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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. III. Capitul.
Ober-Großälter-Väter vor eine Ehre, wenn sie
das Amt eines Predigers, eines Amtmanns, eines
Bürgermeisters u. s. w. verwalten konten, oder
geschickt waren, einen Gradum Academicum an-
zunehmen; und ihre Uhr-Enckel achten sich derglei-
chen vor eine Schande, und beschimpffen also hier-
inne ihre Vorfahren, von denen sie doch allen ihren
Glantz herleiten wollen. Fast alle Ausländer
sind hierinnen klüger als wir Teutschen. Die Edel-
leute in Franckreich, Jtalien, Engelland und in den
Nordischen Königreichen, achten sichs im gerinsten
nicht vor disrenomirlich, einige academische Gra-
dus
oder Bedienungen anzunehmen, oder sich sonst
einigen Verrichtungen zu unterziehen, die ein großer
Theil unsers Adels in Teutschland vor bürgerlich
und ihnen unanständig ansehen will.

§. 36. Jch könte hier weitläufftig anführen, daß
dieses nicht meine eigene Gedancken, sondern daß
viele rechtschaffene und gelehrte von Adel in diesem
Stück gleicher Meynung mit mir wären; ich halte
es aber bey einer Sache, die auf der gesunden Ver-
nunfft beruhet, vor unnöthig; Jedoch will ich ge-
dencken, was der Herr von Tzschirnauß in seinen
getreuen Hofmeister p. 214. hievon erwehnet: Es
ist zu beklagen, sagt er, daß sich sonderlich die Teut-
schen, Reformirten und Evangelischen Religion zu-
gethane Standes-Personen, so wenig auf die Theo-
logie
legen, und vor etwas unanständiges achten,
wenn einer Hof-Prediger, Superintendens, Do-
ctor
und Professor Theologiae werden wolte, un-

geach-

I. Theil. III. Capitul.
Ober-Großaͤlter-Vaͤter vor eine Ehre, wenn ſie
das Amt eines Predigers, eines Amtmanns, eines
Buͤrgermeiſters u. ſ. w. verwalten konten, oder
geſchickt waren, einen Gradum Academicum an-
zunehmen; und ihre Uhr-Enckel achten ſich derglei-
chen vor eine Schande, und beſchimpffen alſo hier-
inne ihre Vorfahren, von denen ſie doch allen ihren
Glantz herleiten wollen. Faſt alle Auslaͤnder
ſind hierinnen kluͤger als wir Teutſchen. Die Edel-
leute in Franckreich, Jtalien, Engelland und in den
Nordiſchen Koͤnigreichen, achten ſichs im gerinſten
nicht vor diſrenomirlich, einige academiſche Gra-
dus
oder Bedienungen anzunehmen, oder ſich ſonſt
einigen Verrichtungen zu unterziehen, die ein großer
Theil unſers Adels in Teutſchland vor buͤrgerlich
und ihnen unanſtaͤndig anſehen will.

§. 36. Jch koͤnte hier weitlaͤufftig anfuͤhren, daß
dieſes nicht meine eigene Gedancken, ſondern daß
viele rechtſchaffene und gelehrte von Adel in dieſem
Stuͤck gleicher Meynung mit mir waͤren; ich halte
es aber bey einer Sache, die auf der geſunden Ver-
nunfft beruhet, vor unnoͤthig; Jedoch will ich ge-
dencken, was der Herr von Tzſchirnauß in ſeinen
getreuen Hofmeiſter p. 214. hievon erwehnet: Es
iſt zu beklagen, ſagt er, daß ſich ſonderlich die Teut-
ſchen, Reformirten und Evangeliſchen Religion zu-
gethane Standes-Perſonen, ſo wenig auf die Theo-
logie
legen, und vor etwas unanſtaͤndiges achten,
wenn einer Hof-Prediger, Superintendens, Do-
ctor
und Profeſſor Theologiæ werden wolte, un-

geach-
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[96/0116] I. Theil. III. Capitul. Ober-Großaͤlter-Vaͤter vor eine Ehre, wenn ſie das Amt eines Predigers, eines Amtmanns, eines Buͤrgermeiſters u. ſ. w. verwalten konten, oder geſchickt waren, einen Gradum Academicum an- zunehmen; und ihre Uhr-Enckel achten ſich derglei- chen vor eine Schande, und beſchimpffen alſo hier- inne ihre Vorfahren, von denen ſie doch allen ihren Glantz herleiten wollen. Faſt alle Auslaͤnder ſind hierinnen kluͤger als wir Teutſchen. Die Edel- leute in Franckreich, Jtalien, Engelland und in den Nordiſchen Koͤnigreichen, achten ſichs im gerinſten nicht vor diſrenomirlich, einige academiſche Gra- dus oder Bedienungen anzunehmen, oder ſich ſonſt einigen Verrichtungen zu unterziehen, die ein großer Theil unſers Adels in Teutſchland vor buͤrgerlich und ihnen unanſtaͤndig anſehen will. §. 36. Jch koͤnte hier weitlaͤufftig anfuͤhren, daß dieſes nicht meine eigene Gedancken, ſondern daß viele rechtſchaffene und gelehrte von Adel in dieſem Stuͤck gleicher Meynung mit mir waͤren; ich halte es aber bey einer Sache, die auf der geſunden Ver- nunfft beruhet, vor unnoͤthig; Jedoch will ich ge- dencken, was der Herr von Tzſchirnauß in ſeinen getreuen Hofmeiſter p. 214. hievon erwehnet: Es iſt zu beklagen, ſagt er, daß ſich ſonderlich die Teut- ſchen, Reformirten und Evangeliſchen Religion zu- gethane Standes-Perſonen, ſo wenig auf die Theo- logie legen, und vor etwas unanſtaͤndiges achten, wenn einer Hof-Prediger, Superintendens, Do- ctor und Profeſſor Theologiæ werden wolte, un- geach-

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/116>, abgerufen am 24.11.2024.