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Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894.

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wohnte eben, wie ein an den Ort seines zauberhaften Daseins
gefesselter Geist, körperlich in der Tiefe jener Höhle. Aber
auch die Incubation, der Tempelschlaf, durch den man Am-
phiaraos befragte (wie noch viele Dämonen und Heroen) be-
ruht eigentlich auf dem Glauben, dass der Dämon, der freilich
menschlichem Auge nur in der Seelenerhöhung des Traumes
sichtbar wird, seinen dauernden Wohnplatz an der Stelle des
Orakels habe 1). Eben darum kann nur an dieser Stelle und

Schlangen in seiner Höhle, zu deren Besänftigung man Honigkuchen mit
hinabnahm: er selbst ist in Schlangengestalt anwesend: ophis en o manteu-
omenos (Schol. Ar. Nub. 508 p. 105b, 32); vgl. Suidas s. Trophonios. --
Diese persönliche unvermittelte Zusammenkunft des Orakelsuchenden mit
dem Gotte war es, was das Trophoniosorakel vor anderen auszeichnete,
monon ekeino (to manteion) di autou khra tou khromenou. Philostr. V. Apoll.
8, 19, p. 335, 30. Manche hörten freilich nur, ohne zu sehen: -- tis
kai eiden kai allos ekousen. Paus. 9, 39, 11. Aber sie hörten den Gott.
1) Von Zamolxis bei den Geten (vgl. Strabo 7, 297 f.; 16, 762;
Herodot. 4, 95. 96. Etym. M. s. Zalm.), Mopsos in Kilikien, Amphi-
lochos in Akarnanien, Amphiaraos und Trophonios, also lauter Dämonen
von Incubationsorakeln redend, sagt Origenes c. Cels. 3, 34 (p. 293/4
Lomm.): ihnen kommen Tempel und agalmata zu als daimoniois ouk oid
opos idrumenois en tini topo, on -- -- oikousin. Sie haben diesen ena
kekleromenon topon inne: Orig. 7, 35 (p. 53. 54) vgl. 3, 35 g. Ende. Dort
und nur dort sind solche Dämonen daher auch sichtbar. Celsus bei
Origenes c. Cels. 7, 35 (p. 53) von den Heiligthümern des Amphiaraos,
Trophonios, Mopsos: entha phesin anthropoeideis theoreisthai theous kai ou
pseudomenous alla kai enargeis. -- opsetai tis autous oukh apax pararruentas --
all aei tois boulomenois omilountas (also immer sind sie dort anwesend).
Aristid. I p. 78 Dind.: Amphiaraos kai Trophonios en Boiotia kai Amphi-
lokhos en Aitolia khresmodousi kai phainontai. Wenn der Cult eines solchen
durch Incubation befragten Gottes sich ausbreitete, so lockerte sich natür-
lich seine Ortsgebundenheit. Entweder wurde es streitig, wo sein dauernder
Erdsitz sei (so bei Amphiaraos), oder der Gott wird allmählich ortsfrei,
an bestimmte einzelne Orte nur soweit gebunden, dass er eben ausschliess-
lich an ihnen, nicht beliebig überall erscheinen kann. So ist es mit Asklepios,
so mit einigen anderen, ebenfalls ursprünglich an Ein Local gebundenen
Dämonen, die dann epiphainontai, epiphoitosin auch in bestimmten anderen
Tempeln (vgl. beispielsweise den Bericht über die epiphaneiai des Machaon
und Podalirius in Adrotta bei Marinus, v. Procli 32; coll. Suid. s. Eustephios
[aus Damascius, v. Isid.]). Stets aber muss zu dem durch Incubation ihn
Befragenden der Gott in Person kommen: ist er abwesend, so kann auch
kein Orakel zu Stande kommen. S. die Geschichte von Amphiaraos bei
Rohde, Seelencult. 8

wohnte eben, wie ein an den Ort seines zauberhaften Daseins
gefesselter Geist, körperlich in der Tiefe jener Höhle. Aber
auch die Incubation, der Tempelschlaf, durch den man Am-
phiaraos befragte (wie noch viele Dämonen und Heroen) be-
ruht eigentlich auf dem Glauben, dass der Dämon, der freilich
menschlichem Auge nur in der Seelenerhöhung des Traumes
sichtbar wird, seinen dauernden Wohnplatz an der Stelle des
Orakels habe 1). Eben darum kann nur an dieser Stelle und

