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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.

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königlichen nachgebildet: sie hatten ihre Hofmarschälle, Jäger
und Stallmeister, Kammerherren u. s. w., alle aus guten Fa-
milien; hielten nicht nur Dragoner und Kosacken und In-
fanterie als Leibgarden, sondern auch eine zahlreiche Miliz und
Artillerie, deren Offiziere, von dem Könige patentirt, mit den
Offizieren der Kronarmee gleichen Rang hatten. In diesen
östlichen Landschaften konnte, wie eine gleichzeitige Aufzeichnung
sagt 1), niemand ein Amt erhalten, niemand einen Proceß ge-
winnen, niemand zum Reichstage oder zum Tribunal gewählt
werden, niemand eine Prälatur oder reiche Pfarre erhalten,
ohne die Protection der Potocki.

Die Czartoryski stützten sich auf den Hof, die Potocki
auf ihre Popularität bei der Masse des mittleren und nie-
deren Adels. Während jene sich französisch trugen und in
ihrem ganzen Lebenszuschnitt ihre Abneigung, bisweilen selbst
ihre Geringschätzung des altpolnischen Wesens hervortrat, klei-
deten sich und lebten die Potocki nach altem Brauche der Väter.
Sie verschmähten es nicht, trotz alles Stolzes, der auch in
ihnen mächtig war, mit den "Herren Brüdern" auf deren
Weise einzugehen, verheiratheten selbst ihre Töchter in geringere
Familien und übten die "altsarmatische" Tugend der Gast-
freundschaft in ausgedehntester Weise. Unter ihren Parthei-
gängern ragten vornämlich der Woiwode von Krakau, Lubo-
mirski, und die beiden Tarlo aus altberühmtem Geschlecht,
Oheim und Neffe hervor, beide Woiwoden, der ältere von
Sandomir, der jüngere von Lublin. Der letztere, Adam, kaum
30 Jahre alt, ein schöner, lebensvoller und feuriger Mann,
hatte sich schon als Partheigänger Stanislaw Leszczynski's bei
dessen zweiter Wahl einen bedeutenden Ruf erworben. Er war
der Marschall der Conföderation von Dzikow gewesen und
hatte am längsten den König seiner Wahl mit dem Säbel in
der Hand vertheidigt. Bei der Pacification hatte König August
ihn, den damals 22jährigen, zum Woiwoden von Lublin er-
hoben, seitdem blieb er einer der populärsten Männer in der

1) Angef. in Kraszewski's Staroscina Belzka. Warz. 1858. I, 36.

königlichen nachgebildet: ſie hatten ihre Hofmarſchälle, Jäger
und Stallmeiſter, Kammerherren u. ſ. w., alle aus guten Fa-
milien; hielten nicht nur Dragoner und Koſacken und In-
fanterie als Leibgarden, ſondern auch eine zahlreiche Miliz und
Artillerie, deren Offiziere, von dem Könige patentirt, mit den
Offizieren der Kronarmee gleichen Rang hatten. In dieſen
öſtlichen Landſchaften konnte, wie eine gleichzeitige Aufzeichnung
ſagt 1), niemand ein Amt erhalten, niemand einen Proceß ge-
winnen, niemand zum Reichstage oder zum Tribunal gewählt
werden, niemand eine Prälatur oder reiche Pfarre erhalten,
ohne die Protection der Potocki.

