Cammergestütte heißen. Hier giebt der Lands- herr zu dem Gestütte nichts, als die Weide; die Stutten verdienen ihr Futter; die Hengste und Beschäler haben ihren Unterhalt aus einer be- stimmten Casse. Die dritte machen die wilden Gestütte aus, welche sich sonderlich in Pohlen, Ungarn, in der Ukraine, Moldau, Walachey, bey den Tartarn und Kalmucken finden, die ihre Gestütte in unbebaueten und wüsten Gegen- den gehen lassen, wo sich die Pferde ihre Nah- rung selbst suchen müssen. Die vornehmen pohl- nischen Herren halten dergleichen Gestütte, um daraus den Abgang von Kutsch- und Reitpfer- den in ihrem Stalle zu ersetzen: denn sie müs- sen aus Mangel der Posten immer wohlbesetzte Ställe von etlichen hundert Stücken haben; al- lein sie wenden wenig auf ihre Gestütte an gu- ten Beschälern, weil sie es für eine Schande halten, ein Stück zu verkaufen, sondern nur verschenken.
Die vierte Art von Gestütten ist auch wild, da nämlich die Gestütte im Winter in einen großen Schoppen getrieben, und den Pferden des Morgens Stroh, Mittags Heu und Abends wieder Stroh gereicht wird; dergleichen es sonderlich viele in Ungarn giebt. Aus diesen beyden letzten Arten von Gestütten kommen nun die so berühmten wilden Pferde, welche so dauer- haft sind, daß sie alles ausstehen, und sich mit schlechter Kost begnügen, und mit welchen man in einem Tage 18 bis 20 Meilen reisen kann.
Sie
Cammergeſtuͤtte heißen. Hier giebt der Lands- herr zu dem Geſtuͤtte nichts, als die Weide; die Stutten verdienen ihr Futter; die Hengſte und Beſchaͤler haben ihren Unterhalt aus einer be- ſtimmten Caſſe. Die dritte machen die wilden Geſtuͤtte aus, welche ſich ſonderlich in Pohlen, Ungarn, in der Ukraine, Moldau, Walachey, bey den Tartarn und Kalmucken finden, die ihre Geſtuͤtte in unbebaueten und wuͤſten Gegen- den gehen laſſen, wo ſich die Pferde ihre Nah- rung ſelbſt ſuchen muͤſſen. Die vornehmen pohl- niſchen Herren halten dergleichen Geſtuͤtte, um daraus den Abgang von Kutſch- und Reitpfer- den in ihrem Stalle zu erſetzen: denn ſie muͤſ- ſen aus Mangel der Poſten immer wohlbeſetzte Staͤlle von etlichen hundert Stuͤcken haben; al- lein ſie wenden wenig auf ihre Geſtuͤtte an gu- ten Beſchaͤlern, weil ſie es fuͤr eine Schande halten, ein Stuͤck zu verkaufen, ſondern nur verſchenken.
Die vierte Art von Geſtuͤtten iſt auch wild, da naͤmlich die Geſtuͤtte im Winter in einen großen Schoppen getrieben, und den Pferden des Morgens Stroh, Mittags Heu und Abends wieder Stroh gereicht wird; dergleichen es ſonderlich viele in Ungarn giebt. Aus dieſen beyden letzten Arten von Geſtuͤtten kommen nun die ſo beruͤhmten wilden Pferde, welche ſo dauer- haft ſind, daß ſie alles ausſtehen, und ſich mit ſchlechter Koſt begnuͤgen, und mit welchen man in einem Tage 18 bis 20 Meilen reiſen kann.
