haupt. Man verschrieb die Pferde aus frem- den Landen, behielt die schönsten für die Gestü- te, und verkaufte die schlechtern; aber für das gemeine Beste sorgte man dabey nicht, daß man sich bemühet hätte, die schönen Pferde auch ausser den Gestütten wirken zu lassen, und ihnen ei- nen Einfluß auf das Land zu geben, um da- durch die Landesarten zu bessern. Der Haupt- zweck war Pracht und Reutkunst, worinnen Italien den Ton gab; daher der Italiä- ner Schriften auch hier die Lehrer waren. Das Italiänische Werk des Pierro Antonio Ferra- ro, welches den Titel Cavallo frenato führet, und 1612 erschien, war die Regel der ganzen damaligen Reutkunst, und galt als dieselbe bis in die Mitte des 17ten Jahrhunderts, da Bapti- sta Galiberti zu Wien 1660 in seinem Neuge- bahnten Tummelplatze ein anderes und besseres System aufbrachte. Die vorzüglichste Sorg- falt zeigte sich damals um das Gestütewesen in dem Oesterreichischen Staaten. Es gehören hie- her die Kayserlich-Königl., die Karstischen, die Böhmischen, z. B. das berühmte Gestüte zu Prag, die Inspruckischen, die Halbturner, Gladruber, die Fürstlich Lichtensteinischen, Fürst- lich Schwarzenbergischen, Dietrichsteinischen, welche alle ihre besondere meist vorzüglichen Ge- stütteordnungen hatten, und zum Theil noch ha- ben. Eben so finden sich auch in der Mark vorzüg- lich in dem Havellande und dem Sternbergischen Kreise, wo hinreichende Weiden für die Pfer-
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haupt. Man verſchrieb die Pferde aus frem- den Landen, behielt die ſchoͤnſten fuͤr die Geſtuͤ- te, und verkaufte die ſchlechtern; aber fuͤr das gemeine Beſte ſorgte man dabey nicht, daß man ſich bemuͤhet haͤtte, die ſchoͤnen Pferde auch auſſer den Geſtuͤtten wirken zu laſſen, und ihnen ei- nen Einfluß auf das Land zu geben, um da- durch die Landesarten zu beſſern. Der Haupt- zweck war Pracht und Reutkunſt, worinnen Italien den Ton gab; daher der Italiaͤ- ner Schriften auch hier die Lehrer waren. Das Italiaͤniſche Werk des Pierro Antonio Ferra- ro, welches den Titel Cavallo frenato fuͤhret, und 1612 erſchien, war die Regel der ganzen damaligen Reutkunſt, und galt als dieſelbe bis in die Mitte des 17ten Jahrhunderts, da Bapti- ſta Galiberti zu Wien 1660 in ſeinem Neuge- bahnten Tummelplatze ein anderes und beſſeres Syſtem aufbrachte. Die vorzuͤglichſte Sorg- falt zeigte ſich damals um das Geſtuͤteweſen in dem Oeſterreichiſchen Staaten. Es gehoͤren hie- her die Kayſerlich-Koͤnigl., die Karſtiſchen, die Boͤhmiſchen, z. B. das beruͤhmte Geſtuͤte zu Prag, die Inſpruckiſchen, die Halbturner, Gladruber, die Fuͤrſtlich Lichtenſteiniſchen, Fuͤrſt- lich Schwarzenbergiſchen, Dietrichſteiniſchen, welche alle ihre beſondere meiſt vorzuͤglichen Ge- ſtuͤtteordnungen hatten, und zum Theil noch ha- ben. Eben ſo finden ſich auch in der Mark vorzuͤg- lich in dem Havellande und dem Sternbergiſchen Kreiſe, wo hinreichende Weiden fuͤr die Pfer-
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haupt. Man verſchrieb die Pferde aus frem-
den Landen, behielt die ſchoͤnſten fuͤr die Geſtuͤ-
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gemeine Beſte ſorgte man dabey nicht, daß man
ſich bemuͤhet haͤtte, die ſchoͤnen Pferde auch auſſer
den Geſtuͤtten wirken zu laſſen, und ihnen ei-
nen Einfluß auf das Land zu geben, um da-
durch die Landesarten zu beſſern. Der Haupt-
zweck war Pracht und Reutkunſt, worinnen
Italien den Ton gab; daher der Italiaͤ-
ner Schriften auch hier die Lehrer waren. Das
Italiaͤniſche Werk des Pierro Antonio Ferra-
ro, welches den Titel Cavallo frenato fuͤhret,
und 1612 erſchien, war die Regel der ganzen
damaligen Reutkunſt, und galt als dieſelbe bis in
die Mitte des 17ten Jahrhunderts, da Bapti-
ſta Galiberti zu Wien 1660 in ſeinem Neuge-
bahnten Tummelplatze ein anderes und beſſeres
Syſtem aufbrachte. Die vorzuͤglichſte Sorg-
falt zeigte ſich damals um das Geſtuͤteweſen in
dem Oeſterreichiſchen Staaten. Es gehoͤren hie-
her die Kayſerlich-Koͤnigl., die Karſtiſchen,
die Boͤhmiſchen, z. B. das beruͤhmte Geſtuͤte
zu Prag, die Inſpruckiſchen, die Halbturner,
Gladruber, die Fuͤrſtlich Lichtenſteiniſchen, Fuͤrſt-
lich Schwarzenbergiſchen, Dietrichſteiniſchen,
welche alle ihre beſondere meiſt vorzuͤglichen Ge-
ſtuͤtteordnungen hatten, und zum Theil noch ha-
ben. Eben ſo finden ſich auch in der Mark vorzuͤg-
lich in dem Havellande und dem Sternbergiſchen
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Rössig, Carl Gottlob: Versuch einer pragmatischen Geschichte der Ökonomie- Polizey- und Cameralwissenschaften. Deutschland. Bd. 1. Leipzig, 1781, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roessig_oekonomie01_1781/223>, abgerufen am 22.11.2024.
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