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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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Platos Sinnesart festhaltend, gar zu einsam gestanden in einer
veränderten Zeit, einsamer noch als er selbst schon in der
seinigen stand.

Das Griechenthum trat in einen neuen, den letzten Ab-
schnitt seiner Entwicklung. Der griechischen Volkskraft, die
bei dem drohenden Zusammensturz der alten politischen Ge-
bilde am Ende des vierten Jahrhunderts schon nahezu ge-
brochen scheinen konnte, wuchsen nach der Eroberung des
Orients durch Makedonier und Griechen neue Aufgaben zu, und
mit den Aufgaben neue Fähigkeiten. Die Polis zwar, der
ächteste Ausdruck organisirenden Vermögens des Griechen-
thums, liess sich nicht neu beleben. Was von den alten, eng
geschlossenen Stadtrepubliken nicht in stürmischem Anprall
zusammenbrach, siechte in faulem Frieden dahin. Selten sind
die Ausnahmen, in denen sich (wie namentlich auf Rhodus)
ein kräftigeres Leben selbständig erhielt. Die neuen Grossstädte
der makedonischen Reiche, mit ihrer aus vielerlei Volk zu-
sammengemischten Bevölkerung, boten keinen Ersatz für das
Verlorene; die Bünde, in denen Griechenland eine eigene
Staatsform von weiterer Spannung begründen zu wollen schien,
erlagen frühzeitig innerer Verderbniss und äusserer Gewalt.
Auch im innerlichen Wesen liess die schrankenlose Ausbrei-
tung griechischen Lebens nach Osten und Westen den alten
Nationalgeist, der in der Begrenzung des Eigenen seine
Stärke hatte, nicht unbeschädigt. Immer blieb es ein unver-
gleichlicher Vorzug, ein Grieche zu sein; aber Grieche war

mos und wohl auch im Protreptikos). Systematisirt, scheint es, hat, vom
spätesten Standpunkt Platonischer Speculation aus, auch diese Lehren
namentlich Xenokrates. Es mag Zufall sein, dass wir von asketischer
Sinnesrichtung und überweltlicher Tendenz auf Abscheidung der Seele
vom Sinnlichen nichts Zuverlässiges in Betreff des Xenokrates hören.
Dem Krantor dient (in dem viel gelesenen Büchlein peri penthous) Plato-
nische Seelenlehre und was sich an sie phantasievoll anschliessen liess,
schon wesentlich nur als litterarisches Reizmittel. Bereits sein Lehrer
Polemo lässt einen von Platonischer Mystik abgewendeten Sinn erkennen.
Mit Arkesilaos verschwindet die letzte Spur dieser Sinnesweise.

Platos Sinnesart festhaltend, gar zu einsam gestanden in einer
veränderten Zeit, einsamer noch als er selbst schon in der
seinigen stand.

Das Griechenthum trat in einen neuen, den letzten Ab-
schnitt seiner Entwicklung. Der griechischen Volkskraft, die
bei dem drohenden Zusammensturz der alten politischen Ge-
bilde am Ende des vierten Jahrhunderts schon nahezu ge-
brochen scheinen konnte, wuchsen nach der Eroberung des
Orients durch Makedonier und Griechen neue Aufgaben zu, und
mit den Aufgaben neue Fähigkeiten. Die Polis zwar, der
ächteste Ausdruck organisirenden Vermögens des Griechen-
thums, liess sich nicht neu beleben. Was von den alten, eng
geschlossenen Stadtrepubliken nicht in stürmischem Anprall
zusammenbrach, siechte in faulem Frieden dahin. Selten sind
die Ausnahmen, in denen sich (wie namentlich auf Rhodus)
ein kräftigeres Leben selbständig erhielt. Die neuen Grossstädte
der makedonischen Reiche, mit ihrer aus vielerlei Volk zu-
sammengemischten Bevölkerung, boten keinen Ersatz für das
Verlorene; die Bünde, in denen Griechenland eine eigene
Staatsform von weiterer Spannung begründen zu wollen schien,
erlagen frühzeitig innerer Verderbniss und äusserer Gewalt.
Auch im innerlichen Wesen liess die schrankenlose Ausbrei-
tung griechischen Lebens nach Osten und Westen den alten
Nationalgeist, der in der Begrenzung des Eigenen seine
Stärke hatte, nicht unbeschädigt. Immer blieb es ein unver-
gleichlicher Vorzug, ein Grieche zu sein; aber Grieche war

