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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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nimmt er noch den theuren Klang. Auf einem athenischen
Grabsteine 1) fordert der Todte die Genossen der Schauspieler-
zunft, der er angehört, die ihn bestattet hatte, auf, beim Vor-
überwandeln an seinem Grabe im Chor seinen Namen auszu-
rufen und ihn (wie er es im Leben gewohnt war) durch Hände-
klatschen zu erfreuen. Sonst wirft wohl der Vorübergehende
dem Todten eine Kusshand zu 2); das ist eine Gebärde, die
Verehrung eines Höheren ausdrückt 3). Nicht nur lebendig ist
die Seele; sie gehört nun, wie der uralte Glaube es aussprach,
zu den Höheren und Mächtigeren 4). Vielleicht, dass diese
Steigerung ihrer Würde und Macht sich ausdrücken will in der
Benennung der Todten als der Guten, Wackeren (khrestoi), die
schon in alter Zeit üblich gewesen sein muss 5), erst in diesen
späteren Zeiten aber im Anruf des Verstorbenen auf Grab-
steinen sehr gewöhnlich zu dem schlichten Grussworte hinzu-
tritt, nicht überall gleich häufig: seltener in Attika (wenigstens
auf Grabsteinen dort Eingeborener); in Böotien, Thessalien, in
kleinasiatischen Landschaften sehr oft und fast regelmässig 6).
Es liegt in der That nahe, anzunehmen 7), dass diese ursprüng-

Trajan). So wird der Name des eros dreimal bei Opfer und Verehrung
ausgerufen: oben p. 163 Anm.
1) Grabstein des Q. Marcius Strato (etwa 2. Jahrh. nach Chr.),
Athen. Mittheil. 1892 p. 272. V. 5 ff.: toigar, osoi Bromio Paphie te neoi
memelesthe, deuomenon geraon me paraneisthe taphon; alla parasteikhontes e
ounoma kleinon omarte bostreet e Radinas sumpatageite kheras. Die Auf-
geforderten antworten: prosennepo Stratona kai timo kroto.
2) Auf attischen Lekythen öfter dargestellt (Pottier Les lecythes
blancs
etc. p. 57).
3) Götter, ihre Standbilder werden so verehrt. Sittl, Gebärden p. 182.
4) beltiones kai kreittones. Aristoteles, Eudemos, fr. 37.
5) khrestous poiein, euphemistisch für: apoktinnunai, in einem Vertrag
zwischen Tegea und Sparta. Aristoteles fr. 542.
6) khreste khaire (und ähnlich) mit und ohne eros trifft man sehr ge-
wöhnlich auf Grabinschriften aus Thessalien, Böotien, kleinasiatischen
Landschaften an (auch auf Cypern). Auf attischen Grabsteinen scheint
die Bezeichnung als khrestos sich auf Fremde, meist fremde Sklaven, zu
beschränken (s. K. Keil, Jahrb. f. Phil. Suppl. 4, 628; Gutscher, Die
att. Grabschriften
I p. 24; II p. 13).
7) mit Gutscher a. O. I 24; II 39. -- Daraus, dass in Attika Ein-

nimmt er noch den theuren Klang. Auf einem athenischen
Grabsteine 1) fordert der Todte die Genossen der Schauspieler-
zunft, der er angehört, die ihn bestattet hatte, auf, beim Vor-
überwandeln an seinem Grabe im Chor seinen Namen auszu-
rufen und ihn (wie er es im Leben gewohnt war) durch Hände-
klatschen zu erfreuen. Sonst wirft wohl der Vorübergehende
dem Todten eine Kusshand zu 2); das ist eine Gebärde, die
Verehrung eines Höheren ausdrückt 3). Nicht nur lebendig ist
die Seele; sie gehört nun, wie der uralte Glaube es aussprach,
zu den Höheren und Mächtigeren 4). Vielleicht, dass diese
Steigerung ihrer Würde und Macht sich ausdrücken will in der
Benennung der Todten als der Guten, Wackeren (χρηστοί), die
schon in alter Zeit üblich gewesen sein muss 5), erst in diesen
späteren Zeiten aber im Anruf des Verstorbenen auf Grab-
steinen sehr gewöhnlich zu dem schlichten Grussworte hinzu-
tritt, nicht überall gleich häufig: seltener in Attika (wenigstens
auf Grabsteinen dort Eingeborener); in Böotien, Thessalien, in
kleinasiatischen Landschaften sehr oft und fast regelmässig 6).
Es liegt in der That nahe, anzunehmen 7), dass diese ursprüng-

