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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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Gottheiten in Osten und Westen verbreitet; er erhielt sich
und breitete sich immer weiter aus bis in die letzten Zeiten
des alten Glaubens. Die syrischen Gottheiten, der phrygisch-
thrakische Cult des Sabazios, des Atthis und der Kybele, der
persische Mithrascult, traten später hinzu, wurzelten dann aber
nicht minder tief ein und erstreckten sich überall durch das
weite Reich 1).

Die höhere Bildung dieser letzten Zeiten, gläubig und
wundersüchtig geworden, verschmähte die Theilnahme an diesen,
früher doch zumeist den niederen Schichten des Volkes über-
lassenen, Heilsübungen und Heiligungen keineswegs. Die
Höchstgebildeten der Zeit wussten sich, eben aus ihrer Bil-
dung, alles Mysteriöse und Unbegreifliche, selbst in sinnlichster

1) Selige Unsterblichkeit verhiessen ihren Mysten wohl alle diese
Culte. Sicher der Isisdienst (vgl. Burckhardt, Die Zeit Constantins d.
Gr.
2 p. 195 ff.). Symbolischen Tod und Erweckung zu ewigem Leben
deutet als Inhalt der dromena in den Isismysterien an Apuleius Met. 11,
21. 23. Der Geweihte ist nun renatus (cap. 21). So heissen auch die
Mysten des Mithras in aeternum renati (C. I. Lat. 6, 510. 736). Unsterb-
lichkeit war jedenfalls auch ihr Gewinn. Nach Tertullian. praescr. haer.
40 kam in den Mithrasmysterien eine imago resurrectionis vor.
Hierunter kann der christliche Autor doch nur eine eigentliche anastasis
tes sarkos verstehn. Versprachen diese Mysterien ihren osioi eine Auf-
erstehung des Fleisches und ewiges Leben? Dieser Glaube an die ana-
stasis nekron, den Griechen stets besonders anstössig (Act. apost. 17, 18.
32. Plotin. 25, 6 extr. Kh.), ist ja altpersisch (Theopomp. fr. 71. 72. s.
Hübschmann, Jahrb. f. protest. Theol. 5 [1879] p. 222 ff.), und doch wohl
aus Persien den Juden zugekommen. Er mag also auch den Kern der
Mithrasmysterien ausgemacht haben. -- Die Seligkeitshoffnungen der
Sabaziosmysten illustriren die Bilder auf dem Denkmal der Vibia (in den
Katakomben des Praetextatus) und des Vincentius: numinis antistes Sabazis
Vincentius hic est, Qui sacra sancta deaum mente pia coluit
(Garrucci,
Tre sepolcri etc. [Nap. 1852] tav. I. II. III. -- Wie dieser Vincentius,
der sich selbst einen Verehrer "der Götter" nennt, und einen antistes
Sabazii
[denn so das: numinis antistes Sabazis zu verstehn, hat nicht den
geringsten Anstand. Die Bedenken, die V. Schultze, Die Katakomben
44 erhebt, haben keinen Grund: Sabazis = Sabazii ist nicht bedenklicher
als die Genitive Clodis, Helis: Ritschl, Opusc. 4, 454. 456; die Wort-
stellung num. a. Sab. erzwang das Metrum], bei christlichen Archäologen
als ein Christ passiren kann, ist schwer verständlich).

Gottheiten in Osten und Westen verbreitet; er erhielt sich
und breitete sich immer weiter aus bis in die letzten Zeiten
des alten Glaubens. Die syrischen Gottheiten, der phrygisch-
thrakische Cult des Sabazios, des Atthis und der Kybele, der
persische Mithrascult, traten später hinzu, wurzelten dann aber
nicht minder tief ein und erstreckten sich überall durch das
weite Reich 1).

Die höhere Bildung dieser letzten Zeiten, gläubig und
wundersüchtig geworden, verschmähte die Theilnahme an diesen,
früher doch zumeist den niederen Schichten des Volkes über-
lassenen, Heilsübungen und Heiligungen keineswegs. Die
Höchstgebildeten der Zeit wussten sich, eben aus ihrer Bil-
dung, alles Mysteriöse und Unbegreifliche, selbst in sinnlichster

