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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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den1). Nicht ohne Grund fühlt man sich bei solchen Vorstellungen
an Sagen vom wilden Jäger und dem wüthenden Heere er-
innert2), wie sie in neueren Zeiten bei manchen Völkern um-
liefen. Gleicher Glaube hat hier wie dort die gleichen Bilder
hervorgerufen, die sich gegenseitig erläutern. Vielleicht fehlt
auch ein historischer Zusammenhang nicht3). Diese nächtlich

1) Hekate wird selbst (ohne Zweifel nach ältester Vorstellung) als
hundeköpfig gedacht (sie hat skulakodea phonen hymn. mag. 5, 17 Ab.),
ja als Hündin (s. Hesych Ekates agalma, und besonders Bekk. anecd.
336, 31--337, 5. Hekate mit Kerberos identisch: Lyd. de mens. 3, 4
p. 88, 3 R. Geradezu als Hündin wird sie angerufen kuria Ekate einodia,
kuon melaina im Pariser Zauberbuch 1432 ff. [p. 80]); eben darum sind
ihr Hunde heilig und werden ihr geopfert (ältestes Zeugniss: Sophron in
Schol. Lycophr. 77). Die Hunde, mit denen sie bei Nacht herumschweift,
sind ebenso dämonische Wesen wie Hekate selbst. Porphyrius (solcher
Dinge besonders kundig) sagte saphos, die Hunde der Hekate seien poneroi
daimones: Euseb. praep. ev. 4, 23, 7. 8. Ein solches als Hund erscheinen-
des Seelenwesen ist die Hekabe nach Lykophrons Darstellung, v. 1174
bis 1180. Hekabe wird durch Hekate (Brimo) verwandelt in eine ihrer
Begleiterinnen (epopida), die durch nächtliches Gebell die Menschen
schrecken, die der Göttin zu opfern versäumt haben. -- Hunde als Bilder
der Seelen auf Grabreliefs? S. oben p. 221 Anm. (Erinyen als Hunde.
Keren als "Hunde des Hades" gedacht: Apoll. Rhod. 4, 1665 ff. Anthol.
Pal. 7, 439, 3 u. s. w. Ruhnken, Epist. crit. I 94).
2) S. Dilthey, Rhein. Mus. 25, 332 ff.
3) Die italische Diana, längst mit der Hekate verschmolzen, blieb den
christianisirten Völkern des frühen Mittelalters vertraut (Erwähnungen
bei christl. Autoren: Grimm D. Mythol.4 235; 237; 778; 792; 972. O.
Jahn, Bös. Blick 108) und Mittelpunct des unendlichen Aberglaubens, der
sich aus griechisch-römischer Ueberlieferung in jene Zeiten hinüber-
geschleppt hat. Von nächtlichem Reiten vieler Weiber (d. h. "Seelen"
von Weibern) cum Diana, paganorum dea berichtet als verbreiteter Wahn-
vorstellung der, in den Streitigkeiten um das Hexenwesen so vielfach
angerufene sog. canon episcopi, der sich, wie es scheint, nicht über
Regino (Ende des 9. Jahrh.) zurückverfolgen lässt (von diesem aus der,
wie man meint, im 6. Jahrh. verfassten Pseudoaugustinischen Schrift de
spiritu et anima
entlehnt), dann durch Wiederholung bei Burkard von
Worms, in dem Decret des Gratian und sonst noch oft dem Mittelalter
ungemein vertraut wurde (Abdruck der Stelle des Burkard bei Grimm
D. Myth.4 III p. 405. Dass das Ganze ein canon des Concils von
Ancyra [314] sei, ist freilich nur eine irrige Meinung des Burkard).
