Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.mehr daran fest, dass in den Darbietungen der eleusinischen Nun steht überhaupt noch zu beweisen, dass in solcher 1) In der Zeit der lebendigen Religion und den Kreisen, die von
dieser sich die reine Empfindung bewahrt hatten. Denn freilich die alle- gorisirende Mythendeutung gelehrter Kreise hatte schon im Alterthum eis pneumata kai Reumata kai sporous kai arotous kai pathe ges kai meta- bolas oron die Götter und die göttlichen Geschichten umgesetzt und auf- gelöst, wie Plutarch, de Is. et Osir. 66 klagt. Diese Allegoriker, von Anaxagoras und Metrodor an, sind die wahren Vorväter unserer Natur- mythologen; aber doch giebt Jedermann zu, dass aus ihren Deutungen lediglich gelernt werden kann, was der wahre Sinn griechischen Götter- glaubens nun einmal sicherlich nicht war. Es ist doch beachtenswerth, dass Prodikos, weil er elion kai selenen kai potamous kai leimonas kai karpous kai pan to toioutodes für die wahren Wesenheiten der griechischen Götter ausgab, zu den atheoi gerechnet wird (Sext. Empir. math. 9, 51. 52). Quam tandem religionem reliquit? fragt mit Bezug auf diesen an- tiken Propheten der "Naturreligion" der Grieche, dem Cicero, nat. d. 1, 118 nachspricht. -- Den antiken Allegorikern ist denn auch Persephone nichts als to dia ton karpon pheromenon pneuma (so Kleanthes: Plut. a. a. O.); nach Varro "bedeutet" Persephone fecunditatem seminum, die bei Miss- mehr daran fest, dass in den Darbietungen der eleusinischen Nun steht überhaupt noch zu beweisen, dass in solcher 1) In der Zeit der lebendigen Religion und den Kreisen, die von
dieser sich die reine Empfindung bewahrt hatten. Denn freilich die alle- gorisirende Mythendeutung gelehrter Kreise hatte schon im Alterthum εἰς πνεύματα καὶ ῥεύματα καὶ σπόρους καὶ ἀρότους καὶ πάϑη γῆς καὶ μετα- βολὰς ὡρῶν die Götter und die göttlichen Geschichten umgesetzt und auf- gelöst, wie Plutarch, de Is. et Osir. 66 klagt. Diese Allegoriker, von Anaxagoras und Metrodor an, sind die wahren Vorväter unserer Natur- mythologen; aber doch giebt Jedermann zu, dass aus ihren Deutungen lediglich gelernt werden kann, was der wahre Sinn griechischen Götter- glaubens nun einmal sicherlich nicht war. Es ist doch beachtenswerth, dass Prodikos, weil er ἥλιον καὶ σελήνην καὶ ποταμοὺς καὶ λειμῶνας καὶ καρποὺς καὶ πᾶν τὸ τοιουτῶδες für die wahren Wesenheiten der griechischen Götter ausgab, zu den ἄϑεοι gerechnet wird (Sext. Empir. math. 9, 51. 52). Quam tandem religionem reliquit? fragt mit Bezug auf diesen an- tiken Propheten der „Naturreligion“ der Grieche, dem Cicero, nat. d. 1, 118 nachspricht. — Den antiken Allegorikern ist denn auch Persephone nichts als τὸ διὰ τῶν καρπῶν φερόμενον πνεῦμα (so Kleanthes: Plut. a. a. O.); nach Varro „bedeutet“ Persephone fecunditatem seminum, die bei Miss- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0284" n="268"/> mehr daran fest, dass in den Darbietungen der eleusinischen<lb/> Mysterien die von ihnen entdeckte griechische „Naturreligion“<lb/> ihre wahren Orgien gefeiert habe. Demeter sei die Erde, Kora-<lb/> Persephone, ihre Tochter, das Saatkorn; Raub und Wieder-<lb/> kehr der Kore bedeute die Versenkung des Samenkorns in die<lb/> Erde und das Aufkeimen der Saat aus der Tiefe, oder, in<lb/> weiterer Fassung, „den jährlichen Untergang und die Erneue-<lb/> rung der Vegetation“. Irgendwie muss nun den Mysten der<lb/> eigentliche Sinn der „natursymbolischen“, mythisch eingekleideten<lb/> Handlung zu verstehen gegeben worden sein: denn sie sollen<lb/> durch deren Anschauung zu der Einsicht gefördert worden sein,<lb/> dass das Schicksal des, in Persephone personificirten Samen-<lb/> korns, sein Verschwinden in der Erde und Wiederaufkeimen,<lb/> ein Vorbild des Schicksals der menschlichen Seele sei, die eben-<lb/> falls verschwinde um wieder aufzuleben. Und dies wäre denn<lb/> der wahre Inhalt dieser heiligen Geheimnisse.