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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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zwei Triaden von je zwei Gottheiten und einem Heros kennen:
neben Demeter und Kore Triptolemos, dazu "der Gott, die
Göttin und Eubuleus" 1). Weder von der dem Triptolemos
hier (und in zahlreichen anderen Berichten, auch auf bildlichen
Darstellungen) angewiesenen eigenthümlich bedeutenden Stellung
noch von der sonstigen Erweiterung des eleusinischen Götter-
kreises weiss der Homerische Hymnus. Es sind offenbar im
Laufe der Zeiten mit dem alten Dienst der zwei Göttinnen
mancherlei andere, aus localen Culten übernommene Gestalten
und Weisen der Verehrung verschmolzen worden, in denen
sich der Eine Typus der chthonischen Gottheit immer neu
differenzirte. Ihre Zahl ist mit den genannten Sechs noch
nicht erschöpft 2). Vor Allem ist zu dem Kreise eleusinischer
Gottheiten getreten Iakchos, der Sohn des Zeus (chthonios)
und der Persephone, ein Gott der Unterwelt auch er, von
dem Dionysos, wie ihn sonst attischer Cult auffasste, völlig
verschieden, wiewohl dennoch häufig diesem gleichgesetzt. Es

1) S. oben S. 195, 3.
2) Unklar ist, in welcher Weise die Göttin Daeira an den Eleu-
sinien betheiligt war: dass sie es war, muss man namentlich daraus
schliessen, dass unter den priesterlichen Beamten des Festes ausdrücklich
der daeirites mit aufgezählt wird (Poll. 1, 35). Sie stand in einem
gewissen Gegensatz zur Demeter; wenn sie trotzdem von Aeschylus u. A.
der Persephone gleichgesetzt wird (s. K. O. Müller, Kl. Schr. 2, 288), so
darf man dem wohl nichts weiter entnehmen, als dass auch sie eine
chthonische Gottheit war. Und dafür sprechen alle Anzeichen. Nach den,
bei Eustath. zu Il. Z 378 aus Lexicographen zusammengeschriebenen
Notizen machte sie Pherekydes zur Schwester der Styx (nicht Pherek.,
sondern der deutelnde Gelehrte, dem Eust. seine Notiz verdankt, meint,
die Daeira bedeute den Alten die ugra phusis, ebenso nach oi peri teletas
kai musteria Ael. Dionys. im Lexicon, Eust. 648, 41. Das ist eine werth-
lose allegorische Auslegung) -- eben darum Einige zur Tochter des Okeanos
(s. Müller, a. O. 244. 288) -- tines de phulaka Persephones upo Ploutonos
apodeikhthenai phasi ten Daeiran (648, 40). Darnach ein Hadesdämon, dem
Aidoneus die Gattin bewachend (vgl. die bewachenden Kokutou peridromoi
kunes bei Arist. Ran. 472, nach Euripides). Hiernach begriffe man die Feind-
schaft der Demeter. Kam diese Daeira auch als Figur in dem eleusinischen
drama mustikon vor? -- Zur Hekate, die in hymn. Cer. (und auf Vasen-
bildern) der Demeter vielmehr behülflich ist, macht sie Apoll. Rhod.

zwei Triaden von je zwei Gottheiten und einem Heros kennen:
neben Demeter und Kore Triptolemos, dazu „der Gott, die
Göttin und Eubuleus“ 1). Weder von der dem Triptolemos
hier (und in zahlreichen anderen Berichten, auch auf bildlichen
Darstellungen) angewiesenen eigenthümlich bedeutenden Stellung
noch von der sonstigen Erweiterung des eleusinischen Götter-
kreises weiss der Homerische Hymnus. Es sind offenbar im
Laufe der Zeiten mit dem alten Dienst der zwei Göttinnen
mancherlei andere, aus localen Culten übernommene Gestalten
und Weisen der Verehrung verschmolzen worden, in denen
sich der Eine Typus der chthonischen Gottheit immer neu
differenzirte. Ihre Zahl ist mit den genannten Sechs noch
nicht erschöpft 2). Vor Allem ist zu dem Kreise eleusinischer
Gottheiten getreten Iakchos, der Sohn des Zeus (chthonios)
und der Persephone, ein Gott der Unterwelt auch er, von
dem Dionysos, wie ihn sonst attischer Cult auffasste, völlig
verschieden, wiewohl dennoch häufig diesem gleichgesetzt. Es