Diesen Glauben an die nächtliche wilde Jagd der Diana mit den Seelen
darf man als einen Rest der alten Vorstellung von Hekate und ihrem

den1). Nicht ohne Grund fühlt man sich bei solchen Vorstellungen
an Sagen vom wilden Jäger und dem wüthenden Heere er-
innert2), wie sie in neueren Zeiten bei manchen Völkern um-
liefen. Gleicher Glaube hat hier wie dort die gleichen Bilder
hervorgerufen, die sich gegenseitig erläutern. Vielleicht fehlt
auch ein historischer Zusammenhang nicht3). Diese nächtlich

1) Hekate wird selbst (ohne Zweifel nach ältester Vorstellung) als
hundeköpfig gedacht (sie hat σκυλακώδεα φωνήν hymn. mag. 5, 17 Ab.),
ja als Hündin (s. Hesych Ἑκάτης ἄγαλμα, und besonders Bekk. anecd.
336, 31—337, 5. Hekate mit Kerberos identisch: Lyd. de mens. 3, 4
p. 88, 3 R. Geradezu als Hündin wird sie angerufen κυρία Ἑκάτη εἰνοδία,
κύων μέλαινα im Pariser Zauberbuch 1432 ff. [p. 80]); eben darum sind
ihr Hunde heilig und werden ihr geopfert (ältestes Zeugniss: Sophron in
Schol. Lycophr. 77). Die Hunde, mit denen sie bei Nacht herumschweift,
sind ebenso dämonische Wesen wie Hekate selbst. Porphyrius (solcher
Dinge besonders kundig) sagte σαφῶς, die Hunde der Hekate seien πονηροὶ
δαίμονες: Euseb. praep. ev. 4, 23, 7. 8. Ein solches als Hund erscheinen-
des Seelenwesen ist die Hekabe nach Lykophrons Darstellung, v. 1174
bis 1180. Hekabe wird durch Hekate (Brimo) verwandelt in eine ihrer
Begleiterinnen (ἑπωπίδα), die durch nächtliches Gebell die Menschen
schrecken, die der Göttin zu opfern versäumt haben. — Hunde als Bilder
der Seelen auf Grabreliefs? S. oben p. 221 Anm. (Erinyen als Hunde.
Keren als „Hunde des Hades“ gedacht: Apoll. Rhod. 4, 1665 ff. Anthol.
Pal. 7, 439, 3 u. s. w. Ruhnken, Epist. crit. I 94).
2) S. Dilthey, Rhein. Mus. 25, 332 ff.
3) Die italische Diana, längst mit der Hekate verschmolzen, blieb den
christianisirten Völkern des frühen Mittelalters vertraut (Erwähnungen
bei christl. Autoren: Grimm D. Mythol.4 235; 237; 778; 792; 972. O.
Jahn, Bös. Blick 108) und Mittelpunct des unendlichen Aberglaubens, der
sich aus griechisch-römischer Ueberlieferung in jene Zeiten hinüber-
geschleppt hat. Von nächtlichem Reiten vieler Weiber (d. h. „Seelen“
von Weibern) cum Diana, paganorum dea berichtet als verbreiteter Wahn-
vorstellung der, in den Streitigkeiten um das Hexenwesen so vielfach
angerufene sog. canon episcopi, der sich, wie es scheint, nicht über
Regino (Ende des 9. Jahrh.) zurückverfolgen lässt (von diesem aus der,
wie man meint, im 6. Jahrh. verfassten Pseudoaugustinischen Schrift de
spiritu et anima
entlehnt), dann durch Wiederholung bei Burkard von
Worms, in dem Decret des Gratian und sonst noch oft dem Mittelalter
ungemein vertraut wurde (Abdruck der Stelle des Burkard bei Grimm
D. Myth.4 III p. 405. Dass das Ganze ein canon des Concils von
Ancyra [314] sei, ist freilich nur eine irrige Meinung des Burkard).