Schlangen in seiner Höhle, zu deren Besänftigung man Honigkuchen mit
hinabnahm: er selbst ist in Schlangengestalt anwesend: ὄφις ἦν ὁ μαντευ-
όμενος (Schol. Ar. Nub. 508 p. 105b, 32); vgl. Suidas s. Τροφώνιος. —
Diese persönliche unvermittelte Zusammenkunft des Orakelsuchenden mit
dem Gotte war es, was das Trophoniosorakel vor anderen auszeichnete,
μόνον ἐκεῖνο (τὸ μαντεῖον) δι̕ αὐτοῦ χρᾷ τοῦ χρωμένου. Philostr. V. Apoll.
8, 19, p. 335, 30. Manche hörten freilich nur, ohne zu sehen: — τις
καὶ εἶδεν καὶ ἄλλος ἤκουσεν. Paus. 9, 39, 11. Aber sie hörten den Gott.
1) Von Zamolxis bei den Geten (vgl. Strabo 7, 297 f.; 16, 762;
Herodot. 4, 95. 96. Etym. M. s. Ζάλμ.), Mopsos in Kilikien, Amphi-
lochos in Akarnanien, Amphiaraos und Trophonios, also lauter Dämonen
von Incubationsorakeln redend, sagt Origenes c. Cels. 3, 34 (p. 293/4
Lomm.): ihnen kommen Tempel und ἀγάλματα zu als δαιμονίοις οὐκ οἶδ̕
ὅπως ἱδρυμένοις ἔν τινι τόπῳ, ὃν — — οἰκοῦσιν. Sie haben diesen ἕνα
κεκληρωμένον τόπον inne: Orig. 7, 35 (p. 53. 54) vgl. 3, 35 g. Ende. Dort
und nur dort sind solche Dämonen daher auch sichtbar. Celsus bei
Origenes c. Cels. 7, 35 (p. 53) von den Heiligthümern des Amphiaraos,
Trophonios, Mopsos: ἔνϑα φησὶν ἀνϑρωποειδεῖς ϑεωρεῖσϑαι ϑεοὺς καὶ οὐ
ψευδομένους ἀλλἀ καὶ ἐναργεῖς. — ὄψεταί τις αὐτοὺς οὐχ ἅπαξ παραρρυέντας —
ἀλλ̕ ἀεὶ τοῖς βουλομένοις ὁμιλοῦντας (also immer sind sie dort anwesend).
Aristid. I p. 78 Dind.: Ἀμφιάραος καὶ Τροφώνιος ἐν Βοιωτίᾳ καὶ Ἀμφί-
λοχος ἐν Αἰτωλίᾳ χρησμῳδοῦσι καὶ φαίνονται. Wenn der Cult eines solchen
durch Incubation befragten Gottes sich ausbreitete, so lockerte sich natür-
lich seine Ortsgebundenheit. Entweder wurde es streitig, wo sein dauernder
Erdsitz sei (so bei Amphiaraos), oder der Gott wird allmählich ortsfrei,
an bestimmte einzelne Orte nur soweit gebunden, dass er eben ausschliess-
lich an ihnen, nicht beliebig überall erscheinen kann. So ist es mit Asklepios,
so mit einigen anderen, ebenfalls ursprünglich an Ein Local gebundenen
Dämonen, die dann ἐπιφαίνονται, ἐπιφοιτῶσιν auch in bestimmten anderen
Tempeln (vgl. beispielsweise den Bericht über die ἐπιφάνειαι des Machaon
und Podalirius in Adrotta bei Marinus, v. Procli 32; coll. Suid. s. Εὐστέφιος
[aus Damascius, v. Isid.]). Stets aber muss zu dem durch Incubation ihn
Befragenden der Gott in Person kommen: ist er abwesend, so kann auch
kein Orakel zu Stande kommen. S. die Geschichte von Amphiaraos bei
Rohde, Seelencult. 8