Sie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0245"n="219"/>
Cammergeſtuͤtte heißen. Hier giebt der Lands-<lb/>
herr zu dem Geſtuͤtte nichts, als die Weide; die<lb/>
Stutten verdienen ihr Futter; die Hengſte und<lb/>
Beſchaͤler haben ihren Unterhalt aus einer be-<lb/>ſtimmten Caſſe. Die dritte machen die wilden<lb/>
Geſtuͤtte aus, welche ſich ſonderlich in Pohlen,<lb/>
Ungarn, in der Ukraine, Moldau, Walachey,<lb/>
bey den Tartarn und Kalmucken finden, die<lb/>
ihre Geſtuͤtte in unbebaueten und wuͤſten Gegen-<lb/>
den gehen laſſen, wo ſich die Pferde ihre Nah-<lb/>
rung ſelbſt ſuchen muͤſſen. Die vornehmen pohl-<lb/>
niſchen Herren halten dergleichen Geſtuͤtte, um<lb/>
daraus den Abgang von Kutſch- und Reitpfer-<lb/>
den in ihrem Stalle zu erſetzen: denn ſie muͤſ-<lb/>ſen aus Mangel der Poſten immer wohlbeſetzte<lb/>
Staͤlle von etlichen hundert Stuͤcken haben; al-<lb/>
lein ſie wenden wenig auf ihre Geſtuͤtte an gu-<lb/>
ten Beſchaͤlern, weil ſie es fuͤr eine Schande<lb/>
halten, ein Stuͤck zu verkaufen, ſondern nur<lb/>
verſchenken.</p><lb/><p>Die vierte Art von Geſtuͤtten iſt auch wild,<lb/>
da naͤmlich die Geſtuͤtte im Winter in einen<lb/>
großen Schoppen getrieben, und den Pferden<lb/>
des Morgens Stroh, Mittags Heu und Abends<lb/>
wieder Stroh gereicht wird; dergleichen es<lb/>ſonderlich viele in Ungarn giebt. Aus dieſen<lb/>
beyden letzten Arten von Geſtuͤtten kommen nun<lb/>
die ſo beruͤhmten wilden Pferde, welche ſo dauer-<lb/>
haft ſind, daß ſie alles ausſtehen, und ſich mit<lb/>ſchlechter Koſt begnuͤgen, und mit welchen man<lb/>
in einem Tage 18 bis 20 Meilen reiſen kann.<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Sie</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[219/0245]
Cammergeſtuͤtte heißen. Hier giebt der Lands-
herr zu dem Geſtuͤtte nichts, als die Weide; die
Stutten verdienen ihr Futter; die Hengſte und
Beſchaͤler haben ihren Unterhalt aus einer be-
ſtimmten Caſſe. Die dritte machen die wilden
Geſtuͤtte aus, welche ſich ſonderlich in Pohlen,
Ungarn, in der Ukraine, Moldau, Walachey,
bey den Tartarn und Kalmucken finden, die
ihre Geſtuͤtte in unbebaueten und wuͤſten Gegen-
den gehen laſſen, wo ſich die Pferde ihre Nah-
rung ſelbſt ſuchen muͤſſen. Die vornehmen pohl-
niſchen Herren halten dergleichen Geſtuͤtte, um
daraus den Abgang von Kutſch- und Reitpfer-
den in ihrem Stalle zu erſetzen: denn ſie muͤſ-
ſen aus Mangel der Poſten immer wohlbeſetzte
Staͤlle von etlichen hundert Stuͤcken haben; al-
lein ſie wenden wenig auf ihre Geſtuͤtte an gu-
ten Beſchaͤlern, weil ſie es fuͤr eine Schande
halten, ein Stuͤck zu verkaufen, ſondern nur
verſchenken.
Die vierte Art von Geſtuͤtten iſt auch wild,
da naͤmlich die Geſtuͤtte im Winter in einen
großen Schoppen getrieben, und den Pferden
des Morgens Stroh, Mittags Heu und Abends
wieder Stroh gereicht wird; dergleichen es
ſonderlich viele in Ungarn giebt. Aus dieſen
beyden letzten Arten von Geſtuͤtten kommen nun
die ſo beruͤhmten wilden Pferde, welche ſo dauer-
haft ſind, daß ſie alles ausſtehen, und ſich mit
ſchlechter Koſt begnuͤgen, und mit welchen man
in einem Tage 18 bis 20 Meilen reiſen kann.
Sie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Rössig, Carl Gottlob: Versuch einer pragmatischen Geschichte der Ökonomie- Polizey- und Cameralwissenschaften. Deutschland. Bd. 1. Leipzig, 1781, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roessig_oekonomie01_1781/245>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.