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Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728.

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I. Theil. III. Capitul.
Heegens von der Titul-Sucht der Gelehrten, so
wird er einen ziemlichen Vorrath davon antreffen.
Gehen nun unter denen, die andre an der Gelehr-
samkeit und Welt-Weißheit übertreffen wollen
und sollen, hierinnen so grosse Thorheiten vor, so
kan man leicht glauben, daß die Thorheit unter de-
nen so genandten Ungelehrten, noch weit stärcker
seyn müße.

§. 25. Abgeschmackt ists, wenn einige auf frem-
de Leute unwillig werden, daß sie ihnen ihr gehöri-
ges Praedicat nicht alsobald beylegen, da doch die-
sen Fremden keine Notification davon zugefüget
worden. Sie verlangen auf eine thörichte Weise
eine gewisse Art einer Allwissenheit von ihnen, die
ihnen nicht möglich. Es ist auch wider den Wohl-
stand, wenn einige, die unterschiedene Praedicata
und Caracteres zugleich führen, an fremden Oertern
sich bald nach diesen bald wiederum nach jenen Ti-
tul
nennen und anmelden lassen. Es scheinet die-
ses aus einer Unbedachtsamkeit, Ehrgeitz und etwan
Leichtsinnigkeit herzufliessen, und giebet Gelegenheit
zu manchen Critiquen, deren einer sonst könte über-
hoben seyn, doch gestehe ich auch gantz gerne, daß
bißweilen Umstände vorhanden seyn können, da ei-
ner nach besondern Raisons d' Etat, nachdem er
unterschiedenen Bedienungen zugleich vorstehet,
und nach deren Unterscheid etwas zu negociren hat,
oder nachdem bey dieser oder jener Fürstlichen Per-
son, bey diesem oder jenem Minister, dieses oder
jenes Praedicat in Ansehung gewisser Umstände

oder

I. Theil. III. Capitul.
Heegens von der Titul-Sucht der Gelehrten, ſo
wird er einen ziemlichen Vorrath davon antreffen.
Gehen nun unter denen, die andre an der Gelehr-
ſamkeit und Welt-Weißheit uͤbertreffen wollen
und ſollen, hierinnen ſo groſſe Thorheiten vor, ſo
kan man leicht glauben, daß die Thorheit unter de-
nen ſo genandten Ungelehrten, noch weit ſtaͤrcker
ſeyn muͤße.

§. 25. Abgeſchmackt iſts, wenn einige auf frem-
de Leute unwillig werden, daß ſie ihnen ihr gehoͤri-
ges Prædicat nicht alſobald beylegen, da doch die-
ſen Fremden keine Notification davon zugefuͤget
worden. Sie verlangen auf eine thoͤrichte Weiſe
eine gewiſſe Art einer Allwiſſenheit von ihnen, die
ihnen nicht moͤglich. Es iſt auch wider den Wohl-
ſtand, wenn einige, die unterſchiedene Prædicata
und Caracteres zugleich fuͤhren, an fremden Oertern
ſich bald nach dieſen bald wiederum nach jenen Ti-
tul
nennen und anmelden laſſen. Es ſcheinet die-
ſes aus einer Unbedachtſamkeit, Ehrgeitz und etwan
Leichtſinnigkeit herzuflieſſen, und giebet Gelegenheit
zu manchen Critiquen, deren einer ſonſt koͤnte uͤber-
hoben ſeyn, doch geſtehe ich auch gantz gerne, daß
bißweilen Umſtaͤnde vorhanden ſeyn koͤnnen, da ei-
ner nach beſondern Raiſons d’ Etat, nachdem er
unterſchiedenen Bedienungen zugleich vorſtehet,
und nach deren Unterſcheid etwas zu negociren hat,
oder nachdem bey dieſer oder jener Fuͤrſtlichen Per-
ſon, bey dieſem oder jenem Miniſter, dieſes oder
jenes Prædicat in Anſehung gewiſſer Umſtaͤnde

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[80/0100] I. Theil. III. Capitul. Heegens von der Titul-Sucht der Gelehrten, ſo wird er einen ziemlichen Vorrath davon antreffen. Gehen nun unter denen, die andre an der Gelehr- ſamkeit und Welt-Weißheit uͤbertreffen wollen und ſollen, hierinnen ſo groſſe Thorheiten vor, ſo kan man leicht glauben, daß die Thorheit unter de- nen ſo genandten Ungelehrten, noch weit ſtaͤrcker ſeyn muͤße. §. 25. Abgeſchmackt iſts, wenn einige auf frem- de Leute unwillig werden, daß ſie ihnen ihr gehoͤri- ges Prædicat nicht alſobald beylegen, da doch die- ſen Fremden keine Notification davon zugefuͤget worden. Sie verlangen auf eine thoͤrichte Weiſe eine gewiſſe Art einer Allwiſſenheit von ihnen, die ihnen nicht moͤglich. Es iſt auch wider den Wohl- ſtand, wenn einige, die unterſchiedene Prædicata und Caracteres zugleich fuͤhren, an fremden Oertern ſich bald nach dieſen bald wiederum nach jenen Ti- tul nennen und anmelden laſſen. Es ſcheinet die- ſes aus einer Unbedachtſamkeit, Ehrgeitz und etwan Leichtſinnigkeit herzuflieſſen, und giebet Gelegenheit zu manchen Critiquen, deren einer ſonſt koͤnte uͤber- hoben ſeyn, doch geſtehe ich auch gantz gerne, daß bißweilen Umſtaͤnde vorhanden ſeyn koͤnnen, da ei- ner nach beſondern Raiſons d’ Etat, nachdem er unterſchiedenen Bedienungen zugleich vorſtehet, und nach deren Unterſcheid etwas zu negociren hat, oder nachdem bey dieſer oder jener Fuͤrſtlichen Per- ſon, bey dieſem oder jenem Miniſter, dieſes oder jenes Prædicat in Anſehung gewiſſer Umſtaͤnde oder

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Zitationshilfe: Rohr, Julius Bernhard von: Einleitung zur Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen. Berlin, 1728, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohr_einleitung_1728/100>, abgerufen am 23.11.2024.