Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Rössig, Carl Gottlob: Versuch einer pragmatischen Geschichte der Ökonomie- Polizey- und Cameralwissenschaften. Deutschland. Bd. 1. Leipzig, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Noch neuerlich vertheidigt der Verfasser des
Lehrbegriffs der Cameral-Wissenschaften die
Möglichkeit der Verwandlung in seinen ver-
mischten Verbesserungsvorschlägen und freyen
Gedanken über den Nahrungsstand: allein er
hälts für unnütz; unstreitig hat er den blos et-
was veränderten Hafer für Korn gehalten.

Man hat Hafer, welchen man so gleich wie
Korn mahlen kann, ohne ihn erst von Spelzen
und Spitzen zu befreyen nöthig zu haben. Die
größten Naturforscher sind gegen die Verwand-
lung, weil sich kein Grund der Möglichkeit ein-
sehen läßt, und die Versuche, so wahr sie auch
immer seyn können, nicht genug beweisen; im-
mer hat man vielleicht mehr daraus gefolgert
als man sollte. Das Samenkorn enthält alle
wesentliche Theile der Frucht; wie kann hier
eine Verwandlung blos durch die vermehrte
Nahrung geschehen? sollen sich alle kleine Ge-
fäße die der Saft und dichten Theile bilden
hierdurch ändern, um eine andere Frucht her-
vor zu bringen? Ich berufe mich hier auf den
Ausspruch eines der ersten Naturforscher, des
Hrn. Bonnet. "Man hat, sagt er, in seinen Be-
trachtungen über die Natur, die Ausartung
verschiedener Gattungen behauptet; man ist so-
gar so weit gegangen, und hat angenommen,
daß sich gewisse Arten in andere, der Weizen in
Spelt, der Hafer in Roggen verwandele. Man
hat sich auf die Erfahrung berufen, und einige
Physiker von Profeßion haben ohne Erröthung

Ver-

Noch neuerlich vertheidigt der Verfaſſer des
Lehrbegriffs der Cameral-Wiſſenſchaften die
Moͤglichkeit der Verwandlung in ſeinen ver-
miſchten Verbeſſerungsvorſchlaͤgen und freyen
Gedanken uͤber den Nahrungsſtand: allein er
haͤlts fuͤr unnuͤtz; unſtreitig hat er den blos et-
was veraͤnderten Hafer fuͤr Korn gehalten.

Man hat Hafer, welchen man ſo gleich wie
Korn mahlen kann, ohne ihn erſt von Spelzen
und Spitzen zu befreyen noͤthig zu haben. Die
groͤßten Naturforſcher ſind gegen die Verwand-
lung, weil ſich kein Grund der Moͤglichkeit ein-
ſehen laͤßt, und die Verſuche, ſo wahr ſie auch
immer ſeyn koͤnnen, nicht genug beweiſen; im-
mer hat man vielleicht mehr daraus gefolgert
als man ſollte. Das Samenkorn enthaͤlt alle
weſentliche Theile der Frucht; wie kann hier
eine Verwandlung blos durch die vermehrte
Nahrung geſchehen? ſollen ſich alle kleine Ge-
faͤße die der Saft und dichten Theile bilden
hierdurch aͤndern, um eine andere Frucht her-
vor zu bringen? Ich berufe mich hier auf den
Ausſpruch eines der erſten Naturforſcher, des
Hrn. Bonnet. „Man hat, ſagt er, in ſeinen Be-
trachtungen uͤber die Natur, die Ausartung
verſchiedener Gattungen behauptet; man iſt ſo-
gar ſo weit gegangen, und hat angenommen,
daß ſich gewiſſe Arten in andere, der Weizen in
Spelt, der Hafer in Roggen verwandele. Man
hat ſich auf die Erfahrung berufen, und einige
Phyſiker von Profeßion haben ohne Erroͤthung

Ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0160" n="134"/>
        <p>Noch neuerlich vertheidigt der Verfa&#x017F;&#x017F;er des<lb/>
Lehrbegriffs der Cameral-Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften die<lb/>
Mo&#x0364;glichkeit der Verwandlung in &#x017F;einen ver-<lb/>
mi&#x017F;chten Verbe&#x017F;&#x017F;erungsvor&#x017F;chla&#x0364;gen und freyen<lb/>
Gedanken u&#x0364;ber den Nahrungs&#x017F;tand: allein er<lb/>
ha&#x0364;lts fu&#x0364;r unnu&#x0364;tz; un&#x017F;treitig hat er den blos et-<lb/>
was vera&#x0364;nderten Hafer fu&#x0364;r Korn gehalten.</p><lb/>
        <p>Man hat Hafer, welchen man &#x017F;o gleich wie<lb/>
Korn mahlen kann, ohne ihn er&#x017F;t von Spelzen<lb/>
und Spitzen zu befreyen no&#x0364;thig zu haben. Die<lb/>
gro&#x0364;ßten Naturfor&#x017F;cher &#x017F;ind gegen die Verwand-<lb/>
lung, weil &#x017F;ich kein Grund der Mo&#x0364;glichkeit ein-<lb/>
&#x017F;ehen la&#x0364;ßt, und die Ver&#x017F;uche, &#x017F;o wahr &#x017F;ie auch<lb/>
immer &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen, nicht genug bewei&#x017F;en; im-<lb/>
mer hat man vielleicht mehr daraus gefolgert<lb/>
als man &#x017F;ollte. Das Samenkorn entha&#x0364;lt alle<lb/>
we&#x017F;entliche Theile der Frucht; wie kann hier<lb/>
eine Verwandlung blos durch die vermehrte<lb/>
Nahrung ge&#x017F;chehen? &#x017F;ollen &#x017F;ich alle kleine Ge-<lb/>
fa&#x0364;ße die der Saft und dichten Theile bilden<lb/>
hierdurch a&#x0364;ndern, um eine andere Frucht her-<lb/>
vor zu bringen? Ich berufe mich hier auf den<lb/>
Aus&#x017F;pruch eines der er&#x017F;ten Naturfor&#x017F;cher, des<lb/>
Hrn. Bonnet. &#x201E;Man hat, &#x017F;agt er, in &#x017F;einen Be-<lb/>
trachtungen u&#x0364;ber die Natur, die Ausartung<lb/>
ver&#x017F;chiedener Gattungen behauptet; man i&#x017F;t &#x017F;o-<lb/>
gar &#x017F;o weit gegangen, und hat angenommen,<lb/>
daß &#x017F;ich gewi&#x017F;&#x017F;e Arten in andere, der Weizen in<lb/>
Spelt, der Hafer in Roggen verwandele. Man<lb/>
hat &#x017F;ich auf die Erfahrung berufen, und einige<lb/>
Phy&#x017F;iker von Profeßion haben ohne Erro&#x0364;thung<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ver-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[134/0160] Noch neuerlich vertheidigt der Verfaſſer des Lehrbegriffs der Cameral-Wiſſenſchaften die Moͤglichkeit der Verwandlung in ſeinen ver- miſchten Verbeſſerungsvorſchlaͤgen und freyen Gedanken uͤber den Nahrungsſtand: allein er haͤlts fuͤr unnuͤtz; unſtreitig hat er den blos et- was veraͤnderten Hafer fuͤr Korn gehalten. Man hat Hafer, welchen man ſo gleich wie Korn mahlen kann, ohne ihn erſt von Spelzen und Spitzen zu befreyen noͤthig zu haben. Die groͤßten Naturforſcher ſind gegen die Verwand- lung, weil ſich kein Grund der Moͤglichkeit ein- ſehen laͤßt, und die Verſuche, ſo wahr ſie auch immer ſeyn koͤnnen, nicht genug beweiſen; im- mer hat man vielleicht mehr daraus gefolgert als man ſollte. Das Samenkorn enthaͤlt alle weſentliche Theile der Frucht; wie kann hier eine Verwandlung blos durch die vermehrte Nahrung geſchehen? ſollen ſich alle kleine Ge- faͤße die der Saft und dichten Theile bilden hierdurch aͤndern, um eine andere Frucht her- vor zu bringen? Ich berufe mich hier auf den Ausſpruch eines der erſten Naturforſcher, des Hrn. Bonnet. „Man hat, ſagt er, in ſeinen Be- trachtungen uͤber die Natur, die Ausartung verſchiedener Gattungen behauptet; man iſt ſo- gar ſo weit gegangen, und hat angenommen, daß ſich gewiſſe Arten in andere, der Weizen in Spelt, der Hafer in Roggen verwandele. Man hat ſich auf die Erfahrung berufen, und einige Phyſiker von Profeßion haben ohne Erroͤthung Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/roessig_oekonomie01_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/roessig_oekonomie01_1781/160
Zitationshilfe: Rössig, Carl Gottlob: Versuch einer pragmatischen Geschichte der Ökonomie- Polizey- und Cameralwissenschaften. Deutschland. Bd. 1. Leipzig, 1781, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roessig_oekonomie01_1781/160>, abgerufen am 22.11.2024.