1) S. oben S. 195, 3.
2) Unklar ist, in welcher Weise die Göttin Daeira an den Eleu-
sinien betheiligt war: dass sie es war, muss man namentlich daraus
schliessen, dass unter den priesterlichen Beamten des Festes ausdrücklich
der δαειρίτης mit aufgezählt wird (Poll. 1, 35). Sie stand in einem
gewissen Gegensatz zur Demeter; wenn sie trotzdem von Aeschylus u. A.
der Persephone gleichgesetzt wird (s. K. O. Müller, Kl. Schr. 2, 288), so
darf man dem wohl nichts weiter entnehmen, als dass auch sie eine
chthonische Gottheit war. Und dafür sprechen alle Anzeichen. Nach den,
bei Eustath. zu Il. Z 378 aus Lexicographen zusammengeschriebenen
Notizen machte sie Pherekydes zur Schwester der Styx (nicht Pherek.,
sondern der deutelnde Gelehrte, dem Eust. seine Notiz verdankt, meint,
die Daeira bedeute den Alten die ύγρά φύσις, ebenso nach οἱ περὶ τελετὰς
καὶ μυστήρια Ael. Dionys. im Lexicon, Eust. 648, 41. Das ist eine werth-
lose allegorische Auslegung) — eben darum Einige zur Tochter des Okeanos
(s. Müller, a. O. 244. 288) — τινὲς δὲ φύλακα Περσεφόνης ὑπὸ Πλούτωνος
ἀποδειχϑῆναί φασι τὴν Δάειραν (648, 40). Darnach ein Hadesdämon, dem
Aïdoneus die Gattin bewachend (vgl. die bewachenden Κωκυτοῦ περίδρομοι
κύνες bei Arist. Ran. 472, nach Euripides). Hiernach begriffe man die Feind-
schaft der Demeter. Kam diese Daeira auch als Figur in dem eleusinischen
δρᾶμα μυστικόν vor? — Zur Hekate, die in hymn. Cer. (und auf Vasen-
bildern) der Demeter vielmehr behülflich ist, macht sie Apoll. Rhod.
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[261/0277] zwei Triaden von je zwei Gottheiten und einem Heros kennen: neben Demeter und Kore Triptolemos, dazu „der Gott, die Göttin und Eubuleus“ 1). Weder von der dem Triptolemos hier (und in zahlreichen anderen Berichten, auch auf bildlichen Darstellungen) angewiesenen eigenthümlich bedeutenden Stellung noch von der sonstigen Erweiterung des eleusinischen Götter- kreises weiss der Homerische Hymnus. Es sind offenbar im Laufe der Zeiten mit dem alten Dienst der zwei Göttinnen mancherlei andere, aus localen Culten übernommene Gestalten und Weisen der Verehrung verschmolzen worden, in denen sich der Eine Typus der chthonischen Gottheit immer neu differenzirte. Ihre Zahl ist mit den genannten Sechs noch nicht erschöpft 2). Vor Allem ist zu dem Kreise eleusinischer Gottheiten getreten Iakchos, der Sohn des Zeus (chthonios) und der Persephone, ein Gott der Unterwelt auch er, von dem Dionysos, wie ihn sonst attischer Cult auffasste, völlig verschieden, wiewohl dennoch häufig diesem gleichgesetzt. Es 1) S. oben S. 195, 3. 2) Unklar ist, in welcher Weise die Göttin Daeira an den Eleu- sinien betheiligt war: dass sie es war, muss man namentlich daraus schliessen, dass unter den priesterlichen Beamten des Festes ausdrücklich der δαειρίτης mit aufgezählt wird (Poll. 1, 35). Sie stand in einem gewissen Gegensatz zur Demeter; wenn sie trotzdem von Aeschylus u. A. der Persephone gleichgesetzt wird (s. K. O. Müller, Kl. Schr. 2, 288), so darf man dem wohl nichts weiter entnehmen, als dass auch sie eine chthonische Gottheit war. Und dafür sprechen alle Anzeichen. Nach den, bei Eustath. zu Il. Z 378 aus Lexicographen zusammengeschriebenen Notizen machte sie Pherekydes zur Schwester der Styx (nicht Pherek., sondern der deutelnde Gelehrte, dem Eust. seine Notiz verdankt, meint, die Daeira bedeute den Alten die ύγρά φύσις, ebenso nach οἱ περὶ τελετὰς καὶ μυστήρια Ael. Dionys. im Lexicon, Eust. 648, 41. Das ist eine werth- lose allegorische Auslegung) — eben darum Einige zur Tochter des Okeanos (s. Müller, a. O. 244. 288) — τινὲς δὲ φύλακα Περσεφόνης ὑπὸ Πλούτωνος ἀποδειχϑῆναί φασι τὴν Δάειραν (648, 40). Darnach ein Hadesdämon, dem Aïdoneus die Gattin bewachend (vgl. die bewachenden Κωκυτοῦ περίδρομοι κύνες bei Arist. Ran. 472, nach Euripides). Hiernach begriffe man die Feind- schaft der Demeter. Kam diese Daeira auch als Figur in dem eleusinischen δρᾶμα μυστικόν vor? — Zur Hekate, die in hymn. Cer. (und auf Vasen- bildern) der Demeter vielmehr behülflich ist, macht sie Apoll. Rhod.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/277>, abgerufen am 24.11.2024.