und hatte das erste Jahr weit weniger Scha- den, als er sich vorgestellt hatte. Der Rath räumte ihm ganze Districte zu den Maulbeer- bäumen ein; viele waren schon da, und er konn- te gleich im ersten Jahr eine sehr große Zahl Würmer auslaufen lassen. Er versichert, daß kaum in Italien eine Gegend so gut und be- quem sey, als bey Görlitz. Seine Vorgänger hatten blos Maulbeerbäume mit schwarzen Bee- ren gepflanzt, und sie für besser gehalten; er aber zog die mit weißen Beeren vor. Jene hatten nie Blätter genug; und er behielt bey einer größern Anzahl Würmer, bey der näm- lichen Anzahl Bäume, noch Blätter übrig. Den Saamen zu den Bäumen verschrieb er sich aus Italien. Der Rath baute ihm in dem einen Zwinger ein Haus mit 2 Kesseln. Jetzt hat er eine Pension vom Hofe, die er auch ver- dient, da er nicht, wie seine Vorgänger, Vor- schuß verlangt hat. Da die dasigen Einwoh- ner mit dem Abwinden der Cocons nicht umzu- gehen wußten, so brachte er eine Weibsper- son aus Torgau mit, welche dieselben unter- richten mußte.
Auch in den übrigen deutschen Landen suchte man entweder die schon ehemals gemachten Einrichtungen hervor, oder ahmte den Bey- spielen, die man vor sich hatte, nach. In der Grafschaft Hanau legte Jean d'Aunant schon 1723 dergleichen Pflanzungen an h), und nicht
erst
h) S. Schrebers Geschichte des Seidenbaues.
und hatte das erſte Jahr weit weniger Scha- den, als er ſich vorgeſtellt hatte. Der Rath raͤumte ihm ganze Diſtricte zu den Maulbeer- baͤumen ein; viele waren ſchon da, und er konn- te gleich im erſten Jahr eine ſehr große Zahl Wuͤrmer auslaufen laſſen. Er verſichert, daß kaum in Italien eine Gegend ſo gut und be- quem ſey, als bey Goͤrlitz. Seine Vorgaͤnger hatten blos Maulbeerbaͤume mit ſchwarzen Bee- ren gepflanzt, und ſie fuͤr beſſer gehalten; er aber zog die mit weißen Beeren vor. Jene hatten nie Blaͤtter genug; und er behielt bey einer groͤßern Anzahl Wuͤrmer, bey der naͤm- lichen Anzahl Baͤume, noch Blaͤtter uͤbrig. Den Saamen zu den Baͤumen verſchrieb er ſich aus Italien. Der Rath baute ihm in dem einen Zwinger ein Haus mit 2 Keſſeln. Jetzt hat er eine Penſion vom Hofe, die er auch ver- dient, da er nicht, wie ſeine Vorgaͤnger, Vor- ſchuß verlangt hat. Da die daſigen Einwoh- ner mit dem Abwinden der Cocons nicht umzu- gehen wußten, ſo brachte er eine Weibsper- ſon aus Torgau mit, welche dieſelben unter- richten mußte.
