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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von Manieren u. Stellungen des Leibes.
dazu, manche machen ihre Reverences gar zu nach-
läßig, sie streichen den Fuß hinten weit aus, u. s. w.

§. 26. Jn dem Gange, an welchen ein Mensch
mit erkandt werden kan, zeigen sich ebenfalls hin
und wieder mancherley Ungeberden. Einige die
von gar langer Statur, wollen etwas kleiner ausse-
hen, als sie sind, und gehen daher gebuckt, die Klei-
nen zwingen sich allzusehr, in Erhebung des Haup-
tes und der Brust, damit sie sich ihrer Einbildung
nach ein etwas größer Maaß zuwege bringen. Vie-
le gaffen auf der Gasse herum, wie die Handwercks-
Pursche, die sich allenthalben nach lauter Wahr-
zeichen umsehen, einige treten in dem Zimmer all-
zu scharff auf, und erregen bey ihrem Gehen ein
groß Getöse, welches sonderlich in den Gemächern
der hohen Standes-Personen, oder der Dames,
sehr unangenehm läst, andere hingegen richten ih-
re Schritte so leise ein, als ob sie sich in einem Wo-
chen-Zimmer befänden, manche formiren so weite
Schritte, wie die Boten-Läuffer, und noch andere
hingegen so enge und kleine Schrittgen, wie eine
Braut-Jungfer auf einer Hochzeit. Wer nun
hierbey, wie allenthalben, die Mittel-Strasse be-
obachtet, trifft es am besten.

§. 27. Wenn man auf der Gasse gehet, muß
man sich so wohl in Ansehung des Grüssens und
des Hut-abziehens, als auch wegen des Tragens
des Hutes unter dem Armen, erkundigen, was an
einem jeden Orte gebräuchlich, damit man nicht
ausgelacht werde, sintemahl man hierüber keine

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N 4

Von Manieren u. Stellungen des Leibes.
dazu, manche machen ihre Reverences gar zu nach-
laͤßig, ſie ſtreichen den Fuß hinten weit aus, u. ſ. w.

§. 26. Jn dem Gange, an welchen ein Menſch
mit erkandt werden kan, zeigen ſich ebenfalls hin
und wieder mancherley Ungeberden. Einige die
von gar langer Statur, wollen etwas kleiner ausſe-
hen, als ſie ſind, und gehen daher gebuckt, die Klei-
nen zwingen ſich allzuſehr, in Erhebung des Haup-
tes und der Bruſt, damit ſie ſich ihrer Einbildung
nach ein etwas groͤßer Maaß zuwege bringen. Vie-
le gaffen auf der Gaſſe herum, wie die Handwercks-
Purſche, die ſich allenthalben nach lauter Wahr-
zeichen umſehen, einige treten in dem Zimmer all-
zu ſcharff auf, und erregen bey ihrem Gehen ein
groß Getoͤſe, welches ſonderlich in den Gemaͤchern
der hohen Standes-Perſonen, oder der Dames,
ſehr unangenehm laͤſt, andere hingegen richten ih-
re Schritte ſo leiſe ein, als ob ſie ſich in einem Wo-
chen-Zimmer befaͤnden, manche formiren ſo weite
Schritte, wie die Boten-Laͤuffer, und noch andere
hingegen ſo enge und kleine Schrittgen, wie eine
Braut-Jungfer auf einer Hochzeit. Wer nun
hierbey, wie allenthalben, die Mittel-Straſſe be-
obachtet, trifft es am beſten.

§. 27. Wenn man auf der Gaſſe gehet, muß
man ſich ſo wohl in Anſehung des Gruͤſſens und
des Hut-abziehens, als auch wegen des Tragens
des Hutes unter dem Armen, erkundigen, was an
einem jeden Orte gebraͤuchlich, damit man nicht
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[199/0219] Von Manieren u. Stellungen des Leibes. dazu, manche machen ihre Reverences gar zu nach- laͤßig, ſie ſtreichen den Fuß hinten weit aus, u. ſ. w. §. 26. Jn dem Gange, an welchen ein Menſch mit erkandt werden kan, zeigen ſich ebenfalls hin und wieder mancherley Ungeberden. Einige die von gar langer Statur, wollen etwas kleiner ausſe- hen, als ſie ſind, und gehen daher gebuckt, die Klei- nen zwingen ſich allzuſehr, in Erhebung des Haup- tes und der Bruſt, damit ſie ſich ihrer Einbildung nach ein etwas groͤßer Maaß zuwege bringen. Vie- le gaffen auf der Gaſſe herum, wie die Handwercks- Purſche, die ſich allenthalben nach lauter Wahr- zeichen umſehen, einige treten in dem Zimmer all- zu ſcharff auf, und erregen bey ihrem Gehen ein groß Getoͤſe, welches ſonderlich in den Gemaͤchern der hohen Standes-Perſonen, oder der Dames, ſehr unangenehm laͤſt, andere hingegen richten ih- re Schritte ſo leiſe ein, als ob ſie ſich in einem Wo- chen-Zimmer befaͤnden, manche formiren ſo weite Schritte, wie die Boten-Laͤuffer, und noch andere hingegen ſo enge und kleine Schrittgen, wie eine Braut-Jungfer auf einer Hochzeit. Wer nun hierbey, wie allenthalben, die Mittel-Straſſe be- obachtet, trifft es am beſten. §. 27. Wenn man auf der Gaſſe gehet, muß man ſich ſo wohl in Anſehung des Gruͤſſens und des Hut-abziehens, als auch wegen des Tragens des Hutes unter dem Armen, erkundigen, was an einem jeden Orte gebraͤuchlich, damit man nicht ausgelacht werde, ſintemahl man hieruͤber keine allge- N 4

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/219>, abgerufen am 24.11.2024.