Die Czartoryski ſtützten ſich auf den Hof, die Potocki
auf ihre Popularität bei der Maſſe des mittleren und nie-
deren Adels. Während jene ſich franzöſiſch trugen und in
ihrem ganzen Lebenszuſchnitt ihre Abneigung, bisweilen ſelbſt
ihre Geringſchätzung des altpolniſchen Weſens hervortrat, klei-
deten ſich und lebten die Potocki nach altem Brauche der Väter.
Sie verſchmähten es nicht, trotz alles Stolzes, der auch in
ihnen mächtig war, mit den „Herren Brüdern“ auf deren
Weiſe einzugehen, verheiratheten ſelbſt ihre Töchter in geringere
Familien und übten die „altſarmatiſche“ Tugend der Gaſt-
freundſchaft in ausgedehnteſter Weiſe. Unter ihren Parthei-
gängern ragten vornämlich der Woiwode von Krakau, Lubo-
mirski, und die beiden Tarlo aus altberühmtem Geſchlecht,
Oheim und Neffe hervor, beide Woiwoden, der ältere von
Sandomir, der jüngere von Lublin. Der letztere, Adam, kaum
30 Jahre alt, ein ſchöner, lebensvoller und feuriger Mann,
hatte ſich ſchon als Partheigänger Stanislaw Leszczynski’s bei
deſſen zweiter Wahl einen bedeutenden Ruf erworben. Er war
der Marſchall der Conföderation von Dzikow geweſen und
hatte am längſten den König ſeiner Wahl mit dem Säbel in
der Hand vertheidigt. Bei der Pacification hatte König Auguſt
ihn, den damals 22jährigen, zum Woiwoden von Lublin er-
hoben, ſeitdem blieb er einer der populärſten Männer in der

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[74/0088] königlichen nachgebildet: ſie hatten ihre Hofmarſchälle, Jäger und Stallmeiſter, Kammerherren u. ſ. w., alle aus guten Fa- milien; hielten nicht nur Dragoner und Koſacken und In- fanterie als Leibgarden, ſondern auch eine zahlreiche Miliz und Artillerie, deren Offiziere, von dem Könige patentirt, mit den Offizieren der Kronarmee gleichen Rang hatten. In dieſen öſtlichen Landſchaften konnte, wie eine gleichzeitige Aufzeichnung ſagt 1), niemand ein Amt erhalten, niemand einen Proceß ge- winnen, niemand zum Reichstage oder zum Tribunal gewählt werden, niemand eine Prälatur oder reiche Pfarre erhalten, ohne die Protection der Potocki. Die Czartoryski ſtützten ſich auf den Hof, die Potocki auf ihre Popularität bei der Maſſe des mittleren und nie- deren Adels. Während jene ſich franzöſiſch trugen und in ihrem ganzen Lebenszuſchnitt ihre Abneigung, bisweilen ſelbſt ihre Geringſchätzung des altpolniſchen Weſens hervortrat, klei- deten ſich und lebten die Potocki nach altem Brauche der Väter. Sie verſchmähten es nicht, trotz alles Stolzes, der auch in ihnen mächtig war, mit den „Herren Brüdern“ auf deren Weiſe einzugehen, verheiratheten ſelbſt ihre Töchter in geringere Familien und übten die „altſarmatiſche“ Tugend der Gaſt- freundſchaft in ausgedehnteſter Weiſe. Unter ihren Parthei- gängern ragten vornämlich der Woiwode von Krakau, Lubo- mirski, und die beiden Tarlo aus altberühmtem Geſchlecht, Oheim und Neffe hervor, beide Woiwoden, der ältere von Sandomir, der jüngere von Lublin. Der letztere, Adam, kaum 30 Jahre alt, ein ſchöner, lebensvoller und feuriger Mann, hatte ſich ſchon als Partheigänger Stanislaw Leszczynski’s bei deſſen zweiter Wahl einen bedeutenden Ruf erworben. Er war der Marſchall der Conföderation von Dzikow geweſen und hatte am längſten den König ſeiner Wahl mit dem Säbel in der Hand vertheidigt. Bei der Pacification hatte König Auguſt ihn, den damals 22jährigen, zum Woiwoden von Lublin er- hoben, ſeitdem blieb er einer der populärſten Männer in der 1) Angef. in Kraszewski’s Starościna Belzka. Warz. 1858. I, 36.

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Zitationshilfe: Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/88>, abgerufen am 02.05.2024.