Auch in den uͤbrigen deutſchen Landen ſuchte man entweder die ſchon ehemals gemachten Einrichtungen hervor, oder ahmte den Bey- ſpielen, die man vor ſich hatte, nach. In der Grafſchaft Hanau legte Jean d’Aunant ſchon 1723 dergleichen Pflanzungen an h), und nicht
erſt
h) S. Schrebers Geſchichte des Seidenbaues.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0327"n="301"/>
und hatte das erſte Jahr weit weniger Scha-<lb/>
den, als er ſich vorgeſtellt hatte. Der Rath<lb/>
raͤumte ihm ganze Diſtricte zu den Maulbeer-<lb/>
baͤumen ein; viele waren ſchon da, und er konn-<lb/>
te gleich im erſten Jahr eine ſehr große Zahl<lb/>
Wuͤrmer auslaufen laſſen. Er verſichert, daß<lb/>
kaum in Italien eine Gegend ſo gut und be-<lb/>
quem ſey, als bey Goͤrlitz. Seine Vorgaͤnger<lb/>
hatten blos Maulbeerbaͤume mit ſchwarzen Bee-<lb/>
ren gepflanzt, und ſie fuͤr beſſer gehalten; er<lb/>
aber zog die mit weißen Beeren vor. Jene<lb/>
hatten nie Blaͤtter genug; und er behielt bey<lb/>
einer groͤßern Anzahl Wuͤrmer, bey der naͤm-<lb/>
lichen Anzahl Baͤume, noch Blaͤtter uͤbrig.<lb/>
Den Saamen zu den Baͤumen verſchrieb er<lb/>ſich aus Italien. Der Rath baute ihm in dem<lb/>
einen Zwinger ein Haus mit 2 Keſſeln. Jetzt<lb/>
hat er eine Penſion vom Hofe, die er auch ver-<lb/>
dient, da er nicht, wie ſeine Vorgaͤnger, Vor-<lb/>ſchuß verlangt hat. Da die daſigen Einwoh-<lb/>
ner mit dem Abwinden der Cocons nicht umzu-<lb/>
gehen wußten, ſo brachte er eine Weibsper-<lb/>ſon aus Torgau mit, welche dieſelben unter-<lb/>
richten mußte.</p><lb/><p>Auch in den uͤbrigen deutſchen Landen ſuchte<lb/>
man entweder die ſchon ehemals gemachten<lb/>
Einrichtungen hervor, oder ahmte den Bey-<lb/>ſpielen, die man vor ſich hatte, nach. In der<lb/>
Grafſchaft Hanau legte Jean d’Aunant ſchon<lb/>
1723 dergleichen Pflanzungen an <noteplace="foot"n="h)">S. Schrebers Geſchichte des Seidenbaues.</note>, und nicht<lb/><fwplace="bottom"type="catch">erſt</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[301/0327]
und hatte das erſte Jahr weit weniger Scha-
den, als er ſich vorgeſtellt hatte. Der Rath
raͤumte ihm ganze Diſtricte zu den Maulbeer-
baͤumen ein; viele waren ſchon da, und er konn-
te gleich im erſten Jahr eine ſehr große Zahl
Wuͤrmer auslaufen laſſen. Er verſichert, daß
kaum in Italien eine Gegend ſo gut und be-
quem ſey, als bey Goͤrlitz. Seine Vorgaͤnger
hatten blos Maulbeerbaͤume mit ſchwarzen Bee-
ren gepflanzt, und ſie fuͤr beſſer gehalten; er
aber zog die mit weißen Beeren vor. Jene
hatten nie Blaͤtter genug; und er behielt bey
einer groͤßern Anzahl Wuͤrmer, bey der naͤm-
lichen Anzahl Baͤume, noch Blaͤtter uͤbrig.
Den Saamen zu den Baͤumen verſchrieb er
ſich aus Italien. Der Rath baute ihm in dem
einen Zwinger ein Haus mit 2 Keſſeln. Jetzt
hat er eine Penſion vom Hofe, die er auch ver-
dient, da er nicht, wie ſeine Vorgaͤnger, Vor-
ſchuß verlangt hat. Da die daſigen Einwoh-
ner mit dem Abwinden der Cocons nicht umzu-
gehen wußten, ſo brachte er eine Weibsper-
ſon aus Torgau mit, welche dieſelben unter-
richten mußte.
Auch in den uͤbrigen deutſchen Landen ſuchte
man entweder die ſchon ehemals gemachten
Einrichtungen hervor, oder ahmte den Bey-
ſpielen, die man vor ſich hatte, nach. In der
Grafſchaft Hanau legte Jean d’Aunant ſchon
1723 dergleichen Pflanzungen an h), und nicht
erſt
h) S. Schrebers Geſchichte des Seidenbaues.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rössig, Carl Gottlob: Versuch einer pragmatischen Geschichte der Ökonomie- Polizey- und Cameralwissenschaften. Deutschland. Bd. 1. Leipzig, 1781, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roessig_oekonomie01_1781/327>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.