μος und wohl auch im Προτρεπτικός). Systematisirt, scheint es, hat, vom
spätesten Standpunkt Platonischer Speculation aus, auch diese Lehren
namentlich Xenokrates. Es mag Zufall sein, dass wir von asketischer
Sinnesrichtung und überweltlicher Tendenz auf Abscheidung der Seele
vom Sinnlichen nichts Zuverlässiges in Betreff des Xenokrates hören.
Dem Krantor dient (in dem viel gelesenen Büchlein περὶ πένϑους) Plato-
nische Seelenlehre und was sich an sie phantasievoll anschliessen liess,
schon wesentlich nur als litterarisches Reizmittel. Bereits sein Lehrer
Polemo lässt einen von Platonischer Mystik abgewendeten Sinn erkennen.
Mit Arkesilaos verschwindet die letzte Spur dieser Sinnesweise.
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[588/0604] Platos Sinnesart festhaltend, gar zu einsam gestanden in einer veränderten Zeit, einsamer noch als er selbst schon in der seinigen stand. Das Griechenthum trat in einen neuen, den letzten Ab- schnitt seiner Entwicklung. Der griechischen Volkskraft, die bei dem drohenden Zusammensturz der alten politischen Ge- bilde am Ende des vierten Jahrhunderts schon nahezu ge- brochen scheinen konnte, wuchsen nach der Eroberung des Orients durch Makedonier und Griechen neue Aufgaben zu, und mit den Aufgaben neue Fähigkeiten. Die Polis zwar, der ächteste Ausdruck organisirenden Vermögens des Griechen- thums, liess sich nicht neu beleben. Was von den alten, eng geschlossenen Stadtrepubliken nicht in stürmischem Anprall zusammenbrach, siechte in faulem Frieden dahin. Selten sind die Ausnahmen, in denen sich (wie namentlich auf Rhodus) ein kräftigeres Leben selbständig erhielt. Die neuen Grossstädte der makedonischen Reiche, mit ihrer aus vielerlei Volk zu- sammengemischten Bevölkerung, boten keinen Ersatz für das Verlorene; die Bünde, in denen Griechenland eine eigene Staatsform von weiterer Spannung begründen zu wollen schien, erlagen frühzeitig innerer Verderbniss und äusserer Gewalt. Auch im innerlichen Wesen liess die schrankenlose Ausbrei- tung griechischen Lebens nach Osten und Westen den alten Nationalgeist, der in der Begrenzung des Eigenen seine Stärke hatte, nicht unbeschädigt. Immer blieb es ein unver- gleichlicher Vorzug, ein Grieche zu sein; aber Grieche war 1) 1) μος und wohl auch im Προτρεπτικός). Systematisirt, scheint es, hat, vom spätesten Standpunkt Platonischer Speculation aus, auch diese Lehren namentlich Xenokrates. Es mag Zufall sein, dass wir von asketischer Sinnesrichtung und überweltlicher Tendenz auf Abscheidung der Seele vom Sinnlichen nichts Zuverlässiges in Betreff des Xenokrates hören. Dem Krantor dient (in dem viel gelesenen Büchlein περὶ πένϑους) Plato- nische Seelenlehre und was sich an sie phantasievoll anschliessen liess, schon wesentlich nur als litterarisches Reizmittel. Bereits sein Lehrer Polemo lässt einen von Platonischer Mystik abgewendeten Sinn erkennen. Mit Arkesilaos verschwindet die letzte Spur dieser Sinnesweise.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 588. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/604>, abgerufen am 22.11.2024.