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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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Zeus Amphiaraos und öfter ein Gott genannt 1). In den Ent-
wicklungssagen christlich gewordener Völker haben sich den alten
Göttern Helden untergeschoben, weil die Götter selbst in Ver-
gessenheit gerathen, abgeschafft sind. Nicht ganz unähnlich
ist der Grund für die Heroisirung jener alten Götter auf griechi-
schem Boden.

Ueber der unendlichen Zersplitterung griechischen Götter-
wesens hatte in der Phantasie der epischen Dichter sich ein
Gesammtbild eines Götterstaates erhoben, in jenen Zeiten der
einzige Versuch, ein panhellenisches Göttersystem aufzubauen,
und darum von grösstem Einfluss auf die Vorstellungsart der
Griechen aller Stämme: denn an alle wendet sich der epische
Dichter. Er steht wie auf einer Höhe über den einengenden
Thälern, den engumschlossenen Gauen, der weiteste Gesichts-
kreis öffnet sich ihm und er sieht über die zahllosen, einander
widerstreitenden und aufhebenden Sonderbildungen des localen
Glaubens und Cultus hinweg in's Allgemeine. Zersplitterte
sich der Name und Begriff des Zeus, des Apollo, Hermes,
der Athene und aller Götter in Sage und Religionsübung der
Städte und Stämme in unzählige einzelne Gestalten und ge-
sonderte Personen, nach örtlicher Wirkung und Art verschieden:
dem epischen Dichter schwebte Ein Zeus, Apollo u. s. w., in

(n. 413); und neben einander tu Di tu Basileii ke tu Trephoniu u. ä.
(n. 425. 429. 430). Dionuso eustaphulo kata khresmon Dios Trophoniou Ins.
aus Lebadea bei Stephani, Reise durch einige Geg. des nördl. Griechen-
lands
No. 47. -- Strabo 9, p. 414: Lebadeia opou Dios Trophoniou manteion
idrutai. Livius 45, 27, 8 Lebadiae templum Jovis Trophonii adiit. Jul.
Obseq. prod. cap. 110 (Lebadiae Eutychides in templum Jovis Trophonii
digressus
--). Dios manteion heisst das Trophoniosorakel auch bei Phot. und
Hesych. s. Lebadeia.
1) Dios Amphiaraou ieron (bei Oropos) Pseudodicaearch. descr. Gr. I
§ 6 (Geogr. gr. min. I 100). Schon bei Hyperides, in der Rede für
Euxenippos, wird Amphiaraos in Oropos durchweg als theos bezeichnet.
Liv. 45, 27, 10 (in Oropos) pro deo rates antiquus colitur. Auch den
Amphiaraos bei Theben nennt Plutarch (von der Gesandtschaft des Mar-
donios an das alte thebanische Orakel redend) theos: de def. orac. 5.
Nach Pausanias 1, 34, 2 wäre freilich Amphiaraos erst in Oropos als Gott
verehrt worden.

Zeus Amphiaraos und öfter ein Gott genannt 1). In den Ent-
wicklungssagen christlich gewordener Völker haben sich den alten
Göttern Helden untergeschoben, weil die Götter selbst in Ver-
gessenheit gerathen, abgeschafft sind. Nicht ganz unähnlich
ist der Grund für die Heroisirung jener alten Götter auf griechi-
schem Boden.

Ueber der unendlichen Zersplitterung griechischen Götter-
wesens hatte in der Phantasie der epischen Dichter sich ein
Gesammtbild eines Götterstaates erhoben, in jenen Zeiten der
einzige Versuch, ein panhellenisches Göttersystem aufzubauen,
und darum von grösstem Einfluss auf die Vorstellungsart der
Griechen aller Stämme: denn an alle wendet sich der epische
Dichter. Er steht wie auf einer Höhe über den einengenden
Thälern, den engumschlossenen Gauen, der weiteste Gesichts-
kreis öffnet sich ihm und er sieht über die zahllosen, einander
widerstreitenden und aufhebenden Sonderbildungen des localen
Glaubens und Cultus hinweg in’s Allgemeine. Zersplitterte
sich der Name und Begriff des Zeus, des Apollo, Hermes,
der Athene und aller Götter in Sage und Religionsübung der
Städte und Stämme in unzählige einzelne Gestalten und ge-
sonderte Personen, nach örtlicher Wirkung und Art verschieden:
dem epischen Dichter schwebte Ein Zeus, Apollo u. s. w., in

