offt desto weniger. Bey einem kaltsinnigen Wesen kan man mit guter Manier bißweilen mehr erfahren, als durch eine allzu grosse Begierde im Nachforschen. Es finden sich auch wohl bißweilen lose Leute, die einem manche falsche Nachricht auf den Ermel hefften.
§. 8. Ein junger Cavalier bewirbt sich, ehe er an einen fremden Hof gehet, entweder bey einem und anderm Minister, oder bey einem Cavalier, der sein guter Freund ist, um ein Schreiben an ei- nen Minister oder Cavalier des Hofes, den er besuchen will, darinnen von seiner Person ein vortheilhafft Portrait gemacht, oder sonst von seinen Umständen eine ihm dienliche Nachricht ertheilet wird. Es kan einer bißweilen in vier Wochen nicht dasjenige selbst von sich sagen, was der andere in vier Zeilen schreiben kan; Es wird ihm sodann ein viel besser Acceuil gemacht werden. Viel Hof-Leute werden der Curiosität überhoben, ihn in ihren Discoursen auszuforschen, und sich nach seinen Umständen zu erkundigen. Der Hof wird ihm bessere Mine machen, und desto eher wissen, was er von ihm, so wohl in Ansehung seiner Ge- schicklichkeit, als auch seiner Ausgaben, verlangen könne, u. s. w.
§. 9. Hat er aber nicht Gelegenheit, ein Re- commendations-Schreiben an einen fremden Hof zu erlangen und er muß sich selbst bekandt machen, so muß er sich bey seiner Ankunfft alsobald bey dem Hof-Marschall, Hauß-Marschall, Hofmeister,
Stall-
I. Theil. VII. Capitul.
faͤhret offt deſto weniger. Bey einem kaltſinnigen Weſen kan man mit guter Manier bißweilen mehr erfahren, als durch eine allzu groſſe Begierde im Nachforſchen. Es finden ſich auch wohl bißweilen loſe Leute, die einem manche falſche Nachricht auf den Ermel hefften.
§. 8. Ein junger Cavalier bewirbt ſich, ehe er an einen fremden Hof gehet, entweder bey einem und anderm Miniſter, oder bey einem Cavalier, der ſein guter Freund iſt, um ein Schreiben an ei- nen Miniſter oder Cavalier des Hofes, den er beſuchen will, darinnen von ſeiner Perſon ein vortheilhafft Portrait gemacht, oder ſonſt von ſeinen Umſtaͤnden eine ihm dienliche Nachricht ertheilet wird. Es kan einer bißweilen in vier Wochen nicht dasjenige ſelbſt von ſich ſagen, was der andere in vier Zeilen ſchreiben kan; Es wird ihm ſodann ein viel beſſer Acceuil gemacht werden. Viel Hof-Leute werden der Curioſitaͤt uͤberhoben, ihn in ihren Diſcourſen auszuforſchen, und ſich nach ſeinen Umſtaͤnden zu erkundigen. Der Hof wird ihm beſſere Mine machen, und deſto eher wiſſen, was er von ihm, ſo wohl in Anſehung ſeiner Ge- ſchicklichkeit, als auch ſeiner Ausgaben, verlangen koͤnne, u. ſ. w.
§. 9. Hat er aber nicht Gelegenheit, ein Re- commendations-Schreiben an einen fremden Hof zu erlangen und er muß ſich ſelbſt bekandt machen, ſo muß er ſich bey ſeiner Ankunfft alſobald bey dem Hof-Marſchall, Hauß-Marſchall, Hofmeiſter,
Stall-
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I. Theil. VII. Capitul.
faͤhret offt deſto weniger. Bey einem kaltſinnigen
Weſen kan man mit guter Manier bißweilen mehr
erfahren, als durch eine allzu groſſe Begierde im
Nachforſchen. Es finden ſich auch wohl bißweilen
loſe Leute, die einem manche falſche Nachricht auf
den Ermel hefften.
§. 8. Ein junger Cavalier bewirbt ſich, ehe er
an einen fremden Hof gehet, entweder bey einem
und anderm Miniſter, oder bey einem Cavalier, der
ſein guter Freund iſt, um ein Schreiben an ei-
nen Miniſter oder Cavalier des Hofes, den
er beſuchen will, darinnen von ſeiner Perſon ein
vortheilhafft Portrait gemacht, oder ſonſt von ſeinen
Umſtaͤnden eine ihm dienliche Nachricht ertheilet
wird. Es kan einer bißweilen in vier Wochen
nicht dasjenige ſelbſt von ſich ſagen, was der andere
in vier Zeilen ſchreiben kan; Es wird ihm ſodann
ein viel beſſer Acceuil gemacht werden. Viel
Hof-Leute werden der Curioſitaͤt uͤberhoben, ihn
in ihren Diſcourſen auszuforſchen, und ſich nach
ſeinen Umſtaͤnden zu erkundigen. Der Hof wird
ihm beſſere Mine machen, und deſto eher wiſſen,
was er von ihm, ſo wohl in Anſehung ſeiner Ge-
ſchicklichkeit, als auch ſeiner Ausgaben, verlangen
koͤnne, u. ſ. w.
§. 9. Hat er aber nicht Gelegenheit, ein Re-
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/226>, abgerufen am 21.11.2024.
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