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[113/0129] wohnte eben, wie ein an den Ort seines zauberhaften Daseins gefesselter Geist, körperlich in der Tiefe jener Höhle. Aber auch die Incubation, der Tempelschlaf, durch den man Am- phiaraos befragte (wie noch viele Dämonen und Heroen) be- ruht eigentlich auf dem Glauben, dass der Dämon, der freilich menschlichem Auge nur in der Seelenerhöhung des Traumes sichtbar wird, seinen dauernden Wohnplatz an der Stelle des Orakels habe 1). Eben darum kann nur an dieser Stelle und 2) 1) Von Zamolxis bei den Geten (vgl. Strabo 7, 297 f.; 16, 762; Herodot. 4, 95. 96. Etym. M. s. Ζάλμ.), Mopsos in Kilikien, Amphi- lochos in Akarnanien, Amphiaraos und Trophonios, also lauter Dämonen von Incubationsorakeln redend, sagt Origenes c. Cels. 3, 34 (p. 293/4 Lomm.): ihnen kommen Tempel und ἀγάλματα zu als δαιμονίοις οὐκ οἶδ̕ ὅπως ἱδρυμένοις ἔν τινι τόπῳ, ὃν — — οἰκοῦσιν. Sie haben diesen ἕνα κεκληρωμένον τόπον inne: Orig. 7, 35 (p. 53. 54) vgl. 3, 35 g. Ende. Dort und nur dort sind solche Dämonen daher auch sichtbar. Celsus bei Origenes c. Cels. 7, 35 (p. 53) von den Heiligthümern des Amphiaraos, Trophonios, Mopsos: ἔνϑα φησὶν ἀνϑρωποειδεῖς ϑεωρεῖσϑαι ϑεοὺς καὶ οὐ ψευδομένους ἀλλἀ καὶ ἐναργεῖς. — ὄψεταί τις αὐτοὺς οὐχ ἅπαξ παραρρυέντας — ἀλλ̕ ἀεὶ τοῖς βουλομένοις ὁμιλοῦντας (also immer sind sie dort anwesend). Aristid. I p. 78 Dind.: Ἀμφιάραος καὶ Τροφώνιος ἐν Βοιωτίᾳ καὶ Ἀμφί- λοχος ἐν Αἰτωλίᾳ χρησμῳδοῦσι καὶ φαίνονται. Wenn der Cult eines solchen durch Incubation befragten Gottes sich ausbreitete, so lockerte sich natür- lich seine Ortsgebundenheit. Entweder wurde es streitig, wo sein dauernder Erdsitz sei (so bei Amphiaraos), oder der Gott wird allmählich ortsfrei, an bestimmte einzelne Orte nur soweit gebunden, dass er eben ausschliess- lich an ihnen, nicht beliebig überall erscheinen kann. So ist es mit Asklepios, so mit einigen anderen, ebenfalls ursprünglich an Ein Local gebundenen Dämonen, die dann ἐπιφαίνονται, ἐπιφοιτῶσιν auch in bestimmten anderen Tempeln (vgl. beispielsweise den Bericht über die ἐπιφάνειαι des Machaon und Podalirius in Adrotta bei Marinus, v. Procli 32; coll. Suid. s. Εὐστέφιος [aus Damascius, v. Isid.]). Stets aber muss zu dem durch Incubation ihn Befragenden der Gott in Person kommen: ist er abwesend, so kann auch kein Orakel zu Stande kommen. S. die Geschichte von Amphiaraos bei 2) Schlangen in seiner Höhle, zu deren Besänftigung man Honigkuchen mit hinabnahm: er selbst ist in Schlangengestalt anwesend: ὄφις ἦν ὁ μαντευ- όμενος (Schol. Ar. Nub. 508 p. 105b, 32); vgl. Suidas s. Τροφώνιος. — Diese persönliche unvermittelte Zusammenkunft des Orakelsuchenden mit dem Gotte war es, was das Trophoniosorakel vor anderen auszeichnete, μόνον ἐκεῖνο (τὸ μαντεῖον) δι̕ αὐτοῦ χρᾷ τοῦ χρωμένου. Philostr. V. Apoll. 8, 19, p. 335, 30. Manche hörten freilich nur, ohne zu sehen: — τις καὶ εἶδεν καὶ ἄλλος ἤκουσεν. Paus. 9, 39, 11. Aber sie hörten den Gott. Rohde, Seelencult. 8

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Zitationshilfe: Rohde, Erwin: Psyche. Seelencult und Unsterblichkeitsglaube der Griechen. Freiburg u. a., 1894, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rohde_psyche_1894/129>, abgerufen am 25.11.2024.