Diesen Glauben an die nächtliche wilde Jagd der Diana mit den Seelen
darf man als einen Rest der alten Vorstellung von Hekate und ihrem
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[375/0391] den 1). Nicht ohne Grund fühlt man sich bei solchen Vorstellungen an Sagen vom wilden Jäger und dem wüthenden Heere er- innert 2), wie sie in neueren Zeiten bei manchen Völkern um- liefen. Gleicher Glaube hat hier wie dort die gleichen Bilder hervorgerufen, die sich gegenseitig erläutern. Vielleicht fehlt auch ein historischer Zusammenhang nicht 3). Diese nächtlich 1) Hekate wird selbst (ohne Zweifel nach ältester Vorstellung) als hundeköpfig gedacht (sie hat σκυλακώδεα φωνήν hymn. mag. 5, 17 Ab.), ja als Hündin (s. Hesych Ἑκάτης ἄγαλμα, und besonders Bekk. anecd. 336, 31—337, 5. Hekate mit Kerberos identisch: Lyd. de mens. 3, 4 p. 88, 3 R. Geradezu als Hündin wird sie angerufen κυρία Ἑκάτη εἰνοδία, κύων μέλαινα im Pariser Zauberbuch 1432 ff. [p. 80]); eben darum sind ihr Hunde heilig und werden ihr geopfert (ältestes Zeugniss: Sophron in Schol. Lycophr. 77). Die Hunde, mit denen sie bei Nacht herumschweift, sind ebenso dämonische Wesen wie Hekate selbst. Porphyrius (solcher Dinge besonders kundig) sagte σαφῶς, die Hunde der Hekate seien πονηροὶ δαίμονες: Euseb. praep. ev. 4, 23, 7. 8. Ein solches als Hund erscheinen- des Seelenwesen ist die Hekabe nach Lykophrons Darstellung, v. 1174 bis 1180. Hekabe wird durch Hekate (Brimo) verwandelt in eine ihrer Begleiterinnen (ἑπωπίδα), die durch nächtliches Gebell die Menschen schrecken, die der Göttin zu opfern versäumt haben. — Hunde als Bilder der Seelen auf Grabreliefs? S. oben p. 221 Anm. (Erinyen als Hunde. Keren als „Hunde des Hades“ gedacht: Apoll. Rhod. 4, 1665 ff. Anthol. Pal. 7, 439, 3 u. s. w. Ruhnken, Epist. crit. I 94). 2) S. Dilthey, Rhein. Mus. 25, 332 ff. 3) Die italische Diana, längst mit der Hekate verschmolzen, blieb den christianisirten Völkern des frühen Mittelalters vertraut (Erwähnungen bei christl. Autoren: Grimm D. Mythol.4 235; 237; 778; 792; 972. O. Jahn, Bös. Blick 108) und Mittelpunct des unendlichen Aberglaubens, der sich aus griechisch-römischer Ueberlieferung in jene Zeiten hinüber- geschleppt hat. Von nächtlichem Reiten vieler Weiber (d. h. „Seelen“ von Weibern) cum Diana, paganorum dea berichtet als verbreiteter Wahn- vorstellung der, in den Streitigkeiten um das Hexenwesen so vielfach angerufene sog. canon episcopi, der sich, wie es scheint, nicht über Regino (Ende des 9. Jahrh.) zurückverfolgen lässt (von diesem aus der, wie man meint, im 6. Jahrh. verfassten Pseudoaugustinischen Schrift de spiritu et anima entlehnt), dann durch Wiederholung bei Burkard von Worms, in dem Decret des Gratian und sonst noch oft dem Mittelalter ungemein vertraut wurde (Abdruck der Stelle des Burkard bei Grimm D. Myth.4 III p. 405. Dass das Ganze ein canon des Concils von Ancyra [314] sei, ist freilich nur eine irrige Meinung des Burkard). Diesen Glauben an die nächtliche wilde Jagd der Diana mit den Seelen darf man als einen Rest der alten Vorstellung von Hekate und ihrem

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/391>, abgerufen am 25.11.2024.