(n. 413); und neben einander τῦ Δὶ τῦ Βασιλεῖι κὴ τῦ Τρεφωνίυ u. ä.
(n. 425. 429. 430). Διονύσω εὐσταφύλω κατὰ χρησμὸν Διὸς Τροφωνίου Ins.
aus Lebadea bei Stephani, Reise durch einige Geg. des nördl. Griechen-
lands
No. 47. — Strabo 9, p. 414: Λεβάδεια ὅπου Διὸς Τροφωνίου μαντεῖον
ἵδρυται. Livius 45, 27, 8 Lebadiae templum Jovis Trophonii adiit. Jul.
Obseq. prod. cap. 110 (Lebadiae Eutychides in templum Jovis Trophonii
digressus
—). Διὸς μαντεῖον heisst das Trophoniosorakel auch bei Phot. und
Hesych. s. Λεβάδεια.
1) Διὸς Ἀμφιαράου ἱερόν (bei Oropos) Pseudodicaearch. descr. Gr. I
§ 6 (Geogr. gr. min. I 100). Schon bei Hyperides, in der Rede für
Euxenippos, wird Amphiaraos in Oropos durchweg als ϑεός bezeichnet.
Liv. 45, 27, 10 (in Oropos) pro deo rates antiquus colitur. Auch den
Amphiaraos bei Theben nennt Plutarch (von der Gesandtschaft des Mar-
donios an das alte thebanische Orakel redend) ϑεός: de def. orac. 5.
Nach Pausanias 1, 34, 2 wäre freilich Amphiaraos erst in Oropos als Gott
verehrt worden.
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[117/0133] Zeus Amphiaraos und öfter ein Gott genannt 1). In den Ent- wicklungssagen christlich gewordener Völker haben sich den alten Göttern Helden untergeschoben, weil die Götter selbst in Ver- gessenheit gerathen, abgeschafft sind. Nicht ganz unähnlich ist der Grund für die Heroisirung jener alten Götter auf griechi- schem Boden. Ueber der unendlichen Zersplitterung griechischen Götter- wesens hatte in der Phantasie der epischen Dichter sich ein Gesammtbild eines Götterstaates erhoben, in jenen Zeiten der einzige Versuch, ein panhellenisches Göttersystem aufzubauen, und darum von grösstem Einfluss auf die Vorstellungsart der Griechen aller Stämme: denn an alle wendet sich der epische Dichter. Er steht wie auf einer Höhe über den einengenden Thälern, den engumschlossenen Gauen, der weiteste Gesichts- kreis öffnet sich ihm und er sieht über die zahllosen, einander widerstreitenden und aufhebenden Sonderbildungen des localen Glaubens und Cultus hinweg in’s Allgemeine. Zersplitterte sich der Name und Begriff des Zeus, des Apollo, Hermes, der Athene und aller Götter in Sage und Religionsübung der Städte und Stämme in unzählige einzelne Gestalten und ge- sonderte Personen, nach örtlicher Wirkung und Art verschieden: dem epischen Dichter schwebte Ein Zeus, Apollo u. s. w., in 3) 1) Διὸς Ἀμφιαράου ἱερόν (bei Oropos) Pseudodicaearch. descr. Gr. I § 6 (Geogr. gr. min. I 100). Schon bei Hyperides, in der Rede für Euxenippos, wird Amphiaraos in Oropos durchweg als ϑεός bezeichnet. Liv. 45, 27, 10 (in Oropos) pro deo rates antiquus colitur. Auch den Amphiaraos bei Theben nennt Plutarch (von der Gesandtschaft des Mar- donios an das alte thebanische Orakel redend) ϑεός: de def. orac. 5. Nach Pausanias 1, 34, 2 wäre freilich Amphiaraos erst in Oropos als Gott verehrt worden. 3) (n. 413); und neben einander τῦ Δὶ τῦ Βασιλεῖι κὴ τῦ Τρεφωνίυ u. ä. (n. 425. 429. 430). Διονύσω εὐσταφύλω κατὰ χρησμὸν Διὸς Τροφωνίου Ins. aus Lebadea bei Stephani, Reise durch einige Geg. des nördl. Griechen- lands No. 47. — Strabo 9, p. 414: Λεβάδεια ὅπου Διὸς Τροφωνίου μαντεῖον ἵδρυται. Livius 45, 27, 8 Lebadiae templum Jovis Trophonii adiit. Jul. Obseq. prod. cap. 110 (Lebadiae Eutychides in templum Jovis Trophonii digressus —). Διὸς μαντεῖον heisst das Trophoniosorakel auch bei Phot. und Hesych. s. Λεβάδεια.

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/133>, abgerufen am 25.11.2024.