diesen Worten. Die Freunde Brühls, die in seiner Nähe waren, zogen die Säbel und in einem Augenblick fuhren auf allen Seiten die Säbel aus den Scheiden. Es war ein in diesen Räumen, wie man sagte, unerhörter Vorgang. Der alte Marschall Malachowski, Mokranowski, der Großmeister der Artillerie Potocki warfen sich, von einigen Freunden unter- stützt, zwischen die Partheien und bewogen sie die Säbel wieder einzustecken. Mokranowski forderte darauf, daß die be- waffneten Gefolge, welche mehrere "Herren" mit in den Saal gebracht hatten, diesen verließen; allein Radzivil widersprach mit einigen seiner Freunde, während gleichfalls die Parthei der Czartoryski stürmisch verlangte, man solle sofort untersuchen, wer zuerst zum Säbel gegriffen. Mitten unter der allgemeinen fortdauernden Unruhe konnte Poniatowski seine Rede kaum vollenden. "Wir eingeborne Edelleute dieses Landes", rief er aus, "haben allein das Recht, uns selbst und unsern Nach- kommen die Gesetze zu geben, kein Ausländer darf daran Theil nehmen. Den Namen Brühl haben wir aber seit Jahr- hunderten unter uns nie gehört, und vor dem Jahre 1749 hat diese Familie niemals hier ein adliches Gut besessen. Zwar habe ich wohl von einem Decret des Tribunals von Petrikau gehört, aber auch abgesehen davon, daß ein späteres Decret des Tribunals von Lublin vorhanden ist, welches jenes aufhebt, schreiben nicht unsre Gesetze, vor allen das von 1633, es vor, daß das Indigenat bei uns nur durch die Reichstage erlangt werden kann? Seit 1749 ist jedoch kein Reichstag zu Beschlüssen gelangt. Hüten wir uns, daß dieses Beispiel nicht künftigen Günstlingen der Könige den Weg bahnt, sich den Titel und die Privilegien unsres Adels anzumaaßen, und daß auf diesem Wege Fremde bei uns sich ausbreiten, die ächte Nach- kommenschaft der alten Polen verdrängend!" Inzwischen hatte bereits Szymakowski, Landbote von Ciechianow, zur Parthei des Hofes gehörig, bei dem Grodgericht in Warschau ein Manifest eingelegt, durch welches er gegen jede fernere Ver- handlung protestirte und dadurch den Reichstag zerriß. Er habe, sagte er darin, dies für angezeigt gehalten, weil die
Roepell, Polen im 18. Jahrhundert. 11
dieſen Worten. Die Freunde Brühls, die in ſeiner Nähe waren, zogen die Säbel und in einem Augenblick fuhren auf allen Seiten die Säbel aus den Scheiden. Es war ein in dieſen Räumen, wie man ſagte, unerhörter Vorgang. Der alte Marſchall Malachowski, Mokranowski, der Großmeiſter der Artillerie Potocki warfen ſich, von einigen Freunden unter- ſtützt, zwiſchen die Partheien und bewogen ſie die Säbel wieder einzuſtecken. Mokranowski forderte darauf, daß die be- waffneten Gefolge, welche mehrere „Herren“ mit in den Saal gebracht hatten, dieſen verließen; allein Radzivil widerſprach mit einigen ſeiner Freunde, während gleichfalls die Parthei der Czartoryski ſtürmiſch verlangte, man ſolle ſofort unterſuchen, wer zuerſt zum Säbel gegriffen. Mitten unter der allgemeinen fortdauernden Unruhe konnte Poniatowski ſeine Rede kaum vollenden. „Wir eingeborne Edelleute dieſes Landes“, rief er aus, „haben allein das Recht, uns ſelbſt und unſern Nach- kommen die Geſetze zu geben, kein Ausländer darf daran Theil nehmen. Den Namen Brühl haben wir aber ſeit Jahr- hunderten unter uns nie gehört, und vor dem Jahre 1749 hat dieſe Familie niemals hier ein adliches Gut