1) Selige Unsterblichkeit verhiessen ihren Mysten wohl alle diese
Culte. Sicher der Isisdienst (vgl. Burckhardt, Die Zeit Constantins d.
Gr.
2 p. 195 ff.). Symbolischen Tod und Erweckung zu ewigem Leben
deutet als Inhalt der δρώμενα in den Isismysterien an Apuleius Met. 11,
21. 23. Der Geweihte ist nun renatus (cap. 21). So heissen auch die
Mysten des Mithras in aeternum renati (C. I. Lat. 6, 510. 736). Unsterb-
lichkeit war jedenfalls auch ihr Gewinn. Nach Tertullian. praescr. haer.
40 kam in den Mithrasmysterien eine imago resurrectionis vor.
Hierunter kann der christliche Autor doch nur eine eigentliche ἀνάστασις
τῆς σαρκός verstehn. Versprachen diese Mysterien ihren ὅσιοι eine Auf-
erstehung des Fleisches und ewiges Leben? Dieser Glaube an die ἀνά-
στασις νεκρῶν, den Griechen stets besonders anstössig (Act. apost. 17, 18.
32. Plotin. 25, 6 extr. Kh.), ist ja altpersisch (Theopomp. fr. 71. 72. s.
Hübschmann, Jahrb. f. protest. Theol. 5 [1879] p. 222 ff.), und doch wohl
aus Persien den Juden zugekommen. Er mag also auch den Kern der
Mithrasmysterien ausgemacht haben. — Die Seligkeitshoffnungen der
Sabaziosmysten illustriren die Bilder auf dem Denkmal der Vibia (in den
Katakomben des Praetextatus) und des Vincentius: numinis antistes Sabazis
Vincentius hic est, Qui sacra sancta deûm mente pia coluit
(Garrucci,
Tre sepolcri etc. [Nap. 1852] tav. I. II. III. — Wie dieser Vincentius,
der sich selbst einen Verehrer „der Götter“ nennt, und einen antistes
Sabazii
[denn so das: numinis antistes Sabazis zu verstehn, hat nicht den
geringsten Anstand. Die Bedenken, die V. Schultze, Die Katakomben
44 erhebt, haben keinen Grund: Sabazis = Sabazii ist nicht bedenklicher
als die Genitive Clodis, Helis: Ritschl, Opusc. 4, 454. 456; die Wort-
stellung num. a. Sab. erzwang das Metrum], bei christlichen Archäologen
als ein Christ passiren kann, ist schwer verständlich).
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[687/0703] Gottheiten in Osten und Westen verbreitet; er erhielt sich und breitete sich immer weiter aus bis in die letzten Zeiten des alten Glaubens. Die syrischen Gottheiten, der phrygisch- thrakische Cult des Sabazios, des Atthis und der Kybele, der persische Mithrascult, traten später hinzu, wurzelten dann aber nicht minder tief ein und erstreckten sich überall durch das weite Reich 1). Die höhere Bildung dieser letzten Zeiten, gläubig und wundersüchtig geworden, verschmähte die Theilnahme an diesen, früher doch zumeist den niederen Schichten des Volkes über- lassenen, Heilsübungen und Heiligungen keineswegs. Die Höchstgebildeten der Zeit wussten sich, eben aus ihrer Bil- dung, alles Mysteriöse und Unbegreifliche, selbst in sinnlichster 1) Selige Unsterblichkeit verhiessen ihren Mysten wohl alle diese Culte. Sicher der Isisdienst (vgl. Burckhardt, Die Zeit Constantins d. Gr.2 p. 195 ff.). Symbolischen Tod und Erweckung zu ewigem Leben deutet als Inhalt der δρώμενα in den Isismysterien an Apuleius Met. 11, 21. 23. Der Geweihte ist nun renatus (cap. 21). So heissen auch die Mysten des Mithras in aeternum renati (C. I. Lat. 6, 510. 736). Unsterb- lichkeit war jedenfalls auch ihr Gewinn. Nach Tertullian. praescr. haer. 40 kam in den Mithrasmysterien eine imago resurrectionis vor. Hierunter kann der christliche Autor doch nur eine eigentliche ἀνάστασις τῆς σαρκός verstehn. Versprachen diese Mysterien ihren ὅσιοι eine Auf- erstehung des Fleisches und ewiges Leben? Dieser Glaube an die ἀνά- στασις νεκρῶν, den Griechen stets besonders anstössig (Act. apost. 17, 18. 32. Plotin. 25, 6 extr. Kh.), ist ja altpersisch (Theopomp. fr. 71. 72. s. Hübschmann, Jahrb. f. protest. Theol. 5 [1879] p. 222 ff.), und doch wohl aus Persien den Juden zugekommen. Er mag also auch den Kern der Mithrasmysterien ausgemacht haben. — Die Seligkeitshoffnungen der Sabaziosmysten illustriren die Bilder auf dem Denkmal der Vibia (in den Katakomben des Praetextatus) und des Vincentius: numinis antistes Sabazis Vincentius hic est, Qui sacra sancta deûm mente pia coluit (Garrucci, Tre sepolcri etc. [Nap. 1852] tav. I. II. III. — Wie dieser Vincentius, der sich selbst einen Verehrer „der Götter“ nennt, und einen antistes Sabazii [denn so das: numinis antistes Sabazis zu verstehn, hat nicht den geringsten Anstand. Die Bedenken, die V. Schultze, Die Katakomben 44 erhebt, haben keinen Grund: Sabazis = Sabazii ist nicht bedenklicher als die Genitive Clodis, Helis: Ritschl, Opusc. 4, 454. 456; die Wort- stellung num. a. Sab. erzwang das Metrum], bei christlichen Archäologen als ein Christ passiren kann, ist schwer verständlich).

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 687. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/703>, abgerufen am 22.11.2024.