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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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gisch-iambischen) Dichtung, die, für ein weites und unge-
sichtetes Publikum bestimmt, dem Fühlen und Sinnen einen,
Allen verständlichen Ausdruck giebt, kaum jemals jene ge-
steigerte Vorstellung von Würde und Bestimmung der Seele
sich ausspricht. Die Betrachtung verweilt nicht auf diesem
dunklen Gebiete; wo sie dennoch ein flüchtiges Licht dorthin
wirft, da zeigen sich noch immer Umrisse der Gestaltungen
einer Geisterwelt, so wie homerische Phantasie sie gebildet
hatte. --

Leben und Licht ist nur auf dieser Welt 1); der Tod, dem
wir alle uns schuldig sind 2), führt die Seelen in ein Reich der
Nichtigkeit 3). Sprachlos, lautlos wie ein Steinbild liegt der
Todte im Grabe 4). Auf Erden, nicht in einem schattenhaften
Jenseits, vollzieht die göttliche Gerechtigkeit ihr Gericht 5), an
dem Frevler selbst oder seinen Nachkommen, in denen von
ihm etwas fortlebt, deren entbehren zu müssen der kinderlos
aus dem Leben Scheidende als tiefsten Schmerz mit sich in den
Hades nimmt 6).

1) Im Hades hat für alle Menschen jeder Genuss ein Ende; daher
Mahnung auf Erden der Jugendlust zu geniessen: Theognis 973 ff. vgl.
877 f. 1191 ff. 1009 f.; Solon 24; Theogn. 719 ff.
2) thanato pantes opheilometha. Alter Spruch, oft wiederholt. Vgl.
Bergk zu Simonid. 122, 2; Nauck zu Soph. El. 1173.
3) Hades selbst, in der Thätigkeit des Thanatos, entrafft die Seelen
zur Unterwelt. So schon bei Simon. Amorg. 1, 13 f.: tous d Arei de-
dmemenous pempei melaines. Aides upo khthonos. Im metonymischen Ge-
brauch ist ja Aides für thanatos seit Pindar ganz üblich. Daran
bekräftigte sich dann aber auch wieder die Verwendung des Namens
Aides statt des persönlichen Thanatos. So namentlich bei Pindar, ol.
9, 33--35. Sonst z. B. epigr. Kaib. 89, 3. 4. tonde -- marpsas Aides oi
skotias amphebalen pterugas. Vgl. 201, 2; 252, 1. 2. So ist auch bei Eu-
ripides Alcest. 261 der statt des Thanatos genannte pterotos Aidas nicht
zu verdrängen (auch nicht durch das an sich sinnreiche blepon -- adan).
4) deron enerthen ges olesas psukhen keisomai oste lithos aphthoggos.
Theognis 567 f. -- Der Zustand im Hades ganz nach homerischen Schil-
derungen gedacht: Theogn. 704--710.
5) S. besonders Solon 13, 29 ff.; Theognis 731--742; 205 ff.
6) Mimnerm. 2, 13: allos d au paidon epideuetai, onte malista imei-
ron khata ges erkhetai eis Aiden. Ohne Kinder kein gesicherter Seelen-

gisch-iambischen) Dichtung, die, für ein weites und unge-
sichtetes Publikum bestimmt, dem Fühlen und Sinnen einen,
Allen verständlichen Ausdruck giebt, kaum jemals jene ge-
steigerte Vorstellung von Würde und Bestimmung der Seele
sich ausspricht. Die Betrachtung verweilt nicht auf diesem
dunklen Gebiete; wo sie dennoch ein flüchtiges Licht dorthin
wirft, da zeigen sich noch immer Umrisse der Gestaltungen
einer Geisterwelt, so wie homerische Phantasie sie gebildet
hatte. —

Leben und Licht ist nur auf dieser Welt 1); der Tod, dem
wir alle uns schuldig sind 2), führt die Seelen in ein Reich der
Nichtigkeit 3). Sprachlos, lautlos wie ein Steinbild liegt der
Todte im Grabe 4). Auf Erden, nicht in einem schattenhaften
Jenseits, vollzieht die göttliche Gerechtigkeit ihr Gericht 5), an
dem Frevler selbst oder seinen Nachkommen, in denen von
ihm etwas fortlebt, deren entbehren zu müssen der kinderlos
aus dem Leben Scheidende als tiefsten Schmerz mit sich in den
Hades nimmt 6).