beſeſſen. Zwar habe ich wohl von einem Decret des Tribunals von Petrikau gehört, aber auch abgeſehen davon, daß ein ſpäteres Decret des Tribunals von Lublin vorhanden iſt, welches jenes aufhebt, ſchreiben nicht unſre Geſetze, vor allen das von 1633, es vor, daß das Indigenat bei uns nur durch die Reichstage erlangt werden kann? Seit 1749 iſt jedoch kein Reichstag zu Beſchlüſſen gelangt. Hüten wir uns, daß dieſes Beiſpiel nicht künftigen Günſtlingen der Könige den Weg bahnt, ſich den Titel und die Privilegien unſres Adels anzumaaßen, und daß auf dieſem Wege Fremde bei uns ſich ausbreiten, die ächte Nach- kommenſchaft der alten Polen verdrängend!“ Inzwiſchen hatte bereits Szymakowski, Landbote von Ciechianow, zur Parthei des Hofes gehörig, bei dem Grodgericht in Warſchau ein Manifeſt eingelegt, durch welches er gegen jede fernere Ver- handlung proteſtirte und dadurch den Reichstag zerriß. Er habe, ſagte er darin, dies für angezeigt gehalten, weil die
Roepell, Polen im 18. Jahrhundert. 11
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dieſen Worten. Die Freunde Brühls, die in ſeiner Nähe waren,
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Räumen, wie man ſagte, unerhörter Vorgang. Der alte
Marſchall Malachowski, Mokranowski, der Großmeiſter der
Artillerie Potocki warfen ſich, von einigen Freunden unter-
ſtützt, zwiſchen die Partheien und bewogen ſie die Säbel
wieder einzuſtecken. Mokranowski forderte darauf, daß die be-
waffneten Gefolge, welche mehrere „Herren“ mit in den Saal
gebracht hatten, dieſen verließen; allein Radzivil widerſprach mit
einigen ſeiner Freunde, während gleichfalls die Parthei der
Czartoryski ſtürmiſch verlangte, man ſolle ſofort unterſuchen,
wer zuerſt zum Säbel gegriffen. Mitten unter der allgemeinen
fortdauernden Unruhe konnte Poniatowski ſeine Rede kaum
vollenden. „Wir eingeborne Edelleute dieſes Landes“, rief
er aus, „haben allein das Recht, uns ſelbſt und unſern Nach-
kommen die Geſetze zu geben, kein Ausländer darf daran Theil
nehmen. Den Namen Brühl haben wir aber ſeit Jahr-
hunderten unter uns nie gehört, und vor dem Jahre 1749
hat dieſe Familie niemals hier ein adliches Gut beſeſſen.
Zwar habe ich wohl von einem Decret des Tribunals von
Petrikau gehört, aber auch abgeſehen davon, daß ein ſpäteres
Decret des Tribunals von Lublin vorhanden iſt, welches jenes
aufhebt, ſchreiben nicht unſre Geſetze, vor allen das von 1633,
es vor, daß das Indigenat bei uns nur durch die Reichstage
erlangt werden kann? Seit 1749 iſt jedoch kein Reichstag zu
Beſchlüſſen gelangt. Hüten wir uns, daß dieſes Beiſpiel nicht
künftigen Günſtlingen der Könige den Weg bahnt, ſich den
Titel und die Privilegien unſres Adels anzumaaßen, und daß auf
dieſem Wege Fremde bei uns ſich ausbreiten, die ächte Nach-
kommenſchaft der alten Polen verdrängend!“ Inzwiſchen hatte
bereits Szymakowski, Landbote von Ciechianow, zur Parthei
des Hofes gehörig, bei dem Grodgericht in Warſchau ein
Manifeſt eingelegt, durch welches er gegen jede fernere Ver-
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habe, ſagte er darin, dies für angezeigt gehalten, weil die
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Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roepell_polen_1876/175>, abgerufen am 16.02.2025.
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