Trajan). So wird der Name des ἥρως dreimal bei Opfer und Verehrung
ausgerufen: oben p. 163 Anm.
1) Grabstein des Q. Marcius Strato (etwa 2. Jahrh. nach Chr.),
Athen. Mittheil. 1892 p. 272. V. 5 ff.: τοίγαρ, ὅσοι Βρομίῳ Παφίῃ τε νέοι
μεμέλησϑε, δευόμενον γεράων μὴ παρανεῖσϑε τάφον· ἀλλὰ παραστείχοντες ἤ
οὔνομα κλεινὸν ὁμαρτῇ βωστρέετ̕ ἤ ῥαδινὰς συμπαταγεῖτε χέρας. Die Auf-
geforderten antworten: προσεννέπω Στράτωνα καὶ τιμῶ κρότῳ.
2) Auf attischen Lekythen öfter dargestellt (Pottier Les lécythes
blancs
etc. p. 57).
3) Götter, ihre Standbilder werden so verehrt. Sittl, Gebärden p. 182.
4) βελτίονες καὶ κρείττονες. Aristoteles, Εὔδημος, fr. 37.
5) χρηστοὺς ποιεῖν, euphemistisch für: ἀποκτιννύναι, in einem Vertrag
zwischen Tegea und Sparta. Aristoteles fr. 542.
6) χρηστὲ χαῖρε (und ähnlich) mit und ohne ἥρως trifft man sehr ge-
wöhnlich auf Grabinschriften aus Thessalien, Böotien, kleinasiatischen
Landschaften an (auch auf Cypern). Auf attischen Grabsteinen scheint
die Bezeichnung als χρηστός sich auf Fremde, meist fremde Sklaven, zu
beschränken (s. K. Keil, Jahrb. f. Phil. Suppl. 4, 628; Gutscher, Die
att. Grabschriften
I p. 24; II p. 13).
7) mit Gutscher a. O. I 24; II 39. — Daraus, dass in Attika Ein-
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[635/0651] nimmt er noch den theuren Klang. Auf einem athenischen Grabsteine 1) fordert der Todte die Genossen der Schauspieler- zunft, der er angehört, die ihn bestattet hatte, auf, beim Vor- überwandeln an seinem Grabe im Chor seinen Namen auszu- rufen und ihn (wie er es im Leben gewohnt war) durch Hände- klatschen zu erfreuen. Sonst wirft wohl der Vorübergehende dem Todten eine Kusshand zu 2); das ist eine Gebärde, die Verehrung eines Höheren ausdrückt 3). Nicht nur lebendig ist die Seele; sie gehört nun, wie der uralte Glaube es aussprach, zu den Höheren und Mächtigeren 4). Vielleicht, dass diese Steigerung ihrer Würde und Macht sich ausdrücken will in der Benennung der Todten als der Guten, Wackeren (χρηστοί), die schon in alter Zeit üblich gewesen sein muss 5), erst in diesen späteren Zeiten aber im Anruf des Verstorbenen auf Grab- steinen sehr gewöhnlich zu dem schlichten Grussworte hinzu- tritt, nicht überall gleich häufig: seltener in Attika (wenigstens auf Grabsteinen dort Eingeborener); in Böotien, Thessalien, in kleinasiatischen Landschaften sehr oft und fast regelmässig 6). Es liegt in der That nahe, anzunehmen 7), dass diese ursprüng- 4) 1) Grabstein des Q. Marcius Strato (etwa 2. Jahrh. nach Chr.), Athen. Mittheil. 1892 p. 272. V. 5 ff.: τοίγαρ, ὅσοι Βρομίῳ Παφίῃ τε νέοι μεμέλησϑε, δευόμενον γεράων μὴ παρανεῖσϑε τάφον· ἀλλὰ παραστείχοντες ἤ οὔνομα κλεινὸν ὁμαρτῇ βωστρέετ̕ ἤ ῥαδινὰς συμπαταγεῖτε χέρας. Die Auf- geforderten antworten: προσεννέπω Στράτωνα καὶ τιμῶ κρότῳ. 2) Auf attischen Lekythen öfter dargestellt (Pottier Les lécythes blancs etc. p. 57). 3) Götter, ihre Standbilder werden so verehrt. Sittl, Gebärden p. 182. 4) βελτίονες καὶ κρείττονες. Aristoteles, Εὔδημος, fr. 37. 5) χρηστοὺς ποιεῖν, euphemistisch für: ἀποκτιννύναι, in einem Vertrag zwischen Tegea und Sparta. Aristoteles fr. 542. 6) χρηστὲ χαῖρε (und ähnlich) mit und ohne ἥρως trifft man sehr ge- wöhnlich auf Grabinschriften aus Thessalien, Böotien, kleinasiatischen Landschaften an (auch auf Cypern). Auf attischen Grabsteinen scheint die Bezeichnung als χρηστός sich auf Fremde, meist fremde Sklaven, zu beschränken (s. K. Keil, Jahrb. f. Phil. Suppl. 4, 628; Gutscher, Die att. Grabschriften I p. 24; II p. 13). 7) mit Gutscher a. O. I 24; II 39. — Daraus, dass in Attika Ein- 4) Trajan). So wird der Name des ἥρως dreimal bei Opfer und Verehrung ausgerufen: oben p. 163 Anm.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 635. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/651>, abgerufen am 21.11.2024.