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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. III. Capitul.
durch Verachtung und Beschimpffung nicht noch
unglückseeliger machen. Ein anders wäre es, wenn
sie sich lasterhafft dabey aufführten; denn da alle
äußerliche Ehre eine Belohnung der Tugend seyn
soll, so steiget dieselbe mit gutem Grunde bey laster-
hafften Armen um viel Grade tieffer herunter.

§. 44. Gleichwie die Armuth an und vor sich
selbst keine rechtmäßige Gelegenheit giebt, den an-
dern um deswillen gering zu achten; also verdienet
auch der Reichthum an und vor sich selbst nicht, daß
man den andern dieserwegen erhebt. Jn so weit,
als der andere, durch seinen Fleiß, Tugend und Ge-
schicklichkeit, zu Vermögen gekommen, in so weit ist
er auch, um seiner Tugenden willen, aller Ehre wür-
dig; er verdienet aber deswegen keine weitern äus-
serlichen Ehren-Bezeigungen, als ein anderer, der
mit ihm von gleichem Stand, Bedienung und Ge-
werbe, aber weniger Einkünffte hat. Will sich ein
Thore, wie es nicht selten zu geschehen pflegt, auf
sein vieles Geld etwas einbilden, und nicht allein
über andere seines Standes, sondern auch wohl, die
noch höhern Standes als er, erheben, so muß man
ihn seiner Einbildung überlassen, er wird deswegen
nicht in der That etwas höhers. Jn den Toll-
häusern findet man Rasende, die sich einbilden, sie
wären Kayser und Könige. Man muß sich hier-
innen nicht dem Pöbel conformiren, der die Leute
nur nach dem Gelde und dem äusserlichen Staat,
den sie führen, zu respectiren pflegt; Also heissen
die Bauren denjenigen unter ihnen, der der wohl-

haben-

I. Theil. III. Capitul.
durch Verachtung und Beſchimpffung nicht noch
ungluͤckſeeliger machen. Ein anders waͤre es, wenn
ſie ſich laſterhafft dabey auffuͤhrten; denn da alle
aͤußerliche Ehre eine Belohnung der Tugend ſeyn
ſoll, ſo ſteiget dieſelbe mit gutem Grunde bey laſter-
hafften Armen um viel Grade tieffer herunter.

§. 44. Gleichwie die Armuth an und vor ſich
ſelbſt keine rechtmaͤßige Gelegenheit giebt, den an-
dern um deswillen gering zu achten; alſo verdienet
auch der Reichthum an und vor ſich ſelbſt nicht, daß
man den andern dieſerwegen erhebt. Jn ſo weit,
als der andere, durch ſeinen Fleiß, Tugend und Ge-
ſchicklichkeit, zu Vermoͤgen gekommen, in ſo weit iſt
er auch, um ſeiner Tugenden willen, aller Ehre wuͤr-
dig; er verdienet aber deswegen keine weitern aͤuſ-
ſerlichen Ehren-Bezeigungen, als ein anderer, der
mit ihm von gleichem Stand, Bedienung und Ge-
werbe, aber weniger Einkuͤnffte hat. Will ſich ein
Thore, wie es nicht ſelten zu geſchehen pflegt, auf
ſein vieles Geld etwas einbilden, und nicht allein
uͤber andere ſeines Standes, ſondern auch wohl, die
noch hoͤhern Standes als er, erheben, ſo muß man
ihn ſeiner Einbildung uͤberlaſſen, er wird deswegen
nicht in der That etwas hoͤhers. Jn den Toll-
haͤuſern findet man Raſende, die ſich einbilden, ſie
waͤren Kayſer und Koͤnige. Man muß ſich hier-
innen nicht dem Poͤbel conformiren, der die Leute
nur nach dem Gelde und dem aͤuſſerlichen Staat,
den ſie fuͤhren, zu reſpectiren pflegt; Alſo heiſſen
die Bauren denjenigen unter ihnen, der der wohl-

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[102/0122] I. Theil. III. Capitul. durch Verachtung und Beſchimpffung nicht noch ungluͤckſeeliger machen. Ein anders waͤre es, wenn ſie ſich laſterhafft dabey auffuͤhrten; denn da alle aͤußerliche Ehre eine Belohnung der Tugend ſeyn ſoll, ſo ſteiget dieſelbe mit gutem Grunde bey laſter- hafften Armen um viel Grade tieffer herunter. §. 44. Gleichwie die Armuth an und vor ſich ſelbſt keine rechtmaͤßige Gelegenheit giebt, den an- dern um deswillen gering zu achten; alſo verdienet auch der Reichthum an und vor ſich ſelbſt nicht, daß man den andern dieſerwegen erhebt. Jn ſo weit, als der andere, durch ſeinen Fleiß, Tugend und Ge- ſchicklichkeit, zu Vermoͤgen gekommen, in ſo weit iſt er auch, um ſeiner Tugenden willen, aller Ehre wuͤr- dig; er verdienet aber deswegen keine weitern aͤuſ- ſerlichen Ehren-Bezeigungen, als ein anderer, der mit ihm von gleichem Stand, Bedienung und Ge- werbe, aber weniger Einkuͤnffte hat. Will ſich ein Thore, wie es nicht ſelten zu geſchehen pflegt, auf ſein vieles Geld etwas einbilden, und nicht allein uͤber andere ſeines Standes, ſondern auch wohl, die noch hoͤhern Standes als er, erheben, ſo muß man ihn ſeiner Einbildung uͤberlaſſen, er wird deswegen nicht in der That etwas hoͤhers. Jn den Toll- haͤuſern findet man Raſende, die ſich einbilden, ſie waͤren Kayſer und Koͤnige. Man muß ſich hier- innen nicht dem Poͤbel conformiren, der die Leute nur nach dem Gelde und dem aͤuſſerlichen Staat, den ſie fuͤhren, zu reſpectiren pflegt; Alſo heiſſen die Bauren denjenigen unter ihnen, der der wohl- haben-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/122>, abgerufen am 24.11.2024.