</p><lb/> <p>Nun steht überhaupt noch zu beweisen, dass in solcher<lb/> sinnbildlichen Vermummung einzelner Erscheinungen und Vor-<lb/> gänge in der Natur unter der Hülle menschenähnlicher Gott-<lb/> heiten die Griechen <note xml:id="seg2pn_85_1" next="#seg2pn_85_2" place="foot" n="1)">In der Zeit der lebendigen Religion und den Kreisen, die von<lb/> dieser sich die reine Empfindung bewahrt hatten. Denn freilich die alle-<lb/> gorisirende Mythendeutung gelehrter Kreise hatte schon im Alterthum<lb/> εἰς πνεύματα καὶ ῥεύματα καὶ σπόρους καὶ ἀρότους καὶ πάϑη γῆς καὶ μετα-<lb/> βολὰς ὡρῶν die Götter und die göttlichen Geschichten umgesetzt und auf-<lb/> gelöst, wie Plutarch, <hi rendition="#i">de Is. et Osir.</hi> 66 klagt. Diese Allegoriker, von<lb/> Anaxagoras und Metrodor an, sind die wahren Vorväter unserer Natur-<lb/> mythologen; aber doch giebt Jedermann zu, dass aus ihren Deutungen<lb/> lediglich gelernt werden kann, was der wahre Sinn griechischen Götter-<lb/> glaubens nun einmal sicherlich nicht war. Es ist doch beachtenswerth,<lb/> dass Prodikos, weil er ἥλιον καὶ σελήνην καὶ ποταμοὺς καὶ λειμῶνας καὶ<lb/> καρποὺς καὶ πᾶν τὸ τοιουτῶδες für die wahren Wesenheiten der griechischen<lb/> Götter ausgab, zu den <hi rendition="#g">ἄϑεοι</hi> gerechnet wird (Sext. Empir. <hi rendition="#i">math.</hi> 9, 51.<lb/> 52). <hi rendition="#i">Quam tandem <hi rendition="#g">religionem</hi> reliquit?</hi> fragt mit Bezug auf diesen an-<lb/> tiken Propheten der „Naturreligion“ der Grieche, dem Cicero, <hi rendition="#i">nat. d.</hi><lb/> 1, 118 nachspricht. — Den antiken Allegorikern ist denn auch Persephone<lb/> nichts als τὸ διὰ τῶν καρπῶν φερόμενον πνεῦμα (so Kleanthes: Plut. <hi rendition="#i">a. a. O.</hi>);<lb/> nach Varro „bedeutet“ Persephone <hi rendition="#i">fecunditatem seminum,</hi> die bei Miss-</note> irgend etwas Religiöses oder gar ihre<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [268/0284]
mehr daran fest, dass in den Darbietungen der eleusinischen
Mysterien die von ihnen entdeckte griechische „Naturreligion“
ihre wahren Orgien gefeiert habe. Demeter sei die Erde, Kora-
Persephone, ihre Tochter, das Saatkorn; Raub und Wieder-
kehr der Kore bedeute die Versenkung des Samenkorns in die
Erde und das Aufkeimen der Saat aus der Tiefe, oder, in
weiterer Fassung, „den jährlichen Untergang und die Erneue-
rung der Vegetation“. Irgendwie muss nun den Mysten der
eigentliche Sinn der „natursymbolischen“, mythisch eingekleideten
Handlung zu verstehen gegeben worden sein: denn sie sollen
durch deren Anschauung zu der Einsicht gefördert worden sein,
dass das Schicksal des, in Persephone personificirten Samen-
korns, sein Verschwinden in der Erde und Wiederaufkeimen,
ein Vorbild des Schicksals der menschlichen Seele sei, die eben-
falls verschwinde um wieder aufzuleben. Und dies wäre denn
der wahre Inhalt dieser heiligen Geheimnisse.
Nun steht überhaupt noch zu beweisen, dass in solcher
sinnbildlichen Vermummung einzelner Erscheinungen und Vor-
gänge in der Natur unter der Hülle menschenähnlicher Gott-
heiten die Griechen 1) irgend etwas Religiöses oder gar ihre
1) In der Zeit der lebendigen Religion und den Kreisen, die von
dieser sich die reine Empfindung bewahrt hatten. Denn freilich die alle-
gorisirende Mythendeutung gelehrter Kreise hatte schon im Alterthum
εἰς πνεύματα καὶ ῥεύματα καὶ σπόρους καὶ ἀρότους καὶ πάϑη γῆς καὶ μετα-
βολὰς ὡρῶν die Götter und die göttlichen Geschichten umgesetzt und auf-
gelöst, wie Plutarch, de Is. et Osir. 66 klagt. Diese Allegoriker, von
Anaxagoras und Metrodor an, sind die wahren Vorväter unserer Natur-
mythologen; aber doch giebt Jedermann zu, dass aus ihren Deutungen
lediglich gelernt werden kann, was der wahre Sinn griechischen Götter-
glaubens nun einmal sicherlich nicht war. Es ist doch beachtenswerth,
dass Prodikos, weil er ἥλιον καὶ σελήνην καὶ ποταμοὺς καὶ λειμῶνας καὶ
καρποὺς καὶ πᾶν τὸ τοιουτῶδες für die wahren Wesenheiten der griechischen
Götter ausgab, zu den ἄϑεοι gerechnet wird (Sext. Empir. math. 9, 51.
52). Quam tandem religionem reliquit? fragt mit Bezug auf diesen an-
tiken Propheten der „Naturreligion“ der Grieche, dem Cicero, nat. d.
1, 118 nachspricht. — Den antiken Allegorikern ist denn auch Persephone
nichts als τὸ διὰ τῶν καρπῶν φερόμενον πνεῦμα (so Kleanthes: Plut. a. a. O.);
nach Varro „bedeutet“ Persephone fecunditatem seminum, die bei Miss-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |