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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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Von Manieren u. Stellungen des Leibes.
man traurige Geberden annehmen. Man lerne
den im Hertzen verborgen liegenden Affect, und der
sich gerne in den Zügen des Gesichts zu äußern
pflegt, künstlich verbergen, und solche Minen an sich
zu nehmen, die ihm entgegen gesetzt. Die Feinde
blicke man mit freundlichen Geberden an, und denen
Frauenzimmer, vor die man in seinem Hertzen Pas-
sion
heegt, begegne man kaltsinnig, damit andere
nicht klug aus uns werden. Diese Regeln gehö-
ren zu der Verstellungs-Kunst, die allenthalben,
insonderheit aber an den Höfen, so gar sehr nöthig
ist.

§. 16. Denen unanständigen Minen, dadurch
sich mancher Verdruß und des andern Unwillen
über den Halß ziehet, sind auch die hönischen Ge-
berden beyzuzehlen, da sich einige angewöhnt, die
andern, bey denen sie nicht durch die Furcht zurück
gehalten werden, geringe zu achten, spröde zu tracti-
ren, und über alle ihre Worte und Wercke auf ei-
ne hönische Weise das Maul zu rümpffen. Die-
ses Laster bringt zwar allen Leuten, die ihm ergeben,
Haß zu Wege, insonderheit aber jungen Leuten,
indem diese selbst noch am unvollkommensten, und
sich über andere Leute am wenigsten aufhalten
sollen.

§. 17. An einer wohlanständigen Regierung der
Augen ist viel gelegen; die Dames haben ihre ge-
wisse Regeln und Anmerckungen, wie die Augen zu
zu lencken, damit sie zum charmiren und zum rei-
tzen der Manns-Personen geschickt seyn, auch dem

gantzen

Von Manieren u. Stellungen des Leibes.
man traurige Geberden annehmen. Man lerne
den im Hertzen verborgen liegenden Affect, und der
ſich gerne in den Zuͤgen des Geſichts zu aͤußern
pflegt, kuͤnſtlich verbergen, und ſolche Minen an ſich
zu nehmen, die ihm entgegen geſetzt. Die Feinde
blicke man mit freundlichen Geberden an, und denen
Frauenzimmer, vor die man in ſeinem Hertzen Paſ-
ſion
heegt, begegne man kaltſinnig, damit andere
nicht klug aus uns werden. Dieſe Regeln gehoͤ-
ren zu der Verſtellungs-Kunſt, die allenthalben,
inſonderheit aber an den Hoͤfen, ſo gar ſehr noͤthig
iſt.

§. 16. Denen unanſtaͤndigen Minen, dadurch
ſich mancher Verdruß und des andern Unwillen
uͤber den Halß ziehet, ſind auch die hoͤniſchen Ge-
berden beyzuzehlen, da ſich einige angewoͤhnt, die
andern, bey denen ſie nicht durch die Furcht zuruͤck
gehalten werden, geringe zu achten, ſproͤde zu tracti-
ren, und uͤber alle ihre Worte und Wercke auf ei-
ne hoͤniſche Weiſe das Maul zu ruͤmpffen. Die-
ſes Laſter bringt zwar allen Leuten, die ihm ergeben,
Haß zu Wege, inſonderheit aber jungen Leuten,
indem dieſe ſelbſt noch am unvollkommenſten, und
ſich uͤber andere Leute am wenigſten aufhalten
ſollen.

§. 17. An einer wohlanſtaͤndigen Regierung der
Augen iſt viel gelegen; die Dames haben ihre ge-
wiſſe Regeln und Anmerckungen, wie die Augen zu
zu lencken, damit ſie zum charmiren und zum rei-
tzen der Manns-Perſonen geſchickt ſeyn, auch dem

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[191/0211] Von Manieren u. Stellungen des Leibes. man traurige Geberden annehmen. Man lerne den im Hertzen verborgen liegenden Affect, und der ſich gerne in den Zuͤgen des Geſichts zu aͤußern pflegt, kuͤnſtlich verbergen, und ſolche Minen an ſich zu nehmen, die ihm entgegen geſetzt. Die Feinde blicke man mit freundlichen Geberden an, und denen Frauenzimmer, vor die man in ſeinem Hertzen Paſ- ſion heegt, begegne man kaltſinnig, damit andere nicht klug aus uns werden. Dieſe Regeln gehoͤ- ren zu der Verſtellungs-Kunſt, die allenthalben, inſonderheit aber an den Hoͤfen, ſo gar ſehr noͤthig iſt. §. 16. Denen unanſtaͤndigen Minen, dadurch ſich mancher Verdruß und des andern Unwillen uͤber den Halß ziehet, ſind auch die hoͤniſchen Ge- berden beyzuzehlen, da ſich einige angewoͤhnt, die andern, bey denen ſie nicht durch die Furcht zuruͤck gehalten werden, geringe zu achten, ſproͤde zu tracti- ren, und uͤber alle ihre Worte und Wercke auf ei- ne hoͤniſche Weiſe das Maul zu ruͤmpffen. Die- ſes Laſter bringt zwar allen Leuten, die ihm ergeben, Haß zu Wege, inſonderheit aber jungen Leuten, indem dieſe ſelbſt noch am unvollkommenſten, und ſich uͤber andere Leute am wenigſten aufhalten ſollen. §. 17. An einer wohlanſtaͤndigen Regierung der Augen iſt viel gelegen; die Dames haben ihre ge- wiſſe Regeln und Anmerckungen, wie die Augen zu zu lencken, damit ſie zum charmiren und zum rei- tzen der Manns-Perſonen geſchickt ſeyn, auch dem gantzen

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/211>, abgerufen am 21.11.2024.