das Nachsehen haben, ob er schon sonst, der Rang- Ordnung nach, den Rang über den andern hat.
§. 5. Die Stelle zur rechten Hand ist zwar fast bey allen Völckern, und von den Uhr-ältesten Zei- ten an, wie aus Göttlicher Heiliger Schrifft be- kandt, vor die vornehmste geachtet worden; man findet aber doch wohl bey gewissen Fällen die Aus- nahme von dieser Regel. Also meldet der Herr Hofrath von Nemitz in seiner Nachlese besonderer Nachrichten von Jtalien, p. 406. daß, wenn man zu Venedig in einer Gondola führe, die lincke Sei- te den place d'honeur abgebe, die Ursache davon wäre diese, daß man an dieser Seite der Besprü- tzung von dem Rudern am wenigsten unterworf- fen wäre; So lehret auch überhaupt die gesunde Vernunfft, daß wo sich in Gehen, in Führen einer Dame, u. s. w. ereignet, daß die Person auf der rechten Hand, einer großen Beschwerlichkeit oder Gefährlichkeit unterworffen wäre, und hergegen die auf der Lincken, einen viel sichern Platz hätte, daß man alsdenn zur Erhaltung einer grössern Vollkommenheit die lincke Hand der rechten vor- ziehen müsse.
§. 6. Der Tugend-Lehre und dem Wohlstand nach, muß sich ein vernünfftiger Mensch bemühen, dem andern mit Ehrerbietung zuvor zu kommen, er muß sich im geringsten nicht über den andern erhe- ben, ohne Grund die Ober-Stelle niemahls selbst einnehmen, oder doch bey der erwehlten, oder ihm zugetheilten, gegen die andern alle nur ersinnliche
Höf-
Vom Range.
das Nachſehen haben, ob er ſchon ſonſt, der Rang- Ordnung nach, den Rang uͤber den andern hat.
§. 5. Die Stelle zur rechten Hand iſt zwar faſt bey allen Voͤlckern, und von den Uhr-aͤlteſten Zei- ten an, wie aus Goͤttlicher Heiliger Schrifft be- kandt, vor die vornehmſte geachtet worden; man findet aber doch wohl bey gewiſſen Faͤllen die Aus- nahme von dieſer Regel. Alſo meldet der Herr Hofrath von Nemitz in ſeiner Nachleſe beſonderer Nachrichten von Jtalien, p. 406. daß, wenn man zu Venedig in einer Gondola fuͤhre, die lincke Sei- te den place d’honeur abgebe, die Urſache davon waͤre dieſe, daß man an dieſer Seite der Beſpruͤ- tzung von dem Rudern am wenigſten unterworf- fen waͤre; So lehret auch uͤberhaupt die geſunde Vernunfft, daß wo ſich in Gehen, in Fuͤhren einer Dame, u. ſ. w. ereignet, daß die Perſon auf der rechten Hand, einer großen Beſchwerlichkeit oder Gefaͤhrlichkeit unterworffen waͤre, und hergegen die auf der Lincken, einen viel ſichern Platz haͤtte, daß man alsdenn zur Erhaltung einer groͤſſern Vollkommenheit die lincke Hand der rechten vor- ziehen muͤſſe.
§. 6. Der Tugend-Lehre und dem Wohlſtand nach, muß ſich ein vernuͤnfftiger Menſch bemuͤhen, dem andern mit Ehrerbietung zuvor zu kommen, er muß ſich im geringſten nicht uͤber den andern erhe- ben, ohne Grund die Ober-Stelle niemahls ſelbſt einnehmen, oder doch bey der erwehlten, oder ihm zugetheilten, gegen die andern alle nur erſinnliche
Hoͤf-
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Vom Range.
das Nachſehen haben, ob er ſchon ſonſt, der Rang-
Ordnung nach, den Rang uͤber den andern hat.
§. 5. Die Stelle zur rechten Hand iſt zwar faſt
bey allen Voͤlckern, und von den Uhr-aͤlteſten Zei-
ten an, wie aus Goͤttlicher Heiliger Schrifft be-
kandt, vor die vornehmſte geachtet worden; man
findet aber doch wohl bey gewiſſen Faͤllen die Aus-
nahme von dieſer Regel. Alſo meldet der Herr
Hofrath von Nemitz in ſeiner Nachleſe beſonderer
Nachrichten von Jtalien, p. 406. daß, wenn man
zu Venedig in einer Gondola fuͤhre, die lincke Sei-
te den place d’honeur abgebe, die Urſache davon
waͤre dieſe, daß man an dieſer Seite der Beſpruͤ-
tzung von dem Rudern am wenigſten unterworf-
fen waͤre; So lehret auch uͤberhaupt die geſunde
Vernunfft, daß wo ſich in Gehen, in Fuͤhren einer
Dame, u. ſ. w. ereignet, daß die Perſon auf der
rechten Hand, einer großen Beſchwerlichkeit oder
Gefaͤhrlichkeit unterworffen waͤre, und hergegen
die auf der Lincken, einen viel ſichern Platz haͤtte,
daß man alsdenn zur Erhaltung einer groͤſſern
Vollkommenheit die lincke Hand der rechten vor-
ziehen muͤſſe.
§. 6. Der Tugend-Lehre und dem Wohlſtand
nach, muß ſich ein vernuͤnfftiger Menſch bemuͤhen,
dem andern mit Ehrerbietung zuvor zu kommen, er
muß ſich im geringſten nicht uͤber den andern erhe-
ben, ohne Grund die Ober-Stelle niemahls ſelbſt
einnehmen, oder doch bey der erwehlten, oder ihm
zugetheilten, gegen die andern alle nur erſinnliche
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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/129>, abgerufen am 22.11.2024.
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