1) Im Hades hat für alle Menschen jeder Genuss ein Ende; daher
Mahnung auf Erden der Jugendlust zu geniessen: Theognis 973 ff. vgl.
877 f. 1191 ff. 1009 f.; Solon 24; Theogn. 719 ff.
2) ϑανάτῳ πάντες ὀφειλόμεϑα. Alter Spruch, oft wiederholt. Vgl.
Bergk zu Simonid. 122, 2; Nauck zu Soph. El. 1173.
3) Hades selbst, in der Thätigkeit des Thanatos, entrafft die Seelen
zur Unterwelt. So schon bei Simon. Amorg. 1, 13 f.: τοὺς δ̕ Ἄρει δε-
δμημένους πέμπει μελαίνης. Ἀΐδης ὑπὸ χϑονός. Im metonymischen Ge-
brauch ist ja Ἅιδης für ϑάνατος seit Pindar ganz üblich. Daran
bekräftigte sich dann aber auch wieder die Verwendung des Namens
Ἅιδης statt des persönlichen Θάνατος. So namentlich bei Pindar, ol.
9, 33—35. Sonst z. B. epigr. Kaib. 89, 3. 4. τόνδε — μάρψας Ἅιδης οἱ
σκοτίας ἀμφέβαλεν πτέρυγας. Vgl. 201, 2; 252, 1. 2. So ist auch bei Eu-
ripides Alcest. 261 der statt des Thanatos genannte πτερωτὸς Ἅιδας nicht
zu verdrängen (auch nicht durch das an sich sinnreiche βλέπων — ᾅδαν).
4) δηρὸν ἔνερϑεν γῆς ὀλέσας ψυχὴν κείσομαι ὥστε λίϑος ἄφϑογγος.
Theognis 567 f. — Der Zustand im Hades ganz nach homerischen Schil-
derungen gedacht: Theogn. 704—710.
5) S. besonders Solon 13, 29 ff.; Theognis 731—742; 205 ff.
6) Mimnerm. 2, 13: ἄλλος δ̕ αὖ παίδων ἐπιδεύεται, ὧντε μάλιστα ἱμεί-
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[491/0507] gisch-iambischen) Dichtung, die, für ein weites und unge- sichtetes Publikum bestimmt, dem Fühlen und Sinnen einen, Allen verständlichen Ausdruck giebt, kaum jemals jene ge- steigerte Vorstellung von Würde und Bestimmung der Seele sich ausspricht. Die Betrachtung verweilt nicht auf diesem dunklen Gebiete; wo sie dennoch ein flüchtiges Licht dorthin wirft, da zeigen sich noch immer Umrisse der Gestaltungen einer Geisterwelt, so wie homerische Phantasie sie gebildet hatte. — Leben und Licht ist nur auf dieser Welt 1); der Tod, dem wir alle uns schuldig sind 2), führt die Seelen in ein Reich der Nichtigkeit 3). Sprachlos, lautlos wie ein Steinbild liegt der Todte im Grabe 4). Auf Erden, nicht in einem schattenhaften Jenseits, vollzieht die göttliche Gerechtigkeit ihr Gericht 5), an dem Frevler selbst oder seinen Nachkommen, in denen von ihm etwas fortlebt, deren entbehren zu müssen der kinderlos aus dem Leben Scheidende als tiefsten Schmerz mit sich in den Hades nimmt 6). 1) Im Hades hat für alle Menschen jeder Genuss ein Ende; daher Mahnung auf Erden der Jugendlust zu geniessen: Theognis 973 ff. vgl. 877 f. 1191 ff. 1009 f.; Solon 24; Theogn. 719 ff. 2) ϑανάτῳ πάντες ὀφειλόμεϑα. Alter Spruch, oft wiederholt. Vgl. Bergk zu Simonid. 122, 2; Nauck zu Soph. El. 1173. 3) Hades selbst, in der Thätigkeit des Thanatos, entrafft die Seelen zur Unterwelt. So schon bei Simon. Amorg. 1, 13 f.: τοὺς δ̕ Ἄρει δε- δμημένους πέμπει μελαίνης. Ἀΐδης ὑπὸ χϑονός. Im metonymischen Ge- brauch ist ja Ἅιδης für ϑάνατος seit Pindar ganz üblich. Daran bekräftigte sich dann aber auch wieder die Verwendung des Namens Ἅιδης statt des persönlichen Θάνατος. So namentlich bei Pindar, ol. 9, 33—35. Sonst z. B. epigr. Kaib. 89, 3. 4. τόνδε — μάρψας Ἅιδης οἱ σκοτίας ἀμφέβαλεν πτέρυγας. Vgl. 201, 2; 252, 1. 2. So ist auch bei Eu- ripides Alcest. 261 der statt des Thanatos genannte πτερωτὸς Ἅιδας nicht zu verdrängen (auch nicht durch das an sich sinnreiche βλέπων — ᾅδαν). 4) δηρὸν ἔνερϑεν γῆς ὀλέσας ψυχὴν κείσομαι ὥστε λίϑος ἄφϑογγος. Theognis 567 f. — Der Zustand im Hades ganz nach homerischen Schil- derungen gedacht: Theogn. 704—710. 5) S. besonders Solon 13, 29 ff.; Theognis 731—742; 205 ff. 6) Mimnerm. 2, 13: ἄλλος δ̕ αὖ παίδων ἐπιδεύεται, ὧντε μάλιστα ἱμεί- ρων χατὰ γῆς ἔρχεται εἰς Ἀΐδην. Ohne Kinder kein gesicherter Seelen-

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/507>, abgerufen am 21.11.2024.