Roepell, Richard: Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Gotha, 1876.tages gewählt werden solle. Gegen die Mitte September einigte 1) Dem polnischen Staatsrecht nach behielt der einmal gewählte
Reichstagsmarschall sein Amt bis zur Wahl eines neuen, und da nur alle 2 Jahre ein ordentlicher Reichstag zusammenkam, würde Mokra- nowski bis Herbst 1764 Marschall geblieben sein. tages gewählt werden ſolle. Gegen die Mitte September einigte 1) Dem polniſchen Staatsrecht nach behielt der einmal gewählte
Reichstagsmarſchall ſein Amt bis zur Wahl eines neuen, und da nur alle 2 Jahre ein ordentlicher Reichstag zuſammenkam, würde Mokra- nowski bis Herbſt 1764 Marſchall geblieben ſein. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0172" n="158"/> tages gewählt werden ſolle. Gegen die Mitte September einigte<lb/> man ſich auf Mokranowski, aber ſchon damals gab der Hof<lb/> hierin nur mit Widerſtreben und nur deshalb nach, weil eine<lb/> Reihe von Landtagen ihren Boten die Inſtruction gegeben<lb/> hatten, keinen andern als Marſchall zuzulaſſen. Mokranowski<lb/> wünſchte dringend einen fruchtbaren Reichstag. Er gab Benoit<lb/> die bündigſten Verſicherungen, daß keine Beſchlüſſe gegen das<lb/> Intereſſe Friedrichs gefaßt werden ſollten; ein beſſres Reglement<lb/> für die Tribunale und Wiederaufnahme der Münzfrage würden<lb/> die Hauptgegenſtände der Berathung ſein; man habe ſich ent-<lb/> ſchloſſen, die Vermehrung der Armee und die Einführung der<lb/> Stimmenmehrheit bei den Reichstagen für gewiſſe Fälle fallen zu<lb/> laſſen, weil ihre Einbringung zur Sprengung des Reichstags<lb/> führen würde. Allein gegen Ende September ſträubte ſich<lb/> der Hof wieder gegen die Wahl Mokranowski’s. Auguſt <hi rendition="#aq">III.</hi><lb/> Geſundheitszuſtand ſchwankte je länger je mehr; ſeine Kräfte<lb/> nahmen ab und es ſchien, als ob er nicht lange mehr leben<lb/> würde. Unter dieſen Umſtänden fürchtete der Hof, daß, wenn<lb/> Mokranowski, der in der Thronfolgefrage ein entſchiedener An-<lb/> hänger Frankreichs war und ein „unbegränztes Vertrauen“<lb/><hi rendition="#aq">(un credit infini)</hi> in der Nation beſaß, bei dem Tode des<lb/> Königs Marſchall wäre, dies dem Intreſſe der ſächſiſchen Dy-<lb/> naſtie höchſt ſchädlich werden könne <note place="foot" n="1)">Dem polniſchen Staatsrecht nach behielt der einmal gewählte<lb/> Reichstagsmarſchall ſein Amt bis zur Wahl eines neuen, und da nur<lb/> alle 2 Jahre ein ordentlicher Reichstag zuſammenkam, würde Mokra-<lb/> nowski bis Herbſt 1764 Marſchall geblieben ſein.</note>. Um aber Mokranowski’s<lb/> Wahl zu verhindern, ſchien kein andres Mittel übrig, als den<lb/> Reichstag noch vor der Wahl des Marſchall zerreißen zu laſſen.<lb/> Die Freunde des Hofes forderten unter dem Siegel des Ge-<lb/> heimniſſes den preußiſchen Reſidenten auf, daß er die Zer-<lb/> reißung beſorge: es ſollte ſeinem Könige keinen Groſchen koſten,<lb/> ſie wollten alle Ausgaben decken. Benoit lehnte dies ab, aber<lb/> er ſah ganz richtig voraus, daß der Reichstag unter allen Um-<lb/> ſtänden zerriſſen werden würde, da der Hof, um Mokra-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [158/0172]
tages gewählt werden ſolle. Gegen die Mitte September einigte
man ſich auf Mokranowski, aber ſchon damals gab der Hof
hierin nur mit Widerſtreben und nur deshalb nach, weil eine
Reihe von Landtagen ihren Boten die Inſtruction gegeben
hatten, keinen andern als Marſchall zuzulaſſen. Mokranowski
wünſchte dringend einen fruchtbaren Reichstag. Er gab Benoit
die bündigſten Verſicherungen, daß keine Beſchlüſſe gegen das
Intereſſe Friedrichs gefaßt werden ſollten; ein beſſres Reglement
für die Tribunale und Wiederaufnahme der Münzfrage würden
die Hauptgegenſtände der Berathung ſein; man habe ſich ent-
ſchloſſen, die Vermehrung der Armee und die Einführung der
Stimmenmehrheit bei den Reichstagen für gewiſſe Fälle fallen zu
laſſen, weil ihre Einbringung zur Sprengung des Reichstags
führen würde. Allein gegen Ende September ſträubte ſich
der Hof wieder gegen die Wahl Mokranowski’s. Auguſt III.
Geſundheitszuſtand ſchwankte je länger je mehr; ſeine Kräfte
nahmen ab und es ſchien, als ob er nicht lange mehr leben
würde. Unter dieſen Umſtänden fürchtete der Hof, daß, wenn
Mokranowski, der in der Thronfolgefrage ein entſchiedener An-
hänger Frankreichs war und ein „unbegränztes Vertrauen“
(un credit infini) in der Nation beſaß, bei dem Tode des
Königs Marſchall wäre, dies dem Intreſſe der ſächſiſchen Dy-
naſtie höchſt ſchädlich werden könne 1). Um aber Mokranowski’s
Wahl zu verhindern, ſchien kein andres Mittel übrig, als den
Reichstag noch vor der Wahl des Marſchall zerreißen zu laſſen.
Die Freunde des Hofes forderten unter dem Siegel des Ge-
heimniſſes den preußiſchen Reſidenten auf, daß er die Zer-
reißung beſorge: es ſollte ſeinem Könige keinen Groſchen koſten,
ſie wollten alle Ausgaben decken. Benoit lehnte dies ab, aber
er ſah ganz richtig voraus, daß der Reichstag unter allen Um-
ſtänden zerriſſen werden würde, da der Hof, um Mokra-
1) Dem polniſchen Staatsrecht nach behielt der einmal gewählte
Reichstagsmarſchall ſein Amt bis zur Wahl eines neuen, und da nur
alle 2 Jahre ein ordentlicher Reichstag zuſammenkam, würde Mokra-
nowski bis Herbſt 1764 Marſchall geblieben ſein.
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