vertrautesten Rathgeber anfangs auch auf die Reformgedanken der Czartoryski eingegangen sind und erst auf die ernsten Vor- stellungen Friedrich II. ihre Einwilligung zur Conföderation zu- rückzogen. Fast in allen Depeschen Benoits, vom ersten Moment an, daß die Reformidee wieder lebendiger hervor- trat, spricht sich die Sorge aus, daß, wenn sie realisirt würde, Polen von neuem eine den Nachbarn gefährliche Macht werden könne. Zu solcher Realisirung schien ihm die Conföderation gradeswegs zu führen, und er bemühte sich wiederholt Keyser- ling hievon zu überzeugen und ihn zu bewegen der Conföderation entgegen zu wirken. Er forderte Solms auf, auch seinerseits in derselben Richtung zu arbeiten, und ließ es hierin so wenig an sich fehlen, daß, als Katharina wirklich dazwischentrat, die "Familie" von ihm als dem "preußischen Teufel, der den Grafen Keyserling ihr verführt habe" sprach 1). Friedrich stimmte ihm vollkommen bei, zumal die Conföderation leicht einen neuen Krieg herbeiführen konnte, während für ihn die Erhaltung des allgemeinen Friedens der Hauptgesichtspunkt seiner Politik war. Zwar wies er Benoit an, sich in dieser Frage möglichst zurückzuhalten, indem er zugleich seinen Zweifel aussprach, daß Katharina, welche eben so wenig wie er ein Interesse habe, die Polen eine respectable Macht werden zu lassen, die Reformideen unterstützen würde 2). Aber zu- gleich theilte er Solms seine Sorgen in dieser Beziehung mit, der es an Vorstellungen nicht fehlen ließ. Der dänische Gesandte v. Osten in Petersburg, ein Freund Poniatowski's, schrieb diesem am 6. September, Solms habe ihm gesagt, der König von Preußen wolle vor dem Tode August III. keine Conföderation; und ein andrer Vertrauter schrieb etwa in den- selben Tagen von ebendaher: "Ich weiß nicht, was den plötz- lichen Wechsel in dem Entschluß der Kaiserin in Betreff Ihrer
1) Depesche Benoits vom 18. September 1762, 25. Juni und 17. August 1763: "C'est ce diable prussien, qui nous a gate le comte de Keyserling."
2) Rescr. v. 5. Juli, 12. August.
Roepell, Polen im 18. Jahrhundert. 13
vertrauteſten Rathgeber anfangs auch auf die Reformgedanken der Czartoryski eingegangen ſind und erſt auf die ernſten Vor- ſtellungen Friedrich II. ihre Einwilligung zur Conföderation zu- rückzogen. Faſt in allen Depeſchen Benoits, vom erſten Moment an, daß die Reformidee wieder lebendiger hervor- trat, ſpricht ſich die Sorge aus, daß, wenn ſie realiſirt würde, Polen von neuem eine den Nachbarn gefährliche Macht werden könne. Zu ſolcher Realiſirung ſchien ihm die Conföderation gradeswegs zu führen, und er bemühte ſich wiederholt Keyſer- ling hievon zu überzeugen und ihn zu bewegen der Conföderation entgegen zu wirken. Er forderte Solms auf, auch ſeinerſeits in derſelben Richtung zu arbeiten, und ließ es hierin ſo wenig an ſich fehlen, daß, als Katharina wirklich dazwiſchentrat, die „Familie“ von ihm als dem „preußiſchen Teufel, der den Grafen Keyſerling ihr verführt habe“ ſprach 1). Friedrich ſtimmte ihm vollkommen bei, zumal die Conföderation leicht einen neuen Krieg herbeiführen konnte, während für ihn die Erhaltung des allgemeinen Friedens der Hauptgeſichtspunkt ſeiner Politik war. Zwar wies er Benoit an, ſich in dieſer Frage möglichſt zurückzuhalten, indem er zugleich ſeinen Zweifel ausſprach, daß Katharina, welche eben ſo wenig wie er ein Intereſſe habe, die Polen eine reſpectable Macht werden zu laſſen, die Reformideen unterſtützen würde 2). Aber zu- gleich theilte er Solms ſeine Sorgen in dieſer Beziehung mit, der es an Vorſtellungen nicht fehlen ließ. Der däniſche Geſandte v. Oſten in Petersburg, ein Freund Poniatowski’s, ſchrieb dieſem am 6. September, Solms habe ihm geſagt, der König von Preußen wolle vor dem Tode Auguſt III. keine Conföderation; und ein andrer Vertrauter ſchrieb etwa in den- ſelben Tagen von ebendaher: „Ich weiß nicht, was den plötz- lichen Wechſel in dem Entſchluß der Kaiſerin in Betreff Ihrer
1) Depeſche Benoits vom 18. September 1762, 25. Juni und 17. Auguſt 1763: „C’est ce diable prussien, qui nous a gaté le comte de Keyserling.“
2) Reſcr. v. 5. Juli, 12. Auguſt.
Roepell, Polen im 18. Jahrhundert. 13
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vertrauteſten Rathgeber anfangs auch auf die Reformgedanken
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rückzogen. Faſt in allen Depeſchen Benoits, vom erſten
Moment an, daß die Reformidee wieder lebendiger hervor-
trat, ſpricht ſich die Sorge aus, daß, wenn ſie realiſirt würde,
Polen von neuem eine den Nachbarn gefährliche Macht werden
könne. Zu ſolcher Realiſirung ſchien ihm die Conföderation
gradeswegs zu führen, und er bemühte ſich wiederholt Keyſer-
ling hievon zu überzeugen und ihn zu bewegen der Conföderation
entgegen zu wirken. Er forderte Solms auf, auch ſeinerſeits
in derſelben Richtung zu arbeiten, und ließ es hierin ſo wenig
an ſich fehlen, daß, als Katharina wirklich dazwiſchentrat, die
„Familie“ von ihm als dem „preußiſchen Teufel, der den
Grafen Keyſerling ihr verführt habe“ ſprach 1). Friedrich
ſtimmte ihm vollkommen bei, zumal die Conföderation leicht
einen neuen Krieg herbeiführen konnte, während für ihn die
Erhaltung des allgemeinen Friedens der Hauptgeſichtspunkt
ſeiner Politik war. Zwar wies er Benoit an, ſich in dieſer
Frage möglichſt zurückzuhalten, indem er zugleich ſeinen
Zweifel ausſprach, daß Katharina, welche eben ſo wenig wie
er ein Intereſſe habe, die Polen eine reſpectable Macht werden
zu laſſen, die Reformideen unterſtützen würde 2). Aber zu-
gleich theilte er Solms ſeine Sorgen in dieſer Beziehung
mit, der es an Vorſtellungen nicht fehlen ließ. Der däniſche
Geſandte v. Oſten in Petersburg, ein Freund Poniatowski’s,
ſchrieb dieſem am 6. September, Solms habe ihm geſagt,
der König von Preußen wolle vor dem Tode Auguſt III. keine
Conföderation; und ein andrer Vertrauter ſchrieb etwa in den-
ſelben Tagen von ebendaher: „Ich weiß nicht, was den plötz-
lichen Wechſel in dem Entſchluß der Kaiſerin in Betreff Ihrer
1) Depeſche Benoits vom 18. September 1762, 25. Juni und
17. Auguſt 1763: „C’est ce diable prussien, qui nous a gaté le comte
de Keyserling.“
2) Reſcr. v. 5. Juli, 12. Auguſt.
Roepell, Polen im 18. Jahrhundert. 13
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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/207>, abgerufen am 23.07.2024.
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